Kommentar
18:13 Uhr, 08.06.2006

IPO Light liegt im Trend

der Börsengang via reiner Notizaufnahme (»IPO light«; von der VEM Aktienbank AG kultiviert) wird immer beliebter. Bei dieser relativ neuen Spielart gibt es im Freiverkehr (neudeutsch: Open Market) die Möglichkeit, auf einen Wertpapierprospekt zu verzichten, wenn kein öffentliches Angebot erfolgt. Die BaFin als ausführende und kontrollierende Behörde hat einen recht rigiden Begriff eines öffentlichen Angebots – schon eine Investor-Relations-Seite auf der Homepage kann für den Emittenten juristische Konsequenzen haben. Die einen halten sich daran, die anderen nicht. Erst wenn mal jemand klagt wird man sehen, wessen Auslegung korrekt war.
Obwohl dies alles eigentlich unter dem Argumentations-Mantel des Anlegerschutzes geschieht, ist genau das Gegenteil das Resultat. Kein Prospekt ist nämlich defacto gleichbedeutend mit Null Informationen über das neu gelistete Unternehmen, weil dieses keine Finanz-Daten verbreiten kann, ohne in latente Gefahr zu geraten. Außer natürlich man ist Insider, dann hat man alle Infos! Nun meint die BaFin wohl, der gemeine Kleinanleger soll sich doch einfach raushalten aus solchen Werten. Aber welcher Trader kann bei Neuemissionen schon widerstehen?
Das kann eigentlich so nicht weiter gehen. Möglich ist, dass es bald eine Prospektpflicht für alle geben wird. Die Frage ist nur, ob es denn ein 500-Seiten-Schinken sein muss der einen auf Seite 312 warnt, dass man beim Überqueren einer Straße während der Orderaufgabe überfahren werden könnte. Die wichtigsten Informationen, gepackt in vielleicht 20 Seiten, würden doch den Ansprüchen von 99% aller Anleger genügen. Und als weiteren Service würde ich mir wünschen, dass alle deutschen Börsen gemeinsam eine IPO-Homepage einrichten, auf der zentral alle Börsengänge samt Informations-Sheet vor der Listingaufnahme verzeichnet werden. In dieses Papier könnte man z.B. reinpacken, zu welchem Niveau die letzte Kapitalerhöhung lief oder, falls dem Unternehmen bekannt, die letzte Umplatzierung.
Bei der Gelegenheit wäre auch die Meldepflicht (Über/Unterschreiten von Stimmrechtsanteilen) der §21ff WPHG auf Freiverkehrswerte zu erweitern. Bisher wurde der Freiverkehr nur umbenannt in Open Market – Wild West ist er aber in Teilen nach wie vor.

Mit den besten Grüßen

Ihr Engelbert Hörmannsdorfer, Chefredakteur BetaFaktor.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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