Kommentar
21:58 Uhr, 06.10.2005

Investieren in Kakao

Politische Unsicherheit in der Elfenbeinküste

Die Kakaopreise waren 2001 auf einen historischen Tiefstkurs gefallen. Oligopolistische Nachfragestrukturen standen ländlichen Anbietern in unterentwickelten Ländern gegenüber, die, um überhaupt zu überleben, ihre Kakaoprodukte gleich nach der Ernte auf den Markt werfen mussten. Die mächtigen Einzelabnehmer konnten diese Situation schamlos ausnutzen. Sie deckten sich immer dann ein, wenn die Preise besonders unter Druck gerieten. Kakaobohne, Kakaopulver und Kakaobutter lassen sich eben exzellent lagern. Die Bevorratung der großen Abnehmer liegt häufig bei mehr als 1 ½ Jahren. Außerdem hatte sich ein Angebotsüberhang herausgebildet. Plötzlich kam dann aber doch Bewegung in den Markt, als der Krieg in der Elfenbeinküste ausbrach. Der Preis schnellte in kürzester Zeit um das 3,5fache in die Höhe und liegt heute immer noch bei nahezu dem Doppelten von 2001. Seitdem steigen die Kakaopreise mal stark an, fallen dann aber auch wieder auf das gleiche Niveau zurück. Immer wird diese Volatilität mit den politischen Unruhen in der Elfenbeinküste begründet, dem größten Kakaoproduzenten der Welt (39% der Weltproduktion). Dort bekriegen sich rebellische Aufständische der Opposition im Norden und die Partei des regierenden Präsidenten Ggagbo im Süden. Der Norden ist stark unterwandert von Nachbarvölkern und vorwiegend muslimisch, während der Süden für sich geltend macht, nur aus Einheimischen zu bestehen, die traditionsgemäß Christen sind. Ständig muss die UN für Sicherheit sorgen, nachdem die Franzosen total versagt hatten. Häufig werden die Transportwege der Kakaobauern zu den Häfen des Landes von Rebellen besetzt. Das ruft Spekulanten auf den Plan. Sie treiben die Preise in die Höhe, dann aber genauso wieder in die Tiefe. Nachdem die Bürgerkriegsparteien im Januar 2003 einen Friedensvertrag unterzeichnet hatten, haben sich die kriegerischen Handlungen zwar etwas beruhigt, sie können aber jeder Zeit wieder ausbrechen. Immerhin gab der Kakaopreis seitdem deutlich um über 60% nach. Die Rebellen wollen ihre Waffen jedoch nicht niederlegen, weil sie von Präsident Ggagbo von der Regierung ausgeschlossen werden. Die für den 30. Oktober 2005 avisierten Präsidentschaftswahlen stehen auf der Kippe. Bei den letzten Wahlen wurde der wichtigste zivile Oppositionsführer der Elfenbeinküste, Alassane Ouattara, nur deshalb nicht zugelassen, weil die reine Abstammung aus der Elfenbeinküste nicht nachweisen konnte. Eine Änderung der Verfassung zur politischen Öffnung der Wahlen wird von Präsident Ggagbo vehement abgelehnt. Die Fronten sind verhärtet. Daher versucht die südafrikanische Regierung immer wieder zu vermitteln. Bisher scheiterte sie jedoch am Widerstand Ggagbos.

