Kommentar
11:00 Uhr, 12.05.2008

Interview mit Clayburg - Was ist der Erfolg dieses Traders ?

Wenn Sie Trader sind, brauchen Sie nur wenige Sekunden um festzustellen, ob Ihr Gegenüber ebenfalls Trader ist. Die Augen eines Autors der Technischen Analyse, die Augen des Lehrers in einem Trading-Seminar, die Augen eines institutionellen Traders, alle zwinkern anders als das Auge eines privaten Traders, der jeden Morgen seine Brieftasche auf den Tisch legt.

Beachten Sie nur die Augen. Und sobald Sie Dr. Clayburg treffen, merken Sie, dass er ein echter Trader ist. 61 Jahre alt, Doktor der Tiermedizin der Iowa State University, mit einer Familienfarm in Coon Rapids, Iowa, einem Ort mit 1200 Einwohnern, der Anfang des neunzehnten Jahrhunderts eine Art Grenzaußenposten auf der Route von Des Moines, Panora, Sioux City und Plätzen weiter im Nordwesten war. Heute ist Coon Rapids ein grüner, wilder und friedlicher Ort, ideal für umherschweifende Phantasien. Hier lebt die Clayburg-Familie, und von hier aus gingen die vier Söhne von Dr. Clayburg in ferne US-Universitäten, wo sie für ihre beruflichen Laufbahnen studierten. Clayburgs Frau Karen ist Highschool-Lehrerin für Naturwissenschaften. Drei der Söhne schlossen als Ingenieure der Iowa State University ab; der vierte ist Leiter der Verkaufsabteilung einer landesweiten Video-Vertriebsgesellschaft mit Läden in 48 Staaten. Die Tochter ist als Wirtschaftsprüferin/Betriebswirtin CPA/MBA (University of Iowa) und Senior Managerin in einem großen Unternehmen tätig. Dr. Clayburg scheint die Art Mann zu sein, die gern „nein“ sagt und auf Gegenkurs geht und vielleicht lebt er gerade deswegen noch in dem Haus, das sein Großvater während der Großen Depression gebaut hat. Als die Landwirtschaftskrise in den 80ern zuschlug, die eine Landflucht zur Folge hatte, die die Menschen in die Städte trieb, trafen Dr. Clayburg und seine Familie die schwierige Entscheidung, direkt die Farm zu managen und auf dem Stück Land zu bleiben, auf dem sie geboren waren. Und hier traf Dr. Clayburg als landwirtschaftlicher Unternehmer zum ersten Mal auf die Getreide-, Sojabohnen- und Rinder-Futures, weil sie wesentlich für seine geschäftlichen Aktivitäten waren.

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Er lernte, seine Farmfinanzen unter Kontrolle zu halten und seine Ernten mit Futures zu hedgen. Dafür kaufte er ohne jede Programmiererfahrung die TradeStation-Software, die er bald perfekt zu benutzen wusste, einschließlich Programmierung, Fehlersuche, Testen und Systembewertung usw. Ein „nein“ folgt dem anderen und Dr. Clayburg ist heute unter systematischen Tradern für seinen Trading-Ansatz bekannt, der sich mehr damit befasst, wann ein System auf einen Markt angewendet werden kann, als welches System entwickelt werden sollte.

Das TRADERS Magazin führte das folgende Interview mit Dr. John F. Clayburg.

Frage: Alle Interviews mit Tradern beginnen mit der offensichtlichen Frage: Bitte erinnern Sie sich an Ihren allerersten Trade. Gewinn oder Verlust? Was für Emotionen?

Dr. John F. Clayburg: Am Top des Marktes überredete mich ein smarter Broker dazu, Weizen zu kaufen. Natürlich verlor ich bei dem Trade. Das lehrte mich, wie wichtig es ist, dass man sich mit den Märkten befasst und seine Entscheidungen selber trifft.

Frage: Sie haben viel Zeit in die Ausbildung zum Tierarzt gesteckt und zu promovieren und hätten eine mögliche akademische Laufbahn einschlagen können. Ein größerer Unterschied zu einem privaten Trader ist kaum vorstellbar. Haben Sie nie bereut, Ihre damaligen beruflichen Perspektiven aufgegeben zu haben?

