Investieren in Orangensaft
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Hurrikans – eine neue Plage
Aus den USA kommen immerhin 42% aller Orangen. Einige Jahrzehnte war man von Hurrikans verschont geblieben und hatte nur unter gelegentlichen Winterfrösten gelitten. Wegen der Gebirgsketten, die vertikal zur amerikanischen Landmasse verlaufen, kann es immer wieder, trotz tropischer Temperaturen in Florida, zu plötzliche Frosteinbrüchen kommen. Man hatte deshalb die Plantagen mehr und mehr in die südlichen Gebiete Floridas verlegt, ohne an Hurrikans zu denken. Die richten jetzt aber gerade dort „wütende“ Vernichtungen an. Sichere Ernteprognosen sind kaum noch möglich. Schon im letzten Jahr wurden große Teile der Ernte durch die drei Hurrikans Charley, Frances und Jeanne vorzeitig von den Bäumen gerissen. Die Ernteinbußen wurden mit 27% beziffert. In diesem Jahr wird es durch Hurrikan Wilma voraussichtlich zu Einbußen von 15% kommen. Als dramatisch sollte das bisher aber noch nicht angesehen werden. Denn wenn Sie sich den nebenstehenden Langfristchart anschauen, so werden Sie feststellen, dass wir noch weit von den historischen Höchstpreisen entfernt sind. Das liegt wohl hauptsächlich an Brasilien, die ihre Orangenproduktion in den 80er Jahren bis heute mehr als verdoppelte. Doch die eigentliche Gefahr der Hurrikans ist dabei bisher noch gar nicht berücksichtigt. Denn starke Winde führen zu einer flugartigen Verbreitung einer Epidemie für die Orangenplantagen, den Zitrusbrand, der längerfristig zum Totalausfall der Ernten in Florida führen könnte. Keine guten Aussichten für amerikanischen Orangensaft, aber gute Aussichten für den langfristigen Anleger! Vielleicht werden dann doch irgendwann wieder historische Höchstpreise erreicht. Immerhin ist Orangensaft jetzt schon der Performer Nr. 1 des Jahres 2005.
Das Angebot
Wie bei vielen Soft Commodities sind es wieder einmal die USA und Brasilien, die den Weltmarkt beherrschen. Beide Länder zusammen stehen immerhin für nahezu 90% des Weltangebots. Dabei handelt es sich um räumlich sehr begrenzte Regionen: Florida in den USA und die nähere Umgebung von Sao Paulo in Brasilien. Das muss man sich erst einmal bildlich vorstellen: Kein anderer Rohstoff, nicht einmal Erdöl, wird auf vergleichbaren „Miniflächen“ erwirtschaftet. Deshalb ist auch die Angst vor Epidemien in den Orangenpflanzungen verständlich. Sollte sich in einer der beiden Regionen Zitrusbrand ausbreiten, wäre es um ungefähr die Hälfte des Weltangebots geschehen. Dagegen gäbe es dann auch kein Mittel. Denn neu gepflanzte Orangenbäume brauchen vier Jahre, bis sie die ersten Früchte tragen, und acht, um die volle Ertragskraft zu erreichen. Zusätzlich gibt es auch einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Anbaugebieten. Die US Produktion wird nahezu vollständig im eigenen Land, also in den USA, verbraucht, während Brasilien 85% der Ernte in Form von Orangen oder Saft exportiert. Was das nun wieder bedeutet, kann sich jeder vorstellen. Sollten die Plantagen in Florida durch Zitrusbrand vernichtet werden, dann würde sich die Nachfrage nach brasilianischer Ware schlagartig verdoppeln. Denn kaum ein Amerikaner käme auf die „abstruse“ Idee, auf seine frischgepresste Orange oder den täglichen Orangensaft zu verzichten. Und die Zukunftsaussichten sind ja nicht gerade rosig. Niemand glaubt mehr, dass die Hurrikans in den nächsten Jahren ausbleiben werden. Zwar gibt es in den USA nach wie vor ausreichende Lagerbestände an Orangensaft. Wegen der zwei letzten, miserablen Ernten müssen diese aber aus brasilianischem Angebot aufgefüllt werden, so dass dort, also in Brasilien, die Bestände auf das niedrigste Niveau seit Beginn der 90er Jahre gesunken sind. Im kommenden Jahr wird sich die Situation wohl noch einmal beruhigen. Denn in Brasilien wird eine exzellente Ernte erwartet, so dass mit einer Zunahme des Weltangebots von mindestens 2,8% gerechnet wird. Für die Brasilianer haben aber die Europäer als Hauptabnehmer Priorität. Vor allem zu Deutschland sind die Beziehungen hervorragend, denn es waren ja deutschstämmige Farmer, die dort für den Auf- und Ausbau der Orangenplantagen gesorgt haben. Bevor diese brasilianischen „Deutschen“ zu Beginn der 60er Jahre den Anfang wagten, beherrschte Florida fast zu 100% den Weltmarkt. Vier Unternehmen, davon zwei brasilianische und zwei US amerikanische, kontrollieren heute 75% des Weltmarktes: Cargill und Louis Dreyfuss (USA), Citrosuco und Cutrale (Brasilien). Kleinere US Unternehmen waren in den vergangenen Jahren kaum noch rentabel und wurden deshalb zügig von den vier großen aufgekauft. Vor allem waren die beiden Brasilianer sehr aktiv in Florida, um sich ein Standbein in den USA aufzubauen. Alle vier Unternehmen sind privat geführt und deshalb für Anleger nicht zugänglich.
