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10:47 Uhr, 06.05.2024

IW: China dominiert Handel mit Globalem Süden - Deutschland stagniert

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones) - China dominiert seit 2019 den Handel mit den wichtigsten Ländern des Globalen Südens und hat die Europäische Union (EU) und ein Jahr darauf auch die USA als wichtigsten Handelspartner abgelöst. Das ergab eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Russland hat seinen Anteil am Handel mit den untersuchten 25 Schwellen- und Entwicklungsländern wie Brasilien, Indien und Mexiko seit 2021 im Zuge der vom Westen verhängten Sanktionen erhöhen können, während Deutschlands Warenaustausch mit den strategisch bedeutsamen Ländern der Region stagniert. Das Institut rief Deutschland und Europa auf, die geopolitische Dimension des Handels stärker zu beachten, um so einen volkswirtschaftlichen Schaden zu verhindern.

Bis zu den Jahren 2017 und 2018 seien noch die EU und die USA die wichtigsten Handelspartner für die Länder des Globalen Südens gewesen, dicht gefolgt von China. Aber China hat der Untersuchung zufolge zwischen 2019 und 2023 seinen Handel mit dem Globalen Süden um 47 Prozent auf über 1,9 Billionen US-Dollar gesteigert.

Deutschlands Handel mit den untersuchten 25 Ländern verlief hingegen zwischen 2010 und 2020 nahezu unverändert, so die Studie. Im Gesamtvolumen stieg der deutsche Handel in den Jahren 2021 und 2022 um etwa 17 bzw. 12 Prozent, was aufgrund der deutlichen Steigerungen anderer Länder zu keiner Veränderung in den Anteilen mit den untersuchten Ländern geführt habe. "Überkapazitäten und Sanktionen verändern die globalen Warenströme, auch zum Nachteil Deutschlands", schreibt der Ökonom Simon Gerards Iglesias in der IW-Studie.

   Chinas wachsender Handel auch geopolitisch strategisches Projekt 

Die Ausweitung des Handels von China mit Ländern des Globalen Südens lässt sich laut IW nicht allein durch das chinesische Wirtschaftswachstum der vergangenen zwei Jahrzehnte und den wachsenden Anteil am Welthandel erklären. Vielmehr müsse die Ausweitung des chinesischen Handels auch als geopolitisch strategisches Projekt zur Erweiterung des chinesischen Einflusses verstanden werden.

Laut IW hat sich das ursprünglich als Instrument zur Förderung der Globalisierung gedachte Seidenstraßenprojekt unter dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zunehmend zu einer geopolitischen Waffe entwickelt. "Dabei wird politischer und militärischer Einfluss gestärkt, während China selbst gleichzeitig unabhängiger von globalen Wertschöpfungsketten wird", so die Studie.

China und auch Russland hätten sich während der Corona-Pandemie zudem mit der Lieferung von Masken oder Impfstoffen im den Globalen Süden gegen den Westen positioniert. Daher erscheint es laut IW "politisch hoch relevant" zu sein, wie sich die Handelsbeziehungen zu außereuropäischen Ländern gestalten und welche Bedeutung Deutschland und Europa als Handelspartner insbesondere in Abgrenzung zu geosystemischen Rivalen einnehmen.

"Für Deutschland und die EU bedeutet dies, zu bewerten, welche Verschiebungen der Handelsströme aus marktwirtschaftlichen Gründen akzeptabel sind und welche Handelsbeziehungen eine größere geopolitische Bedeutung haben. Die Vernachlässigung letzterer könnte langfristig erhebliche volkswirtschaftliche Kosten verursachen", heißt es in der IW Studie.

   Deutschland sollte gegensteuern 

Aktuell gehe die Außenwirtschaftspolitik in Deutschland jedoch in die falsche Richtung, um etwas an dem abnehmenden geopolitischen Gewicht im Globalen Süden zu ändern. Denn anders als in China bleibe es in Deutschland der Privatwirtschaft zwar überlassen, in welche Länder sie investiert und welche Handelspartner sie findet, so das IW.

Allerdings könne die Bundesregierung einen Rahmen setzen, der den selbstgesetzten Zielen des Derisking und der Resilienz von Lieferketten entspreche und gleichzeitig Deutschlands Einfluss im Globalen Süden wieder stärke, so die Studie. In dem Kontext kritisierte das IW, dass der versprochene, jedoch nicht gelieferte Rohstofffonds dem Karlsruher Urteil zur Schuldenbremse zum Opfer gefallen sei.

"Die aktuellen Haushaltsberatungen lassen wenig Hoffnung auf Besserung erwarten. Die wirtschaftliche Bedeutung von Entwicklungshilfe sollte nicht vernachlässigt werden", mahnte das Institut. Drängender denn je sei zudem der zeitnahe Abschluss von Handelsabkommen, wie etwa mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, so das IW.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

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