Clayburg: Überhaupt nicht. Ich habe sehr gute Erfahrungen in einer großen Veterinärpraxis gemacht, wo ich mit den besten Menschen der Welt gearbeitet habe – Landwirtfamilien. Dieses Leben ist jetzt aber Vergangenheit, verschwunden durch die unvermeidlichen Veränderungen in der Landwirtschaft, die die technologische Entwicklung gebracht hat. Wo damals zahlreiche Familienbetriebe in einer Gegend tätig waren, gibt es heute nur noch ein einziges großes Feld zu ernten. Verschwunden sind die Häuser, Scheunen, Ställe für Schweine, Hühner, Schafe, Ziegen und Kühe zusammen mit den Kindern, die von der Veranda purzeln und in den Bäumen um das Gehöft Versteck spielen. Ich liebe meine jetzige Arbeit genau so – ich sage Besuchern manchmal, dass sie viel lustiger ist als von fremder Leute Kühen umgerannt zu werden.

Frage: Sie betreiben immer noch den Bauernhof Ihrer Familie: wie passt das zu Ihren Trading-Aktivitäten? Wie sieht Ihr normaler Arbeitstag aus?

Clayburg: Ich habe einen Nachbarn für die tägliche Arbeit angeheuert; meine Frau und ich treffen die Entscheidungen und kümmern uns um das Marketing usw. Wir kümmern uns noch um unsere Kuhherde. Mein Tag teilt sich auf zwischen Trading, dem Programmieren von Systemen, der Beantwortung von Fragen anderer Trader und der Entwicklung neuer Ideen.

Frage: Beschreiben Sie, wie Sie traden, was Sie durchs Fenster sehen, wie viele Computer usw.

Clayburg: Drei Computer laufen ständig. Der Blick aus meinem Fenster geht auf einen grünen Hang, wo die Kühe friedlich weiden. Das hat einen erstaunlich beruhigenden Effekt als Ausgleich für die Hektik der Märkte.

Frage: Haben Sie Hobbies?

Clayburg: Ja! Zwei Enkel!

Frage: Es sieht so aus, als handelten Sie überwiegend S&P500, Währungen und Anleihen, nicht viel Commodities: das überrascht für den Manager eines Bauernhofes, der doch den großen Trend landwirtschaftlicher Produkte vor Augen haben sollte. Oder gibt es dafür mehr technische Gründe?

Clayburg: Ich handle die Commodities noch für mich selbst. Die Hauptnachfrage nach automatisierten Systemen kommt von den Aktien-, Bond- und Währungsmärkten, so dass es aussieht, als läge dort mein einziges Interesse. Außerdem eignen sich die Finanzmärkte aufgrund ihres vergleichsweise größeren Volumens und höherer Volatilität definitiv besser für technisches Trading als die landwirtschaftlichen Märkte im Allgemeinen.

Frage: Ihre Erfahrung als systematischer Trader kann wahrscheinlich in einem einzigen Satz zusammengefasst werden: Der Code für ein System ist vergleichsweise nicht so wichtig, was zählt ist, wann ein System angewandt wird und wann ein anderes angewandt werden sollte. Das bedeutet, dass es kein System für alle Gelegenheiten gibt.

