Kommentar
09:41 Uhr, 09.12.2015

Japan darf nicht scheitern!

Japan geht gegen den demographischen Wandel mit der Notenpresse vor. Was verwegen und aussichtslos erscheint ist Japans einzige Hoffnung. Und Japan darf nicht scheitern, denn wenn Japan scheitert, dann scheitert die ganze westliche Welt.

Japan hat die älteste Bevölkerung nach Durchschnittsalter. Es gibt nur ein Land, welches Japan schlägt. Es handelt sich dabei um Monaco. Monaco ist jedoch so klein und hat ein so spezielles Wirtschaftsmodell, dass die Überalterung de facto keine Rolle spielt. Es ist sogar fast schon Teil des Wirtschaftsmodells älteren, wohlhabenden Menschen ein steuergünstiges Zuhause zu bieten.

In Japan ist die Lage eine ganz andere. Die Bevölkerung, die im Durchschnitt immer älter wird, nicht mehr arbeitet und sozial versorgt werden muss, dämpft das potenzielle Wachstum. Deutschland befindet sich in einer ähnlichen Situation, hinkt Japan in seiner Entwicklung allerdings einige Jahre hinterher.

Deutschland ist in Europa Spitzenreiter, was das Alter der Bevölkerung angeht. Weltweit liegen Japan und Deutschland unangefochten an der Spitze. Die darauffolgenden Ränge werden jedoch fast ausschließlich von europäischen Ländern belegt. Was Japan derzeit passiert, kommt auf Deutschland in wenigen Jahren und auf Europa in 10 bis 15 Jahren zu. Die Entwicklung Japans ist daher wegweisend auch für den gesamten europäischen Kontinent. Es geht um nicht weniger als die Frage, ob das derzeitige Wirtschaftsmodell im Kontext einer schrumpfenden Bevölkerung überleben kann.

Japans Einwohnerzahl hat im Jahr 2009 seinen bisherigen Höhepunkt erreicht. Seitdem geht es langsam bergab. Grafik 1 zeigt die Bevölkerungsentwicklung des Landes seit 1870. Die Bevölkerung wuchs bis zum Zweiten Weltkrieg relativ konstant. Durch den Krieg gab es einen deutlichen Knick in der Entwicklung. In den darauffolgenden Jahren beschleunigte sich das Wachstum für kurze Zeit, bevor es in den 70er Jahren abzuflachen begann.

Japan-darf-nicht-scheitern-Kommentar-JFD-Brokers-GodmodeTrader.de-1

Diese Entwicklung ist seit Jahrzehnten bekannt. Japan selbst hat diese Entwicklung jedoch ignoriert. Der langjährige Japan-Kenner Schlesinger (Wall Street Journal) beschreibt den Umgang Japans mit der Situation schlicht als Leugnung, die sich bis zum Jahr 2000 hielt. Bis dahin sagten Demographen entgegen aller realen Entwicklungen einen baldigen Anstieg der Geburtenraten voraus.

Nachdem sich die Vorhersagen 30 Jahre lang nicht bewahrheiteten, akzeptierte Japan sein demographisches Schicksal als unumgänglich. Zu diesem Schicksal gehört eine ständig sinkende Nachfrage durch die Schrumpfung der Bevölkerung. Wenn weniger nachgefragt wird, wird natürlich auch weniger produziert. In einer überalternden und schrumpfenden Bevölkerung wird einfach weniger gebraucht.

Für unser Wirtschaftssystem ist das ein Problem. Es ist auf Wachstum ausgelegt. Die Wirtschaft wächst, indem die Nachfrage immer weiter steigt. Das bedingt Investitionen in Maschinen, Ausrüstung, Infrastruktur usw. Schrumpft die Bevölkerung, dann braucht man von allem weniger. Es bedarf einer geringeren Produktionskapazität. Neue Wohngegenden müssen gar nicht erst gebaut werden. Vielmehr geht es um den Rückbau.

Der Großraum Tokyo beheimatet mehr als 30 Mio. Menschen. Am Ende des Jahrhunderts wird das fast die Hälfte der japanischen Bevölkerung sein. Entweder schrumpft Tokyo oder der Zuzug verhindert das. In diesem Fall müssten andere Städte komplett verwaisen. Was macht man, wenn Jahr um Jahr 300.000 weniger Wohnungen gebraucht werden? – Den Bausektor anschieben wird es kaum, es sei denn, man spezialisiert sich auf den Abriss und nicht den Aufbau.

Die Japanische Wirtschaft steht nicht nur vor einem demographischen Wandel, sondern mit diesem zusammenhängend auch einem wirtschaftlichen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg jahrzehntelang. Grafik 1 zeigt das BIP pro Kopf seit 1870. Abgesehen von den Folgen des Zweiten Weltkriegs war der Trend klar. Das Wachstum war nach dem Krieg bis Ende der 80er Jahre sehr hoch. Erklären lässt sich das durch die Produktivitätszuwächse. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann ein deutlicher Anstieg des Produktivitätswachstums. Der Trend schwächte sich in den 70er Jahren ab. Seit 1990 stagniert die Produktivität nahezu.

