Kommentar
00:00 Uhr, 01.04.2008

Ist die Lage wirklich so katastrophal ?

Da ist es, das böse R-Wort. Bereits sehr deutlich manifestiert in Zahlen und Erwartungen. Aktuelle US-Daten sprechen eine recht klare Sprache. Das Verbrauchervertrauen sank um 12(!) Punkte auf 64,5. Die Erwartungen fürs kommende halbe Jahr gar auf nur noch knapp 48. Schlimmer war es nur während der Ölkrise in den 70er Jahren, als Sonntags die Straßen autofrei waren.

Weitere Hiobsbotschaften auch von der Immobilienfront. In 20 ausgewählten Großstädten sind die Häuserpreise in 2007 um 10,7% gefallen! So ein Verfall kommt nicht durch normale Verkaufsaktivitäten zustande. Hintergrund sind Zwangsvollstreckungen in größerem Ausmaß. Hier schließt sich der Kreis der Subprime-Problematik. Wer ohne Eigenkapital einen Hauskauf finanziert, hat in der Regel ganz einfach keine Substanz. Da reichen bereits ein paar Monate Arbeitslosigkeit, und schon stockt die Zins/Schuldentilgung. Und da die Nachfrage nach Häusern relativ mau war/ist, fallen die Preise. Das drückt nicht nur auf die Stimmung, sondern auch auf den realen Konsum. Und der ist mit ca. 70% der Hauptpfeiler der US-Wirtschaft.

Es kann gar kein Zweifel bestehen: Ohne das beherzte Eingreifen der Fed wäre die Lage sehr heikel. Tatsächlich hält sich aber die Problematik – jedenfalls im Moment – im überschaubaren Rahmen. Auch wenn man beim Lesen der Presse einen anderen Eindruck gewinnen kann. Es ist ja nicht so, dass Leute massenhaft entlassen werden und auf der Straße verhungern (wobei sich sicherlich bald einige Investmentbanker auf selbiger wiederfinden werden). Die Arbeitslosigkeit liegt immer noch im Bereich um 5% (auch wenn viele nun nörgeln werden, dass die Berechnungsmethode etwas beschönigend wirkt). Jeder Vergleich mit der Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre erscheint daher doch etwas arg dramatisierend.

Schwenk nach Deutschland: Erstaunliche Robustheit im Zentrum Europas. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist bereits zum dritten Mal in Folge gestiegen – zum dritten mal entgegen der Erwartung, dass auch hier Rezession gespielt wird. Nicht der starke Euro und auch nicht die medienbeherrschende Finanzkrise können derzeit die deutsche bzw. europäische Konjunkturlok deutlich abbremsen. Einzig der Konsum ist weiter schwach. Eine ganz klare Nettolohnproblematik. Da man aus Politikersicht wohl kaum mit überhöhten Tarifabschlüssen die Wirtschaft gefährden will, muss – gerade jetzt, damit sich der Binnenkonsum als Stütze erweist wenn der Export mal schwächelt – die Abgabenlast deutlich herunter. Nur wer soll das umsetzen? In einem Land, in dem man einen Hoffnungsträger und Visionär wie Paul Kirchhof verjagt hat.

Daniel Kühn - Chefredaktion TradersJournal und Forexreport

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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