Clayburg: Alle erfahrenen Trader beobachten, dass Märkte eine sich permanent entwickelnde und daher wechselnde Dynamik besitzen. Unzählige fundamentale Faktoren zusammen mit zufälligem menschlichem Verhalten sorgen dafür, dass Märkte andauernd ihre grundlegenden Charakteristiken verändern. Schließlich ist ein Kurs-Chart nichts anderes als eine grafische Darstellung der multiplen Faktoren, die auf den Kurs einwirken. Die Herausforderung liegt darin, die kritischen Systemvariablen richtig zu selektieren, die zu den aktuellen Marktbedingungen passen. Trader und Systementwickler prüfen regelmäßig Variationen ihres Systems anhand kurz zurückliegender Daten in dem Versuch herauszufinden, ob im Markt begründete Veränderungen die Performance des Systems beeinflusst haben. Wenn korrekt ausgeführt, kann dieser Aufwand durch eine verbesserte System-Performance in Echtzeit belohnt werden. Wenn nicht korrekt durchgeführt, was häufiger vorkommt, führt wiederholte Nachoptimierung zu einem System, das übermäßig angepasst (curve-fitted) und verlustanfälliger ist. Es ist schwierig festzulegen, wie oft optimiert werden sollte, welche Systemparameter betroffen sind und welche Datenmengen für jeden Test genommen werden sollten. Die richtigen Testparameter zusammenzustellen ist eine zeitaufwändige Angelegenheit, weil so viele Variablen in Betracht gezogen werden müssen. Die meisten Trading-Systeme arbeiten mit benutzerdefinierten Inputs, die die jeweiligen Einstiege und Exits erzeugen. Es bleibt nicht aus, dass die für profitable Trades nötigen Systemeinstellungen bei unterschiedlichen Marktbedingungen variieren. Trading-Systeme mit festen Parametern sind häufig nicht in der Lage, mit wechselnden Marktbedingungen fertig zu werden. Wenn sie eine Zeit lang funktionieren, können bei veränderten Marktbedingungen erhebliche Drawdowns auftreten.

Stark an Vergangenheitsdaten ange­passte Systeme werden schnell unprofitabel, weil sie von ihrer Natur her davon ausgehen, dass zukünftige Daten die Vergangenheit widerspiegeln. Auf einzelnen Parametern allein basierende Systeme funktionieren wahrscheinlich auch nicht längere Zeit; die meisten von ihnen haben eigene Stärken und arbeiten bei speziellen Marktbedingungen gut. Im Idealfall sollte sich ein automatisiertes System verschiedene Systemansätze bedienen oder variable Einstellungen multipler Systeme in einem einzigen System vereinen, um die Profitabilität der Gesamtstrategie zu verbessern. Es wird eine intelligente Methode benötigt, die das beste Trading-System oder die besten Einstellungen für ein gegebenes System für die gegenwärtigen Bedingungen ermitteln und entsprechend umstellen kann. Das Ziel ist, ein adaptives System auf der Basis multipler Systeme zu schaffen, das die Herangehensweise mit den aktuellen Marktbedingungen synchronisieren würde. Wäre es nicht interessant, multiple Systemeinstellungen simultan beobachten zu können? Und das aktuell beste System einzusetzen? Wäre es nicht interessant, eine automatische Routine in einem System für eine solche Umschaltung zu schaffen? Und das aktuell beste System zu verwenden? Man benutzt dann eine Version des Systems, die uns sagt, welches die besten Systemeinstellungen für die aktuellen Marktbedingungen sind.

Zur Maximierung der Gewinne des Systems ist es entscheidend, dass man weiß, wann geeignete Änderungen beim System-Input vorgenommen werden müssen. Hierbei ist der Parallelfunktions-Ansatz nützlich.

Unter Verwendung von Parallelfunktionen kann man eine Indikatorengruppe einrichten, die für den Benutzer grafisch darstellt, wenn eine bedeutsame Veränderung bei der Art und Weise vorkommt, wie das System auf Änderungen der Marktcharakteristika reagiert. Wenn die Beobachtung der Indikatoren und Veränderungen im Markt es rechtfertigen, kann das System zusätzlich angewiesen werden, die Werte von Variablen automatisch zu verändern. Auf diese Weise ist man in der Lage zu beobachten, welche Ergebnisse das System erbracht hätte, wenn eine regelmäßige Nachoptimierung in festgelegten Zeitabständen für bestimmte Input-Werte stattgefunden hätte.

Frage: Erläutern Sie uns kurz, was ist eine „Parallel­funktion“ ?