Die Nachfrage

Ganz unabhängig von den Unruhen in der Elfenbeinküste ist zumindest der Verbrauch von Kakao in den letzten Jahren weiter gestiegen. Der Bedarf der großen Abnehmerländer wächst zwar nicht mehr wie früher. Trotzdem nimmt die weltweite Nachfrage immer noch mit 2% p.a. zu. Nach wie vor sind Hauptabnehmer und -verarbeiter der Kakaobohne die USA und die Niederlande. Auch Deutschland und Großbritannien stehen auf dieser Liste. Das Wachstum stammt aber hauptsächlich aus dem weniger entwickelten Osteuropa, aus Indien und Brasilien. Gerade in diesen Ländern ist die Nachfrage nach Kakao besonders preiselastisch. Die Nachfrage wird dort also nur weiter zulegen, wenn die Preise nicht deutlich ansteigen und die Einkommen weiter wachsen. In den westlichen Industrieländern spielt der Preis dagegen eine geringere Rolle. Hier ist es nahezu zu einer Stagnation der Nachfrage gekommen. Der Markt ist geprägt von intensivem Wettbewerb zwischen den Schokoladenherstellern. Sie setzen zunehmend auf Premiumprodukte, da wohlhabende Konsumenten diese den Massenprodukten vorziehen. In Supermärkten wird die billigere Milchschokolade ohnehin schon als „loss leader“, also mit Verlust, verkauft, um Kunden in die Läden zu locken und zum Kauf profitablerer Produkte zu animieren. Trotzdem ist Europa, gefolgt von den USA, beim Pro-Kopf-Verbrauch von Schokolade mit 8 Kilogramm pro Jahr weltweit der größte Konsument. Hoffnungen auf einen Wachstumsschub stützen sich auf China. Tatsächlich steigt dort die Nachfrage auch, aber doch nur in den stark bevölkerten Städten. Die Aversion der Chinesen gegen Milchprodukte bremst zur Zeit noch den Absatz von Schokolade. Zumindest in den hochentwickelten Volkswirtschaften spielen auch gesundheitliche Aspekte eine Rolle. Erwiesen ist, dass der Konsum der stark zuckerhaltigen Milchschokolade schädlich ist. Dagegen macht Bitterschokolade nicht dick und soll sogar bei Herz- und Kreislauferkrankungen helfen. Bitterschokolade mit hohen Kakao- und niedrigen Zucker- und Sahnegehalt wird besonders in Frankreich konsumiert. Aber auch in den USA und Großbritannien steigt ihr Anteil am Gesamtumsatz deutlich an.

Das Angebot

Einer steigenden Nachfrage steht ein fallendes Angebot gegenüber. Nach einer Rekordernte im Wirtschaftsjahr 2003/04 soll das Weltangebot in diesem Jahr deutlich fallen. Nach neuen Prognosen wird es 9 Prozent unter dem Vorjahr liegen. Das Defizit wird die Lagerbestände am Ende der Saison um voraussichtlich 7 Prozent sinken lassen. Die Gefahr eines neuen massiven Überangebots, das in den 90er und späten 80er Jahren zu Billigstpreisen bei Kakao führte, ist deshalb eher unwahrscheinlich. Stark fallende Preise führen in den armen Ländern, wie der Elfenbeinküste, schnell zu wirtschaftlichen Problemen und damit zu einer Vernachlässigung der Plantagen, die unmittelbar ein Absinken der Produktion zur Folge haben. Wie stark die Lager in diesem Wirtschaftsjahr zurückgehen werden, hängt natürlich von den Ernteerträgen ab. Das Wetter in Westafrika war in den letzten Wochen geradezu ideal für eine qualitativ und quantitativ gute Ernte. Sie wird in Westafrika am 1. Oktober beginnen und bis zum Jahresende andauern. Das größte Kakao produzierende Land ist die Elfenbeinküste mit einem Weltmarktanteil von 39 Prozent, gefolgt vom benachbarten Ghana mit 19%. Ein weiteres traditionelles Kakaoanbauland ist Indonesien. Diese drei Länder erwirtschaften 71 Prozent der Weltproduktion. Neben anderen kleineren afrikanischen Staaten steht auch Brasilien auf der Liste der Kakaoproduzenten. Dort ist die Produktion in den letzten zwanzig Jahren aber wegen der niedrigen Preise um über 60 Prozent zurückgegangen. Man hat sich auf andere erträglichere Agrarrohstoffe wie Zucker und Sojabohnen konzentriert. Trotz des inzwischen gestiegenen Preisniveaus kann von einem lohnenden Geschäft kaum die Rede sein. Daran wird sich auch in der näheren Zukunft nicht viel ändern. Die armen und politisch unstabilen Länder, wie die Elfenbeinküste, Ghana und Indonesien, werden kaum in der Lage sein, Überschussmengen durch Lagerung abzufangen, um dadurch auskömmliche Preise zu erzielen. Das heißt, die Farmer werden auch weiterhin gezwungen sein, ihre Ernten zum oft ungünstigsten Zeitpunkt, meist gleich nach der Ernte, auf den Markt zu werfen. Dagegen hat Brasilien als bedeutendstes Rohstoffland der Welt Strukturen entwickelt, um gerade dieser Ausbeutung durch monopolistische Strukturen auf der Nachfrageseite zu entgehen. Entweder steigt dieses Land ganz aus einem Rohstoff aus, wie es bei Kakao der Fall war (jetzt nur noch 3% des Weltmarktes), oder es hält das Angebot knapp. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Zuckerindustrie. Hier wird mal mehr Zucker und mal mehr Ethanol exportiert, je nach Stand der Preise. In jedem Fall bleibt die Zukunft von Kakao kritisch. Berichte über afrikanische Farmer, die wegen der geringen Einkommen ihre Kakaobäume nicht mehr pflegen, geschweige denn neue Pflanzungen anlegen, sind Besorgnis erregend. Ein neu gepflanzter Kakaobaum braucht drei Jahre, bis er die ersten Früchte trägt. Erst im vierten Jahr ist mit einer guten Ernte zu rechnen. Die anspruchsvollen Kakaobäume bedürfen einer intensiven Pflege. Unterbleibt diese, geht der Ertrag sehr schnell zurück. Deshalb erscheint uns ein Rückgang des Angebots in den kommenden Jahren durchaus wahrscheinlich zu sein.