Stagnierende Produktivität ist eine gefährliche Sache. Wenn die Bevölkerung schrumpft und folglich auch immer weniger Menschen arbeiten, dann kann die Wirtschaftsleistung nur steigen, wenn jeder einzelne mehr produziert. Genau das passiert jedoch nicht. Der Output pro Arbeitskraft wächst kaum noch, doch ohne dieses Wachstum ist das BIP dazu verdonnert zu sinken.

Grafik 2 zeigt eine Prognose der Entwicklung bis Ende des Jahrhunderts. Es geht dabei nur sekundär um die Bevölkerungsentwicklung. Viel interessanter ist die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes. Die Prognose nimmt an, dass das BIP pro Kopf real um 0,75 % pro Jahr wächst. Das BIP pro Kopf multipliziert mit der Anzahl an Personen ergibt die Wirtschaftsleistung des Landes.

In dieser Rechnung stagniert das BIP in den kommenden Jahrzehnten. Grundsätzlich sind auch ganz andere Szenarien denkbar. Bleibt das Produktivitätswachstum auf dem derzeitigen Niveau, dann würde das BIP bis zum Ende des Jahrhunderts um 20 % sinken. Pro Kopf steigt die Wirtschaftsleistung noch immer moderat an, aber im Aggregat schrumpft sie.

Der Fall, indem die Wirtschaftsleistung den bisherigen Wachstumstrend fortsetzt, ist recht unwahrscheinlich. Dazu fehlt es an Impulsen. Unternehmen investieren so gut wie gar nicht mehr im Heimatland, doch ohne Investitionen darf man kein Produktivitätswachstum erwarten. Es fällt ja nicht vom Himmel...

Japan-darf-nicht-scheitern-Kommentar-JFD-Brokers-GodmodeTrader.de-2

Die Wirtschaftspolitik der Regierung und der Notenbank versuchen die Investitionen und damit das Produktivitätswachstum anzukurbeln. Bisher ist das nicht gelungen. Die dahinterstehende Logik ist jedoch bestechend. Durch die Abwertung des Yen wurden japanischen Unternehmen Rekordgewinne ermöglicht. In der Theorie sollte das dazu führen, dass mehr investiert wird.

Unternehmen investieren nur, wenn sie glauben, dass ihre Investitionen auch eine ordentliche Rendite abwerfen. Genau diese Zuversicht fehlt den Unternehmen, was bei einer schrumpfenden Bevölkerung nicht verwunderlich ist. Für die Regierung und die Notenbank ist daher Inflation ein Schlüsselpunkt. Steigt die Inflation, weil die Nachfrage steigt, dann können sich Investitionen lohnen. Bei einer schrumpfenden Bevölkerung kann die Nachfrage nur steigen, wenn jeder einzelne mehr konsumiert. Konsumenten kaufen mehr ein, wenn sie mehr verdienen. Die Reallöhne stagnieren jedoch seit Jahren.

Unternehmen haben die Geldmittel zu investieren, tun es aber nicht, weil sie nicht an die Zukunft glauben. Verübeln kann man es ihnen nicht. Die Zukunft Japans kann jedoch nur gelingen, wenn investiert wird. Und zwar so viel, dass die Produktivität pro Jahr um 1,5 bis 2,5 % steigt. Grafik 3 zeigt dazu die Entwicklung seit 1950 und das notwendige Produktivitätswachstum, um den Rückgang der Bevölkerung zu kompensieren. Auf den ersten Blick sieht man, dass die Produktivität so stark wachsen muss wie seit den 80er Jahren nicht mehr – und das über viele Jahre.

Japan-darf-nicht-scheitern-Kommentar-JFD-Brokers-GodmodeTrader.de-3

So hoher und vor allem auch langfristiger Zuwachs an Produktivität ist äußerst unwahrscheinlich. Japan will es dennoch versuchen über Produktivität den Niedergang aufzuhalten. Da die Unternehmen nicht mitspielen, kann das nach derzeitigem Stand nicht gelingen. Japan befindet sich in einem Dilemma. Unternehmen investieren nur, wenn sie an die Zukunft glauben. Das tun sie nicht, weil die Bevölkerung schrumpft. Entgehen kann die Wirtschaft der Schrumpfung nur, wenn investiert wird. Ein Zirkelschluss bzw. – wenn man es positiv sieht – eine sich selbsterfüllende Prophezeiung: würden Unternehmen an die Zukunft glauben, dann investieren sie und die Wirtschaft kann wachsen, was Folgeinvestitionen nach sich zieht. Derzeit sieht es eher nach Folgendem aus: die Bevölkerung schrumpft, daher wird nicht investiert, was das Wachstum dämpft und entsprechend die Investitionsbereitschaft weiter dämpft.

Japan versucht mit der Geld- und Fiskalpolitik den Teufelskreis zu durchbrechen, bisher ohne Erfolg. Scheitert Japan in seinen Bemühungen, dann können wir uns in Europa auf schlimme Zeiten einstellen, denn wenn selbst die extrem aggressive Politik den Stein nicht ins Rollen bringt, wie soll es dann in einem Europa mit Dutzenden Ländern, die alle eine andere Meinung haben, geschehen?