Clayburg: In TradeStation besteht die Möglichkeit zur Programmierung vielfältiger Subroutinen, als Benutzerfunktionen bezeichnet, die Daten „außerhalb“ des Hauptprogramms verarbeiten und die in der Funktion erzeugten Daten jedem Programm zur Verfügung stellen, dass diese Daten abruft. Eine „Parallelfunktion“ ist einfach eine als System programmierte TradeStation-Benutzerfunktion. Zwar ist die Programmierung deutlich komplizierter als die der eigentlichen Strategie, aber diese Funktionen machen es dem Grundsystem möglich, sich anhand der aktuellen Marktbedingungen selbst zu testen und dabei die wesentlichen Systemeinstellungen zu nutzen. Dadurch ist die zugrunde liegende Trading-Strategie in der Lage, ihre wichtigen Parameter und Gleichungen während der Arbeit zu verändern und viel besser auf die regelmäßigen Veränderungen der Marktcharakteristika zu reagieren, unter denen die meisten nicht anpassbaren Systeme so leiden.

Frage: Wie funktioniert das?

Clayburg: Selbstanpassende Trading-Systeme beziehen ihren Vorteil daraus, dass sie sich durch Anwendung der Technologie der Parallelfunktionen anhand naher Marktdaten kontinuierlich selbst testen. Die Parallelfunktion betreibt praktisch im Hintergrund laufende multiple Systeme. Die Grundstrategie ist in der Lage, das aktuelle Verhalten des Systems bei einer breiten Palette von Input-Mustern zu überwachen, indem sie multiple Levels an System-Inputs an die Parallelfunktion übergibt. Eine einfache Sortierroutine versetzt das Grundsystem dann in die Lage, die effektivsten Input-Kombinationen beim laufenden Trading zu verwenden. Auf diese Weise ist eine selbstanpassende Trading-Strategie bei Verwendung der Technologie der Parallelfunktionen in der Lage, ihren Prozess der Signalerzeugung wirksam zu verändern und ihn besser auf den aktuellen Markt einzustellen, wobei es keine Rolle spielt, welche äußerlichen Einwirkungen die Veränderungen der Marktcharakteristika verursachen.

Frage: Wann haben Sie damit begonnen, sich mit Parallelfunktionen im Trading zu befassen? Was hat den Anstoß zu diesem Programmieransatz gegeben?

Clayburg: Ich war sehr frustriert, als ich herauszufinden versuchte, welche äußeren Gründe die Veränderungen im Markt verursachten, die zu dramatischen Performance-Verschlechterungen bei den verwendeten Programmen führten. Eines Tages kam mir die Idee, verschiedene Systemeinstellungen zu beobachten und einfach die besten davon im Rahmen einer automatisierten Routine zu verwenden. Ungefähr zur gleichen Zeit machte TradeStation eine Routine verfügbar, die das Bearbeiten von Arrays in User Functions des Basis-Codes ermöglichte. Das machte es möglich, eine wie ein System arbeitende Funktion zu schaffen und die Einstellungen nach der besten Performance zu sortieren. Damit war ich auf dem Weg. Das war etwa 1996 – 1997. Diese Arbeit habe ich erstmals 1998 anlässlich der Omega-Weltkonferenz in Las Vegas vorgestellt und veröffentlicht.

Frage: Glauben Sie, dass es nötig ist, ein pfiffiger Programmierer zu sein, um ein guter System-Trader zu werden?

