Analyse
11:20 Uhr, 04.06.2020

Ist das die neue DEXCOM?

Nach dem Volltreffer mit Dexcom habe ich noch einmal einige Stunden im Healthcarebereich recherchiert. Das ist das Ergebnis.

Erwähnte Instrumente

  • Ypsomed Holding AG
    ISIN: CH0019396990Kopiert
    Kursstand: 135,200 Fr (SIX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
    VerkaufenKaufen
  • Ypsomed Holding AG - WKN: A0B8VP - ISIN: CH0019396990 - Kurs: 135,200 Fr (SIX)

Um respektable 260 % stieg die Aktie des "Diabetes-Plays" Dexcom nach der Erstvorstellung im August 2018 auf dem GodmodeTrader. Es ist nicht leicht, Aktien mit derartigem Potenzial zu finden. Einige User haben mich aber gebeten, mich im Healthcare-Sektor noch einmal umzusehen. Und ich bin tatsächlich fündig geworden. Wenngleich der Weg bei diesem Unternehmen steinig werden dürfte und man wohl viel Geduld mitbringen muss, das Potenzial für eine deutliche Kursrally ist gegeben.

Das Interessante bei Ypsomed aus der Schweiz ist, dass es durchaus eine Verbindung zu Dexcom gibt. Dexcom liefert die Monitoring-Systeme für Diabetiker, Ypsomed die passenden Insulinpumpen. Erst Anfang Mai gaben beide Unternehmen eine Kooperation bekannt. Zusammen möchte man ein sogenanntes "Hybrid Closed Loop System" entwickeln. Für all diejenigen, die sich in der Branche nicht so auskennen: Ein solches System kann gut und gerne als "The next big thing" im Diabetes-Bereich bezeichnet werden. Denn bislang müssen Diabetiker die Insulinzufuhr immer noch manuell steuern. Die Zukunft wird dagegen so aussehen, dass Monitoringsysteme, wie beispielsweise der G6 von Dexcom, die den Blutzuckerspiegel stets im Blick haben, den Insulinbedarf an die angeschlossene Pumpe weitergeben und diese anschließend automatisiert das Insulin verabreichen wird. Gelingt dies, wäre es die nächste Evolutionsstufe in diesem Bereich und sicherlich der Traum vieler Diabetiker.

Um Missverständnissen sofort vorzubeugen: Ypsomed ist ein kleiner Player. Der Markt bei Insulinpumpen ist stark zersplittert, doch den Ton geben große Konzerne wie Medtronic oder Tandem Diabetes Care an. Interessant: Der Ypsomed-Hauptaktionär Willy Michel hält drei Viertel der Aktien. Im Jahr 2003 verkaufte Michel bereits das Infusionsgeschäft der damaligen Disetronic für 1,6 Mrd. Schweizer Franken an den Pharmariesen Roche, behielt aber das Injektionsgeschäft, wodurch Ypsomed entstand. Michel verfügt über eine jahrzehntlange Expertise im Diabetes-Bereich. Sein Sohn Simon Michel leitet das Unternehmen.

Fokussierung auf eigene Produkte

In den Jahren 2010 bis 2018 vertrieb Ypsomed den mylife OmniPod des Konkurrenten Insulet, eine weitere Insulinpumpe, ist erst seit dem Jahr 2016 mit der eigenen Insulinpumpe YpsoPump am Start. Die logische Konsequenz war, dass sich die Wege von Insulet und Ypsomed trennten. Über die zunächst negativen Auswirkungen nach diesem Schritt auf das Zahlenwerk werde ich aber weiter unten eingehen. Die Kernfrage lautet: Was macht die Ypsomed-Pumpe gut, wo liegen die Vorteile gegenüber der Konkurrenz? Zunächst einmal ist sie mit die kleinste Anwendung im Segment. Dass Patienten ihre Insulinpumpe nicht gerne in der Öffentlichkeit "präsentieren", dürfte klar sein, hier liegt also ein großer Pluspunkt. YpsoPump eignet sich damit auch sehr gut für Kinder. Äußere Aspekte sind immer Geschmackssache, YpsoPump dürfte aber zu den stylishten Geräten zählen, die derzeit erhältlich sind. Anwender loben auch die Schnelligkeit der Pumpe, andere Systeme reagieren deutlich träger.

Das Management von Ypsomed rollt das Produkt aktuell nach und nach aus. In 20 Ländern ist YpsoPump bereits erhältlich. Im Gesamtjahr 2019/20 nutzen rund 14.500 Anwender das Pumpsystem, hier ist also noch deutlich Luft nach oben. In Kanada gab es Verzögerungen bei der Markteinführung, die Probleme, beispielsweise bei der Kostenübernahme, sollten im Jahresverlauf aber ausgeräumt sein. In den USA ist Ypsomed mit YpsoPump derzeit noch gar nicht präsent. Man möchte dort auch nur mit einem starken Vertriebspartner an den Start gehen. Vergegenwärtigt man sich, dass 50 % der Diabetes-Typ-1-Patienten in Nordamerika wohnen, sieht man das Potenzial, welches sich nach dem dortigen Markteintritt für Ypsomed ergeben kann. Selbst will sich Ypsomed aber auf den Vertrieb in Europa, Australien, Kanada und Indien konzentrieren.

