Interview mit Dirk Müller
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„Mr. DAX“ ist Deutschlands bekanntester Börsianer. Der Börsenexperte und Bestsellerautor („Cashkurs“) ist bekannt für klare Meinungsäußerungen
(Das Interview erschien zuvor im TradersJournal)
TJ: Herr Müller, in Kürze steht die Entscheidung über die Zukunft Griechenlands an. Was haben wir hier zu erwarten?
DM: Dass am Ende ein Haircut stehen wird, ist ja mittlerweile allen klar. Wie dieser dann detailliert ausgestaltet wird, ist am Ende nicht so wichtig.
TJ: Worum geht es dann?
DM: Es kommt eigentlich nur darauf an, wie dieser Schuldenschnitt gewertet wird. Sobald er nicht mehr als absolut freiwillig bezeichnet werden kann, wird ein sogenanntes Kreditereignis ausgelöst. Das bedeutet, dass die Kreditausfallversicherungen, die sogenannten Credit Default Swaps (CDS), fällig werden. Mittlerweile haben sich Hedgefonds und private Investoren damit vollgesogen und warten eigentlich nur darauf, diese ausgezahlt zu bekommen. Falls es soweit kommt, sind außerdem die gängigen Bilanzierungsregeln nicht mehr zu halten. Momentan müssen Banken die von ihnen gehaltenen Staatsanleihen überhaupt nicht mit Eigenkapital unterlegen, weil sie als risikolos gelten. Im Falle eines Defaults wird aber genau das notwendig werden – für die Banken sind die Abschreibungen auf den Nennwert der Anleihen dann das kleinste Problem.
TJ: Bleibt es bei Griechenland oder sind nun auch noch andere Länder akut vom Zahlungsausfall bedroht?
DM: Die Ansteckungsgefahr ist extrem hoch, denn ist ein Tabu erst mal gebrochen, fällt es leichter weiterzumachen. Außerdem weckt so ein Schuldenschnitt auch Begehrlichkeiten. Warum sollten sich Portugal oder Irland mit Sparanstrengungen abmühen, wenn Griechenlands Schulden einfach gestrichen werden? Zudem möchte ich nicht wissen, welche Ungereimtheiten in den Bilanzen der Länder schlummern. Es wäre naiv zu glauben, dass Griechenland hier ein Einzelfall sein muss.
TJ: Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass wir nun um die Pleite diverser Länder in der Eurozone bangen müssen?
DM: Die Einführung des Euro ist ohne solides Fundament im Sinne einer gemeinsamen Steuer- und Finanzpolitik erfolgt und dahingehend ein Fehler gewesen. Die Wirtschaftskraft der Länder und deren nationale Währungen müssen im Einklang zueinander stehen. Der Euro ist für Deutschland ein bisschen zu schwach, für die Peripherie jedoch viel zu schwer. Wenn Länder in Eigenverantwortlichkeit handeln sollen, brauchen sie auch ihre eigene Währung. Die andere Alternative ist eine Transferunion, in der sich die reichen Länder per se dazu bereit erklären, jedes Jahr eine Ausgleichszahlung an die wirtschaftlich schwächeren Länder zu leisten – aber das wollen wir ja nicht.
TJ: Ist der Euro also zum Scheitern verurteilt?
DM: In seiner jetzigen Form denke ich schon. Die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone sind unmöglich zu überwinden und will man keine Transferunion, dann muss jede Region eine ihrer Leistungsfähigkeit entsprechende Währung bekommen. Und das geht nur, wenn wir wieder zu unseren Landeswährungen zurückkehren und diese nach Bedarf abgewertet werden. Höchstens eine Kerneurozone mit Mitgliedern auf Augenhöhe ist denkbar. Aber selbst hier würde man um eine Transferzahlung von Zeit zu Zeit nicht herum kommen.
TJ: Der Schuldenberg der Länder bleibt doch aber auch nach einem Austritt aus der Eurozone erhalten oder?
DM: Richtig, es gibt für den Staat nur drei Möglichkeiten sich seiner Schulden zu entledigen und in allen Varianten steht am Ende der Bürger als der Verlierer da. Erstens kann ein klarer Schnitt erfolgen, bei dem man einfach Schulden streicht, so wie jetzt in Griechenland zu sehen. In gleichem Maße werden dabei aber die Vermögen derer beschnitten, die griechische Anleihen halten. Zweitens gibt es die klassische Variante der Schuldenfinanzierung durch Steuererhöhungen. Auch steht hier als aller erstes der Bürger in der Schusslinie. Die letzte und wahrscheinlich bequemste Variante ist die Entschuldung durch Inflation. Aber genau dafür braucht man eben eine eigene Währung, die man beliebig drucken und dadurch abwerten kann. Doch auch hier wird in erster Linie der Sparer enteignet – vor allem ältere Leute würden hierbei um ihre Altersvorsorge gebracht. Der Bürger ist in unserem System schlicht und ergreifend immer der Dumme.
TJ: Wir danken Ihnen für das Gespräch!
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