Kommentar
16:19 Uhr, 25.07.2003

Japan - Und wieder geht die Sonne auf?

Aktuell scheinen die Kapitalmärkte auf die Aufholkarte zu setzen. Mit wenigen Wochen Verzögerung zu den bereits seit März in den USA und Europa zulegenden Aktienmärkten startete der japanische Markt durch in Richtung 10.000 Punktestand beim Nikkei. Keine außergewöhnliche Bewegung, wenn sie auch überwiegend von ausländischen Investoren hervorgerufen wurde. Aber auch der Rentenmarkt zog nach. Während die Bank of Japan die Geldmarktsätze in Nähe der Nulllinie hält und mit immer aggressiveren Methoden den Bankensektor mit Liquidität versorgt, stiegen die Renditen besonders der längeren Laufzeiten rapide an. Von ihrem Tief bei ca. 0,4% stiegen sie in wenigen Tagen auf über 1%. Die Hoffnungen auf ein Ende der Deflation nehmen zu.

Schon in den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu zwischenzeitlichen Rallyes, die durchaus zutreffend konjunkturelle Silberstreifen am Horizont vorweg nahmen, ohne dass dann auch tatsächlich die Sonne dauerhaft aufging. Als Anfang der 90´er - genauer: am 29.12.1989 - die Blase am Aktienmarkt platzte, begann der Abstieg. Der Nikkei fiel von seinem Hoch von 38.915. Aktuell sind die Märkte schon froh, wenn er den Anlauf über die 10.000´er Marke nimmt. Ein mühsames Geschäft.

Was damals begann, war ein quälender Abstieg der einst so hoch gelobten Ökonomie. Der Fluch des billigen Geldes forderte seinen Tribut. Überflüssige Liquidität, welche die Investitionen der Unternehmen subventionieren sollte, sorgte für Überkapazitäten (in Folge billiger Kredite), blies den Aktien- wie den Immobilienmarkt auf. Ein Phänomen, welches sich später in der Asienkrise wiederholt zeigen sollte: Vagabundierendes, nach Rendite suchendes Kapital u.a. aus Japan stimulierte den Boom in den Nachbarstaaten. Am Ende kamen die Renditen mit den Erwartungen nicht nach. Als die japanische Zentralbank dann Gegenmaßnahmen einleitete, war der Spuk schnell zu Ende. Die Luft entwich. Die hohen Bewertungen sackten in sich zusammen. Faule Kredite schwollen in den Bilanzen der Banken an. Seither sitzt Japan in der Liquiditätsfalle: Die Ökonomie wurde und wird immer aggressiver mit Zentralbankgeld geflutet, aber die Tränke läuft über. Die Pferde saufen nicht. Inselstaat in der Deflation.

Wird es Tag?

Was aus der Vogelperspektive der Konjunkturindikatoren auffällt ist, dass es zu tatsächlichen Verbesserungen gekommen ist:

- Der von der Zentralbank erhobene Frühindikator Tankan legte zu. - Das Investitionsklima hat sich deutlich verbessert.

- Die Auftragseingänge und die Industrieproduktion wuchsen.

- Die Kapazitätsauslastung ist zwar immer noch niedrig, hat sich aber über das Jahr 2002 hinweg verbessert.

Augenscheinlich ist, dass die Inlandsnachfrage noch nicht nachkommt.Der private Konsum bewegt sich auf niedrigem Niveau, die staatlichen Ausgaben stagnieren. Der Prozess des Lagerabbaus ist noch nicht zu Ende gekommen. Aber: Die Unternehmen investieren wieder stärker.

Unternehmensgewinne steigen

Bei den Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe haben sich Lage wie Erwartungen gem. Tankan-Konjunkturbericht verbessert, wenn es auch zwischen den großen und kleineren Unternehmen noch starke Abweichungen gibt. Auffällig ist, dass sich die Einschätzung der Finanzlage deutlich verbessert hat, die Kreditvergabe der Banken aber unverändert rückläufig ist. Auch laufen die im Tankan- Bericht erhobenen Gewinn- und Absatzerwartungen auseinander. Während gegenüber dem vorherigen Tankan die Gewinnerwartungen angehoben wurden, gingen die Verkaufserwartungen zurück. Offensichtlich greifen die Maßnahmen zur Kostenreduktion, was die Innenfinanzierung stärkt. Die über lange Zeit rückläufigen Lohnstückkosten und der, für japanische Verhältnisse, hohe Stand der Arbeitslosigkeit sprechen dafür. Die operativen Gewinne im verarbeitenden Gewerbe steigen seit dem letzten Jahr wieder und dürften auch im Fiskaljahr 2004 deutlich über 10% zulegen. Das führt zu niedrigen Bewertungen. Aktuell liegen die sogenannten "forward" KGVs, d.h. die Kursgewinnverhältnisse auf Basis der für 2004 geschätzten Gewinne, knapp unter 20. Günstig. Besonders für Japan.

"Trigger" gesucht

Was jetzt als Trigger für eine nachhaltige Erholung dazu kommen muss, sind vor allem zwei Entwicklungen:

- Ein Ende der Deflation und ein Anspringen des Wirtschaftswachstums.

- Das Ende der Bankenkrise. Größere Preisüberwälzungsspielräume in Verbindung mit einer steigenden Nachfrage würde die Margen der Unternehmen ausweiten und zu einer nachhaltigen Gewinnsteigerung führen. Dies um so mehr, als sie die Kosten besser unter Kontrolle haben.

Die Aussichten von der Exportnachfrage sind gut: Der Konjunkturmotor USA belebt, die Krankheit SARS, welche besonders den immer wichtiger werdenden Absatzmarkt China bedrohte, scheint unter Kontrolle, der Yen hat sich gegenüber den wichtigsten Nachbarländern als stabil erwiesen und die Zentralbank konnte sich auch einer Dollarabwertung erfolgreich entgegenstemmen. Allerdings fehlt es der Inlandsnachfrage noch an Schwung. Ein schnelles Ende der rückläufigen Preise ist nicht in Sicht, sollte aber an Dramatik verlieren. Die Banken sind zwar noch von der Gesundung weit entfernt, aber es scheint so, als würde ihnen das Gift der notleidenden Kredite konsequenter entzogen, was nicht zuletzt zu den jüngsten Verlusten bei den Betriebsergebnissen führte. Notleidende Altkredite in Höhe von umgerechnet ca. 85 Mrd. Euro wurden abgeschrieben, was den Bestand der notleidenden Kredite in Relation zu den Gesamtkrediten von 8,6% auf 7,4% drückte.

Summa Oeconomica

- In der Gesamtsicht ergibt sich das Bild einer konjunkturellen Verbesserung, das allerdings nur zögerlich von der Inlandsnachfrage unterfüttert wird. Im laufenden wie im kommenden Jahr wird ein einprozentiger Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt nur schwer übertroffen, während sich die Deflationsspirale langsamer dreht und Aussichten hat, zum Ende zu kommen.

- Die Probleme der Banken sind noch nicht behoben, werden aber angegangen.

- Der japanische Aktienmarkt ist aktuell preiswert. Ein wirklicher "pick" wird der Markt aber erst, wenn der private Konsum anspringt und die vom Bankensektor ausgehenden Risiken behoben sind.

Fazit: Auch in Japan stimmt: Immer wieder geht die Sonne auf. Es wird aber ein langsamer Aufgang, bei dem sich allerdings die ersten Sonnenstrahlen zeigen.

Quelle: dit

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