Stark wachsendes Injektionsgeschäft

Das zweite wichtige operative Standbein von Ypsomed ist derzeit auch der Hauptwachstumstreiber. Es handelt sich um das Injektionsgeschäft. Alleine im vergangenen Jahr wuchs diese Sparte um 36 %. Hier fährt Ypsomed eine Plattformstrategie, kann also zahlreiche Partnerschaften mit Pharmafirmen eingehen, die ihre Medikamene mit den Autoinjektoren Pens oder Patches von Ypsomed verabreichen lassen wollen. Zwei Haupttrends spielen dabei Ypsomed in die Karten: Die dadurch ermöglichte Selbstmedikation der Patienten erhöht die Lebensqualität, neue komplexe Wirkstoffe müssen zudem verstärkt injiziert werden. Alleine im Geschäftsjahr 2019/20 wurden 14 neue Pens und Autoinjektoren von Ypsomed in den verschiedensten Indikationen am Markt eingeführt.

Boden im Zahlenwerk dürfte erreicht sein

Kommen wir nun zu den blanken Zahlen, die mit Blick auf das vergangenen Jahr enttäuschend ausfielen. Die Aktionäre mussten eine deutliche Prognosesenkung hinnehmen. Statt eines EBITs von ursprünglich 20 Mio. CHF wurden es nur neun Mio. CHF. Der Umsatz sank von 453,8 Mio. CHF auf 393,9 Mio. CHF, was vorrangig mit dem Wegfall des Großkunden Insulet begründet werden kann. Auf der Ergebnisseite belasteten Verzögerungen im Insulinpumpengeschäft, die das Management mit rund 6 Mio. CHF bezifferte. Der Markteintritt der YpsoPump in den USA dürfte erst 2021 gelingen. Interessant: Die Verantwortlichen halten weiterhin am mittelfristigen Ziel eines EBITs von 100 Mio. CHF fest, was einer Verzehnfachung vom derzeitig niedrigen Level gleichkäme.

Analysten gehen davon aus, dass der Boden im Zahlenwerk erreicht sein dürfte. Im laufenden Geschäftsjahr 2020/21 sollten Umsatz und Gewinn wieder deutlich anziehen. Die niedrige Basis aus dem Geschäftsjahr 2019/20 ermöglicht nun hohe prozentuale Gewinnwachstumsraten. Die KGVs relativieren sich dadurch, die KUVs liegen zwischen 3 und 4. Sollte das Mittelfristziel eines EBITs von 100 Mio. CHF erreicht werden, liegt das Multiple gemessen an der aktuellen Marktkapitalisierung in etwa bei 17. Vor 2023 wird das Experten zufolge aber nicht gelingen.

Jahr 2019 2020e* 2021e*
Umsatz in Mrd. USD 393,95 434,70 505,02
Ergebnis je Aktie in USD 0,75 1,99 3,89
Gewinnwachstum 165,33 % 95,48 %
KGV 180 68 35
KUV 4,3 3,9 3,4
PEG 0,4 0,4
*e = erwartet

Aus charttechnischer Sicht ist mit Blick auf den Langfristchart zunächst keine Eile geboten. Um 219 CHF war in den letzten Jahren stets der Deckel drauf. Auf der Unterseite ist der Wert um 100 CHF gut unterstützt. Erst ein Ausbruch über das Jahreshoch bei 160 CHF dürfte ein formales Ende der seit 2017 laufenden Korrektur anzeigen.

Ist-das-die-neue-DEXCOM-Chartanalyse-Bastian-Galuschka-GodmodeTrader.de-1

Im Tageschart oszilliert der Wert derzeit im Bereich der nach oben eindrehenden EMAs 50 und 200. Um 141,40 CHF ist der Deckel drauf. Darüber lassen sich Etappenziele auf dem Weg nach oben bei 150,20 und 160,10 CHF nennen. Erst wenn der letztere Marke bricht, kann man auch von einem neuen mittelfristigen Aufwärtstrend sprechen. Auf der Unterseite bieten neben den beiden EMAs die Tiefs um 126,00 CHF Unterstützung.

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Fazit: Ypsomed ist ein reinrassiger Turnaround-Play. Gehen die Visionen des Managements auf, dürfte die Aktie ihre Tiefs gesehen haben. Neben der Positionierung im Wachstumsmarkt Diabetes spricht vor allen Dingen auch das zweite Geschäftsfeld der Injektionslösungen für die Aktie. Aus charttechnischer Sicht ist allerdings noch keine Eile geboten. Somit könnte man strategisch einen ersten Fuß in die Türe stellen und im Falle steigender Kurse das Investment ausbauen. Zwischen 100 und 160 CHF könnte es aber zunächst zäh bleiben.

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Über den Experten

Bastian Galuschka
Bastian Galuschka
Chefredakteur

Bastian Galuschka ist seit über 20 Jahren an der Börse aktiv. Er entdeckte bereits zu Schulzeiten seine Leidenschaft für die Börse. Über fünf Jahre lang war der Diplom-Volkswirt als Redakteur bei einem bekannten Anlegermagazin tätig und verantwortete dort den Bereich Charttechnik. Seit März 2013 verstärkt er die Redaktion der stock3 AG. Bastian Galuschka kombiniert bei seinen Analysen gerne Fundamentaldaten mit charttechnischen Aspekten. Gerade im Smallcapbereich hat sich der Analyst über viele Jahre ein fundiertes Wissen aufgebaut. Seit Juni 2023 ist Galuschka Chefredakteur von stock3.

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