Clayburg: Ich mag System-Trading ganz einfach, weil nicht die Notwendigkeit besteht, schnell kritische Entscheidungen anhand vieler Faktoren in kurzer Zeit zu treffen. Diese Berechnungen können alle automatisch durchgeführt werden und den neuen Trade einfach auf Ihrem Bildschirm erscheinen lassen. Es nimmt auch alle Emotionen aus dem Trading, die häufig der Grund für schlechtes Abschneiden von Tradern sind. Es ist nicht erforderlich, ein geschickter Programmierer zu sein, um vom automatischen / programmierten Trading Gebrauch zu machen. Es gibt Viele, die solche Systeme in vielen Trading-Sprachen und -Plattformen programmieren können, so dass es für den einzelnen Trader nicht nötig ist, Computer- und Systemprogrammierung zu lernen. Was jedoch nötig ist, ist dass der Trader das System auch ordentlich arbeiten lässt. Wer das tut und ein erfolgreiches Trading-System einsetzt, kann sehr gut abschneiden. Die meisten System-Trader schneiden aber nicht gut ab, weil sie nicht dazu fähig sind, das System arbeiten zu lassen. Nach ein paar Verlust-Trades oder während der unvermeidlich vorkommenden Drawdowns geben sie ihr System häufig in der Überzeugung auf, dass es nicht profitabel ist. Noch schlimmer, viele fangen an, die Trades auszuwählen, die das System ausführen soll. Das führt unweigerlich zu einer wesentlich verschlechterten System-Performance. Es kommt häufig vor, dass das System mit einer Serie von Gewinn-Trades genau in dem Moment beginnt, wenn der Trader aufgibt oder mit der Auswahl von Trades anfängt. System-Trading unterscheidet sich wenig von diskretionärem Trading in der Hinsicht, dass es Gewinnserien sowie Verlustserien und Drawdowns gibt. Am härtesten scheint beim systematischen Traden der Entschluss zu sein, das System alle Trades ausführen zu lassen, die es erzeugt. Ich empfehle neuen System-Tradern gern, einem neuen System zu erlauben, seine Trades eine Zeit lang ohne Geldeinsatz als „Paper Trading“ auszuführen, um dem Trader Gelegenheit zu geben zuzusehen, wie Trades überhaupt zustande kommen und ein „Gefühl“ für die immer auftretenden profitablen Perioden und Drawdown-Perioden zu entwickeln. Auch wenn „Paper Trading“ weit davon entfernt ist, der Realität des tatsächlichen Einsatzes von Kapital zu entsprechen, sollte das System durchaus eine Zeit lang beobachtet werden, damit man sich an die Art der bevorstehenden Aktivität gewöhnt.

Ich habe bei vielen Tradern Verluste bei der Verwendung eines Trading-Systems entstehen sehen, das letzten Endes eine profitable Periode hatte. Diese Trader wären viel erfolgreicher gewesen, wenn sie ihr System einfach allein gelassen hätten anstatt es zu manipulieren. Häufig ist es das Beste, das System mit einem getrennten Konto zu handeln und es nur aufzugeben, wenn das Kapital dort um einen vorher festgelegten Betrag geschrumpft ist. Es ist erforderlich, dass ein System-Trader die menschlichen Emotionen irgendwie vom Management eines automatisierten Systems fernhält. Viele beginnen mit dem Traden automatisierter Systeme, weil sie unfähig sind, ihre Emotionen beim diskretionären Handel unter Kontrolle zu behalten. Dasselbe Problem kann den Ruin beim System-Trading bedeuten.

Frage: Die Frage taucht immer wieder auf, warum ein erfolgreicher Trader in den Märkten seine kostbare Zeit damit verbringen sollte, sich unternehmerisch zu betätigen, indem er Systeme verkauft, Seminare gibt oder noch schlimmer, anderer Leute Geld verwaltet. Was halten Sie von dieser Auffassung?

Clayburg: Ich habe kein Problem mit dem Vermarkten von Produkten in der einen oder anderen Form – Trading, Unterrichten oder Systemverkauf. Bei den Seminaren empfinde ich Freude und Befriedigung, wenn ich anderen hoffentlich dabei helfe, bessere Trader zu werden. Es macht mir Spaß zu sehen, wenn dem Publikum ein Licht aufgeht.

Frage: Was ist in Ihren Augen in Bezug auf Originalität Ihre wichtigste Leistung in der Technischen Analyse? Die Technologie der Parallelfunktion oder noch etwas anderes? Für mich ganz sicher die Parallelfunktionslogik, die die Parameter eines Systems den wechselnden Marktbedingungen anpasst.

Clayburg: Ja.

Frage: Sie sind Autor des Buches „Four Steps to Trading Success“, Wiley, 2001, in dem Sie einen Ansatz zum Daytraden von Aktien erklären: Ich will nicht übermäßig polemisch werden, aber die dort gezeigten Ergebnisse aus einem Backtest über zwei Jahre erscheinen nicht sehr bedeutsam. Haben Sie noch einen anderen Backtest über einen längeren Zeitraum oder nur die letzten zwei Jahre?