Die Nachfrage
Was nun die Nachfrage anbetrifft, so haben wir ja schon einiges in unserem Kapital „Angebot“ gesagt, weil sich Angebot und Nachfrage in der gegebenen oligopolistischen Situation nur schwer von einander trennen lassen. Die Amerikaner kommen für über 40% der Weltnachfrage auf, die sich gerade noch in Florida produzieren lässt. Die amerikanische Nachfrage ist dabei völlig unelastisch. Das heißt, Kostensteigerungen können an die Abnehmer weitergereicht werden, ohne dass die Mengen abnehmen. Allerdings wächst der Verbrauch eben auch nicht mehr, weil der Markt schon seit Jahren gesättigt ist. Was neu ist, sind die boomenden Nachfragesteigerungen aus Osteuropa und China. So wächst die Nachfrage in Westeuropa nur noch mit 1,5%, während sie in Osteuropa immerhin um 5 bis 6% zunimmt. Natürlich spielt dabei in den westeuropäschen Ländern die Tatsache eine Rolle, das Fruchtsäfte im allgemeinen, vor allem wegen ihres hohen Zuckergehalts, als sogenannte „Fettmacher“ gelten, worüber die Osteuropäer sich zur Zeit noch wenig Sorgen machen. Wir besprechen ja heute bewusst die Gesellschaft Senomyx, die Geschmacksstoffe ohne Kohlehydrate entwickelt, die genauso gut schmecken wie Ihr Original, aber eben nicht fett machen. Eine deutlich geringere Rolle für die Weltnachfrage spielt China, obwohl es ja bekanntlich das Ursprungsland der Orangen ist. Hier wurde der Wunsch nach Orangen und Orangensaft gerade erst geweckt. Die Entwicklung der Nachfrage scheint aber durchaus dynamisch zu sein. Auch in diesem Rohstoff geben die Chinesen wie üblich dem Lieferanten Brasilien, dessen Exporte nach China im vergangenen Jahr auf das Siebenfache des Vorjahres gestiegen sind, den Vorzug gegenüber den USA. Trotz des geringen Nachfragewachstums der Industrienationen steigt die Weltnachfrage um 3,3% und liegt damit eindeutig über dem weltweiten Wachstum des Angebots. Das deutet auf hervorragende langfristige Aussichten für Orangensaft hin.
Zusammenfassung
Orangensaft kann in der Zukunft durchaus knapp werden. Man stelle sich nur die dramatische Situation eines Totalausfalls in Florida durch Zitrusbrand oder mehrere heftige Hurrikans vor. Die unelastische amerikanische Nachfrage würde dann voll den Brasilianischen Farmern zugute kommen, und darüber wären sie sicherlich nicht unglücklich. Brasilien entwickelt sich ja ohnehin schon zum Weltrohstofflieferant Nr. 1 in den meisten Rohstoffen, übrigens sehr zum Leidwesen der Amerikaner. Orangensaft ist jetzt schon so knapp, dass mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen ist. Wer nun an eine Anlage in Orangensaft denkt, sollte allerdings langfristig orientiert sein, weil der Markt sehr volatil bleiben wird. Er sollte sich auch in den immer wiederkehrenden Schwächephasen des Marktes eindecken, um bei längerfristigem Warten nicht nervös zu werden. Alles kommt hier auf den günstigen Einstieg und auf viel Geduld an.
Produkte
Die ABN Amro ist derzeit der einzige Emittent, der ein Direktinvestment in die Orangensaft-Futures der New Yorker Warenterminbörse NYBOT über ein Zertifikat ermöglicht. Die Niederländer bieten wie gewohnt eine Version des Zertifikats mit und eine Version ohne Währungsabsicherung an. Das Zertifikat ohne diesen Quanto- Mechanismus trägt die ISIN „NL0000 308484“ und kann wie die Quanto- Version (ISIN NL0000417137) in Stuttgart oder Frankfurt geordert werden. Beide Zertifikate bilden den Orangensaftpreis im Verhältnis Eins zu Eins nach. Dabei ist zu beachten, dass ohne Quanto-Absicherung die Schwankungen zwischen Euro (Währung des Zertifikats) und US Dollar (Quotierung der Futures von Orangensaft) zu beachten sind. Man schaltet also Währungsrisiken mit einem Quanto-Zertifikat aus, verliert aber gleichzeitig Währungschancen. Diese ergeben sich immer dann, wenn der Dollar zum Euro steigt. Gleichzeitig fallen für die ABN Amro auch Gebühren für die Absicherung an, die täglich mit dem angebotenen Kurs des Zertifikats verrechnet werden. Ein Blick auf die Performance der letzten sechs Monate der beiden Zertifikat macht den Unterschied deutlich: Obwohl der Euro zum Dollar auf Sechsmonatsfrist nur um 1,9% fiel, stieg das Zertifikat mit Währungsabsicherung in diesem Zeitraum um 21,78%, ohne Absicherung um 25,81% – ein Performanceunterschied abzüglich Währungseffekten von 2,13%. Erwarten Sie über Ihren Anlagehorizont hinweg eine deutliche Aufwertung des Euro zum Dollar, so sollten Sie durchaus ein Quanto-Zertifikat kaufen, auch wenn dadurch, wie oben aufgezeigt, zusätzliche Gebühren anfallen. Gehen Sie hingegen ohnehin von einer weiteren Aufwertung des Dollar aus, so sollten Sie sich für das Nicht-Quanto-Zertifikat entscheiden.
Jochen Stanzl - BörseGo GmbH
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