Kommentar
07:00 Uhr, 14.07.2009

Ist das noch seriös?

Sehr geehrte Privatanleger, auf der Seite „Finanzmarkt“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung findet sich am siebten Juli 2009 als Aufmacher der Artikel „Aktienanleihen finden reißenden Absatz“. Diese Aufmachung macht Lust auf mehr.

Im Untertitel heißt es dann relativierend: „Die deutsche Freude an Kupons hilft Aktienanleihen aus ihrer Nische. Dabei kauft der Anleger weder eine Anleihe noch eine Aktie sondern ein Zertifikat mit vollem Aktienkursrisiko.“ Hierauf kommt es an! Ich wiederhole. „Sie kaufen ein Zertifikat… mit vollem Aktienkursrisiko.“ Läuft es gut, ist Ihre Rendite nach oben begrenzt. Läuft es schlecht, bekommen Sie unterhalb einer gewissen Schwelle die Aktie angedient. Eigentlich kaufen Sie also so etwas wie ein Discountzertifikat.

Den Begriff „Aktienanleihe“ gibt es schon länger. Früher kannte man nur Wandelanleihen. Sie kaufen eine Anleihe und erhalten als Anleger die Option, die Anleihe in eine Aktie umzutauschen. Das war oft sehr interessant. Bei Aktienanleihen hat der Finanzdienstleister das Recht, Ihnen die Aktie anzudienen. Das ist nicht besonders interessant – außer für den Anbieter.

Eine ähnliche Umbenennung und Begriffsverwirrung gab es übrigens bei „Leveraged Buyout Fonds“ – Fonds, die mit dem Geld weniger Investoren Unternehmen kauften, diese dann mit viel Fremdkapital beluden, und ihr eigenes Kapital wieder abzogen. Weil das nicht so gut klingt, heißen solche Fonds heute „Private Equity“. „Private“ bezieht sich in den angelsächsischen Kapitalmärkten auf Investments, die von wenigen reichen Personen und/oder institutionellen Investoren gehalten werden („private offering“). „Public“ sind breit gestreute Investmentvehikel. Insofern ist „Private Equity“ heute meistens nicht mehr „private“, da es breit gestreut ist. Und mit „Equity“ – Eigenkapital – hat es auch wenig zu tun, da die übernommen Unternehmen nachher stärker verschuldet sind als vorher. Ich nenne diese Investmentklasse also auch konsequent „Public Leverage“.

Man fragt sich, warum die FAZ einen Artikel bringt, der in der Überschrift suggeriert, Aktienanleihen seien etwas besonders Interessantes. Man fragt sich auch, warum die FAZ oftmals Zertifikate-Spezials oder entsprechende Sonderseiten veröffentlicht.

Nun, die Finanzbrache stellt mächtige Anzeigenkunden. Da kann man schon einmal sagen, dass man sich diesen oder jenen thematischen Schwerpunkt wünscht. Die Redaktionen der Zeitungen stehen massiv unter Druck. Da kann man sich schon einmal überlegen, ob man nicht den Kunden entgegenkommt.

Einmal musste ich das sogar schon selbst spüren. Im Jahr 2004 kündigte dpa-afx kurzerhand den Vertrag mit mir, als sich zwei große Banken über eine allzu kritische Kolumne meinerseits beschwerten. Das war bitter, denn diese Kolumnen wurden viel gelesen und ich hatte vorher mit dpa-afx ausdrücklich ein Verfahren für die Freigabe der Texte besprochen. Die kritische Kolumne war freigegeben worden. Einen Tag später knickte man ein.

Der aufrichtige Weg ist eben nicht immer der einfachste. Wir sind entschlossen, ihn für Sie zu gehen.

Auf gute Investments,
Ihr Prof. Dr. Max Otte

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