Clayburg: In den neueren Internet-basierten Versionen von TradeStation stehen viel mehr Daten zur Verfügung. Ich habe vor kurzem die gesamte Aktienliste des S&P seit 1998 durchgetestet, um die in dem Buch niedergelegten Theorien zu validieren. Die Ergebnisse dieser Nachprüfung zeigen, dass die Four Step-Methode bei der Vorhersage des Haupttrends des Tages bei Verwendung des Directional Day-Filters zu 75 Prozent akkurat ist. Die Untersuchungen haben außerdem ergeben, dass die meisten Aktien ihr Hoch oder ihr Tief für den Tag nach einer Handelsstunde haben. Mit anderen Worten steht das Hoch oder Tief des Tages in 75 Prozent der Fälle innerhalb einer Handelsstunde fest.

Frage: Wie denken Sie über die Montecarlo-Analyse? Ist das ein gültiges Werkzeug zur Messung von Robustheit und Signifikanz eines Systems oder ist es eher ein nutzloses Werkzeug für die Prognose zukünftiger Ergebnisse eines Handelssystems?

Clayburg: Ich habe mit dieser Routine keine Erfahrung und daher auch keine Meinung dazu.

Frage: Welche Trader und Forscher haben am meisten zur Ihrer Ausbildung in der Arena für Handelssysteme beigetragen? Warum?

Clayburg: Ich habe wenig Zeit mit dem Studium der Arbeiten anderer zugebracht; ich ziehe es vor, meine eigenen Trading-Theorien und Systeme ohne den Einfluss anderer zu entwickeln. Natürlich gibt es andere, die wichtige Beiträge zur Technischen Analyse geleistet haben. Ich habe mich aber nicht genügend mit diesen Dingen beschäftigt, um eine intelligente Meinung dazu zu haben.

Frage: Bei einem Interview wie diesem hätten die Leser neben dem, was sie aus Ihren Gedanken lernen können, sicher gern auch ein Stück Code für ein Trading-System: können Sie unsere Leser glücklich machen? Bitte auch mit EasyLanguage Code, einem System-Report und einer Kapitalkurve.

Clayburg: Hier ist der EasyLanguage- / TradeStation-Code (siehe Kasten) für das grundlegende Early Range Ausbruchsystem, das ich für die Demonstration der zur Einrichtung eines für Parallelfunktion geeigneten Trading-Systems erforderlichen Grundprogrammierung benutze.

Auf Wunsch schicke ich Interessenten gern den TradeStation-Code sowohl für das vorstehende System wie auch den komplexeren Code für das auf diesem Beispiel basierende Parallelfunktionssystem und Beispiel-Workspaces per Email zu. Nachfragen an: jclayburg@iowatelecom.net.

Frage: Ist es richtig, dass Sie für kurz- bis mittelfristiges Trading Charts vorziehen, die im Gegensatz zu typischen Minuten-Charts nicht auf Zeit basieren? Mit welcher Begründung?

