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15:00 Uhr, 17.04.2024

IWF ruft Staaten zu finanzieller Zurückhaltung auf

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones) - Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die Staaten zu finanzieller Zurückhaltung aufgerufen. "Ohne entschlossene Maßnahmen wird die nach der Pandemie begonnene fiskalische Normalisierung in den nächsten Jahren unvollständig bleiben", schreibt der IWF in seinem jährlich veröffentlichten Fiscal Monitor. Dauerhafte Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung seien erforderlich, um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu sichern und vor dem Hintergrund der sich abschwächenden mittelfristigen Wachstumsaussichten und der hohen Realzinsen neue Puffer aufzubauen. "Eine fiskalische Straffung würde auch die 'letzte Meile' der Inflationsbekämpfung unterstützen, insbesondere in überhitzten Volkswirtschaften", argumentiert der IWF.

Mit Blick auf das laufende Jahr äußert sich die in Washington ansässige Organisation besorgt: 2024 sei ein globales Superwahljahr, in 88 Ländern mit mehr als der Hälfte des Weltbevölkerung und der globalen Wirtschaftsleistung sei gewählt worden oder werde gewählt. "Die Unterstützung für höhere Staatsausgaben hat in den letzten Jahrzehnten quer durch das politische Spektrum zugenommen, was dieses Jahr zu einer besonderen Herausforderung macht, da empirische Belege zeigen, dass die Finanzpolitik in Wahljahren tendenziell lockerer und die Abweichungen größer sind."

Die weltweite Staatsverschuldung wird laut IWF bis 2029 voraussichtlich 99 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen, getrieben vor allem von China und den USA, wo die Staatsverschuldung bei der derzeitigen Politik weiter über die historischen Höchststände hinaus ansteigen dürfte. Für die beiden größten Volkswirtschaften wird eine Verdopplung der Staatsschuld bis 2053 erwartet.

"2023 verzeichneten die USA bemerkenswert große fiskalische Fehlentwicklungen, wobei das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit trotz des starken BIP-Wachstums von 4,1 Prozent im Jahr 2022 auf 8,8 Prozent stieg", konstatiert der IWF. Die Einkommenssteuereinnahmen seien drastisch gesunken (minus 3,1 Prozentpunkte des BIP), was auf niedrigere Kapitalertragssteuern und verlängerte Steuerzahlungsfristen zurückzuführen sei. Zugleich seien die Ausgaben gestiegen (plus 1,3 Prozentpunkte des BIP).

Der IWF rechnet damit, dass das Haushaltsdefizit der USA von 8,8 Prozent 2023 auf 6,0 Prozent 2029 sinken wird. Dabei wird für 2024 ein großer Schritt nach unten (auf 6,5 Prozent) unterstellt. Die Staatsschulden werden in dieser Zeit von 122,1 auf 133,9 Prozent des BIP wachsen.

In China blieb das gesamtstaatliche Defizit laut IWF bei über 7 Prozent und wird bis 2029 wegen steigender Pensions- und Zinsausgaben auf rund 7,9 Prozent zunehmen, wie der IWF schätzt. "Trotz des sehr günstigen Zins-Wachstums-Differentials werden die anhaltend hohen Primärdefizite die Staatsverschuldung des Landes voraussichtlich weiter ansteigen lassen", sagt der IWF voraus. Das Wachstum dürfte angesichts der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung und der nachlassenden Produktivität mittelfristig zurückgehen. Die Staatsschuldenquote wird laut IWF von 83,6 auf 110,1 Prozent zunehmen.

Der durch einen fiskalischen Rahmen disziplinierte Euroraum präsentiert sich vergleichsweise solide: Das Defizit dürfte laut IWF von 3,5 auf 2,3 Prozent sinken und die Verschuldung von 88,6 auf 87,7 Prozent. Die Extreme nach oben und unten stellen unter den großen Mitgliedsländern Italien und Deutschland dar. Für Italiens Defizit wird ein Rückgang von 7,2 auf 3,0 Prozent unterstellt und für die Verschuldung ein Anstieg auf 137,3 auf 144,9 Prozent. Deutschlands Defizit wird demnach von 2,1 auf 0,5 Prozent zurückgehen und die Verschuldung von 64,3 auf 57,7 Prozent.

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