Kommentar
14:20 Uhr, 11.06.2007

Ist die Hausse jetzt zu Ende?

Die vergangene Woche stand ganz im Zeichen der Korrektur an den Aktienmärkten. Ausgehend von einem Einbruch wegen wachsender Inflationssorgen an den US-Börsen rutschte der DAX in der Spitze mehr als sechs Prozent in den Keller. Die am Freitag in den USA eingeleitete Gegenbewegung ist zunächst als technische Reaktion zu verstehen. Das war zu erwarten und sollte nicht überbewertet werden.

Freie Auswahl...

Wie immer gibt es jetzt mehrere Möglichkeiten, wie es weiter gehen könnte:

Die angenehmste Variante: Analog zur Entwicklung im Februar könnte der Aufwärtstrend bald wieder aufgenommen werden und der DAX Richtung 9.000 Punkte durchstarten. Da ein solches Szenario ein gewaltiges Überraschungspotential beinhaltet - wer rechnet schon mit so etwas? - sollte man es keinesfalls außer Acht lassen.

Möglichkeit Nummer zwei wäre eine längere zermürbende Konsolidierungsphase. Dazu passen würde die jahreszeitliche Komponente. Der Zeitraum von Juni bis September, in dem viele Anleger ihren Urlaub verbringen, ist wie geschaffen für eine Pause an den Börsen.

Ausgewachsene Baisse...

Die unerfreulichste Möglichkeit wäre ein Ende der seit fast fünf Jahren laufenden Aktien-Hausse. Hier sollte man sich keine Illusionen machen: Dass von einem allgemeinen Kursrutsch ausgerechnet diejenigen Aktien verschont bleiben, die man gerade selbst im Depot hat, das ist zwar möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich.

In einer ausgewachsenen Baisse wird nicht lange gefackelt: In der Regel verlieren Aktien dann auf breiter Front und quer durch alle Sektoren und Branchen. Durchhalteparolen, die in solchen Phasen auch von hoch bezahlten Finanzexperten gerne herumgereicht werden, sind dann völlig fehl am Platz.

Bonds brechen ein...

Von der Zinsseite kommen ernst zu nehmende Warnsignale, die es sinnvoll erscheinen lassen, jetzt vorsichtiger zu agieren: US-Bonds verzeichneten in der vergangenen Woche starke Kursverluste: Die Rendite 30-jähriger US-Staatspapiere notiert seit Kurzem wieder oberhalb von fünf Prozent. Steigende Zinsen sind jedoch traditionell kein gutes Umfeld für Aktienengagements, ganz besonders dann, wenn die Kurse zuvor sehr stark gestiegen sind.

Im Euroraum sieht es ähnlich aus: Die europäische Zentralbank erhöhte den Leitzins um 25 Basispunkte von 3,75 Prozent auf 4,0 Prozent. Außerdem prognostizierten die Währungshüter für 2007 eine Zunahme der Inflation auf 1,8 bis 2,2 Prozent.

Verkaufssignal!

Für zusätzliche Aufregung sorgte eine Analyse von Morgan Stanley. Die Investmentbank veröffentliche ein „Full House Sell Signal“. Ein auf der Analyse verschiedener Wirtschaftsdaten basierendes Modell, das während der vergangenen 28 Jahre stets rechtzeitig vor einem Einbruch gewarnt hatte, hat Anfang Juni für die europäischen Aktienmärkte ein Verkaufssignal geliefert.

Zinserhöhungen, die ein für Aktien kritisches Niveau erreichen, steigende Bondrenditen und eine unattraktive Risikoprämie bei Aktien sind für die Analysten die drei wichtigsten Parameter, für die Aktienmärkte die rote Flagge zu hissen. Es ist erst das sechste Verkaufssignal in 28 Jahren und wird von den Anlegern besonders beachtet, weil die Börsen in der Vergangenheit anschließend stets in Straucheln kamen: Kursverluste von mindestens 15 Prozent waren die Folge.

Das Dumme ist nur, dass den Indikator von den Profis inzwischen jeder kennt und die Börsen pflegen ja mit Vorliebe genau dann abzutauchen, wenn niemand damit rechnet. Der jüngste Einbruch hatte womöglich sogar damit zu tun: Die Analyse von Morgan Stanley wurde nämlich „zufälligerweise“ am Mittwoch, 6. Juni veröffentlicht, jenem Tag, als der DAX 2,4 Prozent in die Tiefe rauschte und den größten Tagesverlust seit Ende Februar markierte...

„Hexensabbat“

In dieser Woche stehen zahlreiche Wirtschaftsdaten auf der Agenda, die Auskunft über die weitere Richtung geben werden.

Am Dienstag etwa stehen die Zahlen zur Industrieproduktion in der EU im Mittelpunkt. In den USA wird die Auktion zehnjähriger Staatsanleihen und der Bericht zum Staatshaushalt im Mai zu beachten sein.

Am Mittwoch um 20 Uhr europäischer Zeit geben die zwölf regionalen Zentralbanken der USA im „beige book“ Auskunft über die Wirtschaftsaktivitäten in ihrer Region. Die US-Notenbank wird hier besonders genau hinsehen, denn die Daten geben Aufschluss darüber, ob die Zinsen weiter angehoben werden müssen.

EU-Inflationszahlen für den Monat Mai werden am Donnerstag um 11 Uhr bekannt gegeben. Dann wird sich zeigen, ob die jüngste Einschätzung der Europäischen Zentralbank richtig ist, die von steigenden Inflationsgefahren ausgeht.

Besonders Spannend wird es am Freitag: Der „Große Verfallstag“, auch als „dreifacher Hexensabbat“ bekannt, sorgt schon im Vorfeld immer wieder für starke Kursschwankungen. Auch Wendepunkte sind dann häufig zu beobachten. Dazu kommen die Zahlen der Uni Michigan zur Stimmung unter den Verbrauchern. Die US-Verbraucherpreise für den Monat Mai werden weitere Auskunft über möglicherweise anstehende Zinserhöhungen geben.

Eine spannende Woche also, die für manche Überraschung sorgen und, vor allem, die Auskunft über den Zinstrend geben könnte.

Fazit:

Angesichts wachsender Unsicherheiten und sich abzeichnender Trendwendesignale bei den Zinsen erscheint es uns sinnvoll, die Strategie beizubehalten, die von der Redaktion des Antizyklischen Börsenbriefs seit einigen Wochen vertreten wird: Sichern Sie Ihre Gewinne jetzt mit Stopp-Marken ab, ziehen Sie Ihre Stopps konsequent nach, bauen Sie Cash-Bestände auf und gehen Sie bei Neuengagements sehr selektiv vor.

Eine erfolgreiche Woche wünscht Ihnen

Andreas Hoose - Chefredakteur www.antizyklischer-boersenbrief.de

Der Antizyklische Börsenbrief ist eine Publikation von BörseGo / Godmode-Trader.de und kann unter der obigen Internetadresse bestellt werden.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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