Lars Gottwik

Partner & COO JFD Brokers

JFD Brokers – Just FAIR and DIRECT

www.jfdbrokers.com

Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.

Mehr-Staatsbankrotte-ab-2016-Kommentar-JFD-Brokers-GodmodeTrader.de-1

ÜBER JFD BROKERS:

WER WIR SIND:
JFD Brokers ist eine einzigartige Mischung aus herausragenden Finanzmarktanalysten und erfahrenen Brokerage-Profis, welche einen revolutionären, zukunftsorientierten Ansatz bei der Entwicklung von Online- Trading Technologien und Lösungen beschreitet. Unser Angebot umfasst Margin Trading, Vermögensverwaltung, HFT & quantitative Systeme, physische Devisen (FX) Zahlungen, Prime und IT-Lösungen und ist perfekt auf erfahrene Privatinvestoren und institutionelle Partner zugeschnitten.

WAS WIR MACHEN:
Wir sind der einzige Retail-Broker, der ALLEN KUNDEN (ab einer Mindesteinlage von 500 Euro) den Handel von bis zu 9 Anlageklassen (mit mehr als 800 Finanzinstrumenten) innerhalb einer einzigen Handelsplattform, mit einem einheitlichen institutionellen Pricing (börsenechte Spreads / Core Spreads) und einer einheitlichen STP/DMA Ausführungsart bietet. Sie profitieren mit JFD Brokers von Interbank-Core Spreads, niedrigen Tradingkosten, kompletter Anonymität, vollständiger Transparenz, hoher Liquidität und einem 100 % DMA/STP Konto. Dieses bietet Ihnen einen extrem latenzarmen Zugang zu mehr als 15 Tier1 Liquiditätsanbietern, sowie zu mehr als 80 Primärbörsen, MTFs bzw. sekundär Derivate- & Warenbörsen, bzw. Dark- & Lightpools.

RISK-DISCLAIMER:
JFD Brokers bietet ausschließlich beratungsfreie Dienstleistungen an. Der Inhalt dieser Analyse enthält keine Anlageberatung bzw. Anlageempfehlung (und darf auch nicht als solche verstanden werden) und stellt keinesfalls eine Aufforderung zum Erwerb von jeglichen Finanzinstrumenten oder -produkten dar. JFD Brokers haftet nicht für Schäden, welche auf einzelne Kommentare und Aussagen auf Analysen von JFD Brokers zurückzuführen wären / sind und übernimmt keine Gewähr in Bezug auf Vollständigkeit und Richtigkeit des dargestellten Inhaltes. Somit trägt der Anleger ausschließlich alleinverantwortlich das Risiko für seine Anlageentscheidungen.

Die dargestellten Analysen und Kommentare enthalten keine Berücksichtigung Ihrer persönlichen Investitionsziele, Ihrer finanziellen Verhältnisse oder Bedürfnisse. Der Inhalt wurde nicht gemäß der gesetzlichen Vorschriften für Finanzanalysen erstellt und muss daher vom Leser als Marketinginformation angesehen werden. JFD Brokers untersagt die Vervielfältigung oder Veröffentlichung ohne ausdrückliche Genehmigung.

FX und CFDs sind gehebelte Produkte. Sie sind nicht für jeden Anleger geeignet, da sie ein hohes Maß an Risiko für Ihr Kapital bergen und Sie mehr verlieren können als Ihre ursprüngliche Einzahlung. Bitte vergewissern Sie sich, dass Sie alle Risiken verstehen.

Disclaimer: https://www.jfdbrokers.com/legal-info/legal-information.html

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • gehackDAX
    gehackDAX

    Hoffen wir mal das die Bevölkerungslinie im Chart oben, nicht so einknickt wie im DAX, sonst gibt es keine Japaner mehr!!! ;-)

    Interessanter und super Artikel, danke!

    10:02 Uhr, 09.12. 2015
  • nordlicht39
    nordlicht39

    ...toller Artikel!

    10:00 Uhr, 09.12. 2015

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

JFD Brokers
JFD Brokers
JFD Bank

JFD ist eine führende Unternehmensgruppe, die Finanz- sowie Investmentdienstleistungen und -aktivitäten anbietet. Die Muttergesellschaft, JFD Group Ltd, wurde im Dezember 2011 gegründet und ist heute ein international lizenzierter, globaler Anbieter von Multi-Asset-Trading und Investmentlösungen. Sie bietet gebührenfreien Handel mit echten Aktien und bspw. auch Krypto-CFDs sowie extrem wettbewerbsfähige Handels und Investmentpreise für mehr als 1500 Instrumente in 9 Anlageklassen. JFD wurde von verschiedenen unabhängigen Quellen als eines der am schnellsten wachsenden, respektiertesten Finanzunternehmen der Welt gewürdigt. Dank seiner zentralen Werte wie Transparenz, Fairness und Vertrauen ist JFD für zahlreiche Trader die beste Wahl für Self-Trading-, Portfoliomanagement- und Investments.

Mehr über JFD Brokers
Mehr Experten