Zusammenfassung

Der Kakaopreis notiert auf dem niedrigsten Niveau seit Anfang 2002, ist aber immer noch doppelt so hoch wie Ende der 90er Jahre. Die Lagerbestände sollten in diesem Jahr zurückgehen. Es könnte also durchaus zu einem Anstieg der Preise kommen. Die Stock-Verbrauchs-Ratio wird voraussichtlich von 46,1% auf 42% fallen. Entscheidend für die Preisentwicklung wird daher die nächste Ernte sein. Sollte sie erneut zurückgehen, werden auch die Lagerbestände weiter fallen, die Preise also steigen. Zu einer deutlichen Verknappung und zu kräftig steigenden Preisen kann es dann kommen, wenn die politische Situation in der Elfenbeinküste eskaliert und das Land als Kakaolieferant weitgehend ausfällt. Dieses Szenario erscheint uns aber eher unwahrscheinlich. Trotzdem ist mit weiter zurückgehenden Kakaoerträgen zu rechnen. Vor allem scheint in der Elfenbeinküste die Investitionsbereitschaft zu sinken. Bäume werden nicht mehr gepflegt, neue Pflanzungen nicht mehr angelegt. Die Nachfrage wird stark von der Einkommensentwicklung einiger Schwellenländer abhängen. Ausnahmsweise wird China dabei aber keine entscheidende Rolle spielen. Der Kakaomarkt ist sehr volatil und zeigt keine eindeutige Richtung. Zur Zeit ist er ein reiner Profimarkt, für den Privatanleger also wohl eher nicht geeignet. Er wird aber für plötzliche Preissteigerungen und Gewinne immer gut sein.

Kakao ohne Laufzeitende

Das Open-End-Zertifikat mit der WKN „GS0CC8“ ermöglicht die lineare Partizipation an der Entwicklung des Kakaopreises. Steigt er um 1 Prozent, so nimmt auch der Wert des Zertifikats um 1 Prozent zu. Im entgegengesetzten Fall verliert es aber auch sofort an Wert, wenn Kakao sich verbilligt. Wie bei einer Aktie ist hier also das Setzen eines sinnvollen Stopps anzuraten, besonders auch deshalb, weil die Kakaopreise sehr schwankungsanfällig sind. Kakao wird in London an der LIFFE und in New York an der NYBOT gehandelt. Das vorgestellte Zertifikat bildet den Preis der in London gehandelten Futureskontrakte nach. Ungleich wie beispielsweise Erdgas lässt sich Kakao leicht transportieren, weshalb sich die Preise zwischen New York und London nicht stark unterscheiden. Der in dieser Ausgabe analysierte Chart bezieht sich auf New Yorker Kakao.

Zertifikat

Open-End-Zertifikat

Basiswert

Kakao-Future an der LIFFE (London)

WKN / ISIN

GS0CC8 / DE000GS0CC81

Spread

0,65 %

Die Aktie von Lindt & Sprüngli (WKN 870503) halten wir für einen ausgezeichnete Absicherung (Hedge) für ein Long-Investment in den Kakaopreis. Die Schweizerische Schokoladenfirma ist auf die Preise bei Kakao angewiesen und profitiert, wenn sie fallen. Zusätzlich profitieren Sie an den Dividendenausschüttungen des Konzerns.

Jochen Stanzl - BörseGo GmbH

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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