Clayburg: Zur Klarstellung, es gibt unterschiedliche Charts, die nicht auf Zeit basieren; am meisten benutzt werden Volumen-Charts, wo immer dann ein neuer Balken beginnt, wenn ein gegebenes Volumen-Level erreicht ist, und Tick-Charts, die nach einer bestimmten Anzahl Kursänderungen einen neuen Balken beginnen. Nach meiner Erfahrung werden Volumen-Charts mehr in Aktienmärkten benutzt und Tick-Charts mehr beim Handel mit Aktienindizes, Futures und Kassa-Forex. Ich mache ausführlichen Gebrauch von Tick-Charts für den Forex- und Futures-Handel einfach zur Eliminierung des Zeitfaktors. Für mich ist Zeit besonders im 24 Stunden-Forexmarkt einfach ein „Rausch“-Parameter, der wenig oder keinen Einfluss auf die automatisierte Erzeugung von Handelssignalen hat. Die meisten Programme, die ich verwende, erzeugen Einstiege und Ausstiege durch den Vergleich kürzlicher Balkendaten. Zusätzliche Balken, die nur durch den Zeitablauf eingeführt werden, fügen diesen Parameter, Zeit, wirksam in das System ein. Zum Beispiel kann es während der asiatischen Sitzung auf zeitbasierten Charts für viele der US$-benannten Währungspaare sehr wenig Bewegung geben. Es ist nicht ungewöhnlich, dass mehrere 1-Minuten-Balken mit nur ein oder zwei Kursveränderungen entstehen. In einem Beispiel, das ich in meinen Seminaren anführe, sind alle Daten von 19 Uhr abends bis 3 Uhr morgens im EURUSD in sieben Balken auf einem 233-Tick-Chart enthalten gegenüber den 480 Balken, die sich in genau der gleichen Zeit auf einem 1-Minuten-Chart bilden würden. Die Benutzung von Tick-Charts erlaubt es dem System, sich ausschließlich auf laufende Marktdaten zu konzentrieren. Im vorgenannten Beispiel wird die Systemgenauigkeit bei Benutzung der sieben Balken echter Marktdaten gegenüber der Verwendung von 480 Balken, die sich hauptsächlich aus Zeitdaten zusammensetzen, exponentiell vergrößert. Andererseits hat die Benutzung von Tick-Charts auch einige Nachteile; hauptsächlich die relativ geringe Verfügbarkeit historischer Daten für das Backtesten und der erforderliche Speicherplatz für jede einzelne Kursänderung. Diese Punkte verlieren im Vergleich zu den Vorteilen der Verwendung von nicht zeitbasierten Charts aber jede Bedeutung.

Frage: In welchem Umfang benutzen Sie Daten für das Testen / Nachoptimieren eines Handelssystems?

Clayburg: Meine Herangehensweise weicht in dieser Beziehung wesentlich von dem allgemein Üblichen ab. Viele Trader möchten gern ein System haben, das mit den Daten mehrerer Jahre vernünftige Ergebnisse erwirtschaftet. Das sieht natürlich gut aus und vermittelt dem Trader Vertrauen in das System, aber für mich ist der tatsächliche Nutzen von Trades, die vor ein paar Jahren stattgefunden haben, fragwürdig. Mein Ziel beim Systemtesten und Nachoptimieren ist es, dass das System mit dem aktuellen Markt harmoniert, um die Trading-Performance zu optimieren. Unter diesem Gesichtspunkt ziehe ich es vor, das System mit einer Minimalmenge an Daten zu testen – gewöhnlich nicht mehr als drei bis vier Monate historischer Daten bei einem 233-Tick-Chart. Fragen Sie sich, ob Ihr System mit dem heutigen Markt korrespondieren soll oder mit dem von vor einigen Jahren. Wenn Ihre Antwort der heutige Markt ist, dann begrenzen Sie Ihre Tests auf relativ aktuelle Daten.

Frage: Was meinen Sie, wie häufig ist es erforderlich, das System erneut zu testen?

Clayburg: Ich führe Tests nicht in festgelegten Zeitabständen durch und verändere die Systemeinstellungen nicht, so lange das System ordentlich arbeitet. Nur wenn die Kapitalkurve des Systems unbefriedigend wird, überprüfe ich die Systemparameter. Kapitalkurven bewerte ich ähnlich wie man einen typischen Kurs-Chart betrachtet – Trendlinien, Oszillatoren usw.

Frage: Wie vermeiden Sie beim Nachoptimieren ein übermäßiges Curve-Fitting – eine Praktik, die ein System ruinieren kann?

Clayburg: Man sollte nicht alle Variablen eines Systems gleichzeitig testen. Ich ziehe es vor, nur wenige Variablen auf einmal zu testen – dadurch vermeide ich eine allzu enge Anpassung, die einem automatisierten System sehr schaden kann. Bei einem System mit sechs Inputs teste ich zuerst zwei und lasse die anderen unverändert.

Danach weitere zwei für sich testen und zum Schluss den Ablauf mit den beiden letzten wiederholen. Außerdem sollte man nicht immer das beste Ergebnis des Tests im Handel einsetzen. Optimale Einstellungen reflektieren oft „Ausreißer“, die im Testvorgang vorgekommen sind. Dabei handelt es sich um extrem profitable Trades, die zufällig bei einer einzigen Einstellung auftreten und die sich wahrscheinlich nicht wiederholen werden. Es ist viel logischer, Ergebnisse zu nehmen, die vielleicht nicht die optimalen Einstellungen darstellen, sich aber wahrscheinlich wiederholen. Ich nenne das gern „selektive Optimierung“. Auf meiner Webseite ist ein Video zu sehen, in dem der Vorgang sehr detailliert dargestellt ist: http://www.clayburg.com/UniversalSystem/universal_system_video.htm

Frage: Was ist das bisher beste System, das den Test der Zeit bestanden hat?

Clayburg: Das ist mein so genanntes Universal System. Dabei handelt es sich um die effektivste Strategie, die ich bisher entwickelt habe. Es ist so programmiert, dass den Benutzern durch verschiedene Input-Werte ein Maximum an Vielseitigkeit zur Verfügung steht. Andere Eigenschaften dieses Systems sind die Fähigkeit, mehrere Kontrakte einzusetzen an vom User definierten Zielpunkten, die Option den Stopp auf Breakeven zu ziehen, wenn Ziele erreicht wurden, dazu kommen tägliche Gewinnziele und Verluststopps, die durch die Inputs definiert werden können. Das System kann alle Märkte und alle Zeitfenster handeln. Es kann vom User ganz einfach auf seinen eigenen Handelsstil angepaßt werden.

Frage: Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Quelle: Traders-Magazin

Bitte hier klicken : Archiv der bisherigen TRADERS Interviews

Bild 1 Universal System

Das Bild zeigt Signale im Eurodollar, die von dem Universal System generiert wurden. Bei den Charts handelt es sich um 233-Tick-Charts. Beachten Sie, dass das Universal System, wie auch andere Systeme von Dr. John Clayburg, von Zeit zu Zeit nachoptimiert werden müssen.

Bild 2 Equity Line

Die Abbildung zeigt die Equity Line für das Universal System mit dem Eurodollar als Underlying. Die Equity Line basiert auf rund 260 Trades. Beachten Sie vor allem, dass das System kaum nennenswerte Drawdowns aufweist und die Zeitabschnitte zwischen neuen Equityhochs recht kurz sind.

Bild 3 System Report

Das letzte Bild schließlich zeigt einen System Report zum Universal System mit dem Eurodollar als Underlying. Die generierten Gewinne liegen mit 28 000 US-Dollar um den Faktor 1,7 (Profitfaktor) höher als die Summe der Verluste. Trotz einer Trefferquote von „nur“ 43,6 Prozent arbeitet das System profitabel.

1 EasyLanguage- / TradeStation-Code

Early Range Breakout

Inputs: StartDay(1010101), Delay(45), Tgt(7), Stp(4);

Vars: NuHi(0), NuLo(0), Bpt(0), Spt(0), ok2trade(false);

If D<>D[1] then begin

NuHi = H;

NuLo = L;

Bpt = 9999999;

Spt = 0;

end;

If H>NuHi then NuHi = H;

If L<NuLo then NuLo = L;

If t >= CalcTime(sess1endtime,-60) then ok2trade = false;

If T = CalcTime(Sess1StartTime,Delay) then begin

ok2trade = true;

Bpt = NuHi +.1;

Spt = NuLo - .1;

end;

If TradesToday(d) = 0 and d > startday and ok2trade then begin;

BUY(“L Breakout”)next bar Bpt stop;

SELL short(“S Breakout”) next bar Spt stop;

end;

If MarketPosition = 1 then begin

Sell(“L_ TGT”) next bar entryprice + tgt limit;

Sell(“L_Stp”) next bar entryprice - Stp stop;

end;

If MarketPosition = -1 then begin

Buy to cover(“S_Tgt”) next bar entryprice - tgt limit;

Buy to cover(“S_Stp”) next bar entryprice + stp stop;

end;

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