Nachricht
12:33 Uhr, 20.02.2024

Immobilienweise: Bauwirtschaft droht schwieriges Jahr

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones) - Die Bauwirtschaft muss sich auf ein Krisenjahr mit einer weiteren Verschlechterung im Wohnungsbau einstellen, da Investitionen für die Bauwirtschaft angesichts der aktuellen teuren Finanzierungsbedingungen keinen Sinn machen. Das ergibt eine Untersuchung des Rats der Immobilienweisen. In ihrem Frühjahrsgutachten gehen die Experten von einer Verschlechterung für den Wohnungsbau und einer leichten Erholung für Wirtschaftsimmobilien aus. Nach Ansicht der Experten dürften jährlich nur noch 150.000 neue Wohnungen fertigstellt werden - deutlich weniger als das Ziel der Bundesregierung von 400.000 Wohnungen. Damit würden nach Schätzung der Bauwirtschaft bis 2025 insgesamt etwa 720.000 Wohnungen in Deutschland fehlen.

Die Immobilienweisen gehen in ihrem Gutachten außerdem davon aus, dass die Gefahr für Liquiditätsausfälle gestiegen ist, was auch für die Finanzstabilität problematisch werden könnte. Die schwierigen Bedingungen bedeuten zudem, dass es in der Baubranche zum ersten Beschäftigungsverlust seit der Finanzkrise 2008 kommen dürfte.

"Die Krise ist tiefer, als die Baufertigstellungs- und Baugenehmigungszahlen bislang zeigen", heißt es in dem Gutachten. Noch zehre der Wohnungsbau von den Bauvorhaben, die vor der Zinswende begonnen wurden.

"Mit den aktuellen Niveaus von Zinsen, Baulandpreisen, Baukosten und Mieten rechnet sich der Neubau von Wohnungen nicht. Die Kostenmieten liegen sehr weit entfernt von den Neubaumieten", so das Gutachten.

   Forderung nach niedrigerer Gewerbe- und Grundsteuer 

Zur Anregung der Investitionstätigkeit könne die Wirtschaftspolitik angebotspolitische Maßnahmen angehen, die zugleich bei knappen öffentlichen Mitteln umsetzbar seien. Dazu zählen den Experten zufolge Steuerentlastung bei der Grunderwerbsteuer und Grundsteuer sowie und Reduktion der Regulierungskosten wie etwas ein Abbau der vielen regulatorischen Einzelmaßnahmen im Wohnungsbau.

"Angesichts negativer Geschäftserwartungen und ungünstiger Rahmenbedingungen wird der Trend der sinkenden Baugenehmigungen und Baufertigstellungen in den kommenden Jahren anhalten, das Wohnungsmarktangebot nachlassen und den Druck auf die Mieten erhöhen", heißt es in dem Gutachten.

   Viele Bauvorhaben laut Feld nicht mehr rentabel 

Für den Ökonomen Lars Feld, Mitglied im Rat der Immobilienweisen, ist die Entwicklung der Auftragseingänge beim Wohnungsbau "alarmierend". Subventionen für den Sektor sieht er skeptisch, vielmehr müssten Rahmenbedingungen, auch steuerliche und regulatorische Vorschriften, verbessert und mehr Innovationen in dem Sektor generiert werden.

"Es macht für die Bauwirtschaft keinen Sinn zu investieren", sagte er auf der gemeinsamen Pressekonferenz. "Aufgrund erhöhter Baukosten und Finanzierungsschwierigkeiten, ausgelöst durch das höhere Zinsniveau, sind viele Bauvorhaben nicht mehr rentabel und werden zurückgezogen."

   Bauwirtschaft warnt vor Bankrott durch Bauen 

Bauen ist nach Ansicht des Präsidenten des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), Andreas Mattner, aktuell praktisch unmöglich geworden. Bis 2027 würden 830.000 Wohnungen in Deutschland fehlen, obwohl Wohnungen ein hoch gefragtes Gut seien.

Eine "Schwarze Null" bei Wohnungsneuentwicklungen würde man erst bei einer Durchschnittsmiete von 21 Euro erzielen, was nicht möglich sei. "Wer also baut, geht bankrott", warnte Mattner auf einer Pressekonferenz in Berlin, wo das Gutachten vorgestellt wurde. "Wir sind in Deutschland auch beim Bauen nicht mehr wettbewerbsfähig."

Er warf dem Staat außerdem vor, beim Bauen eine "fette Beute" zu machen und forderte einen temporären Verzicht auf die Grunderwerbsteuer sowie ein KfW-Programm, das die Marktzinsen auf 2 Prozent reduziert. Er rief auch den Bundesrat auf, dem Wachstumschancengesetz mit der degressiven AfA zuzustimmen.

   Schwache Bauwirtschaft laut Geywitz ein Grund für schwache Gesamtkonjunktur 

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) betonte die Bedeutung der Baubranche, die fast 20 Prozent der Bruttowertschöpfung ausmacht. Die dortige schwierige Lage sei auch einer der Gründe dafür, dass die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr deutlich zurücknehmen werde.

"Ich bin davon überzeugt, dass nur wenn die Baukonjunktur wieder anspringt, dann auch wieder in einer größere Höhe des Wirtschaftswachstums insgesamt kommen", sagte Geywitz auf der gemeinsamen Pressekonferenz. Sie erwartet, dass in Deutschland 2024 in etwa genauso viele Wohnungen fertiggestellt würden wie 2023, auch aufgrund der Bauüberhänge. Mit Blick auf die Baugenehmigungen erwartet sie erst wieder Besserungen für 2025.

Geywitz sagte auf der gemeinsamen Pressekonferenz, dass es auch Hoffnungszeichen gebe. So seien die Bauzinsen etwas gesunken und bei vielen Baumaterialien zeichne sich wieder eine Normalisierung der Preise ab. Auch verzeichneten die Bürger reale Einkommenszuwächse.

Die Ministerin wies zudem den Vorwurf des ZIA zurück, dass der Staat fette Beute mache mit der Gewerbesteuer, denn Länder und Kommunen benötigten die Einnahmen, um Daseinsvorsorge zu betreiben. Hohe Subventionen für die Baubranche sieht sie skeptisch.

   Langsame Belebung im Wirtschaftsbau 

Bei den Wirtschaftsimmobilien dürfte den Immobilienweisen zufolge dieses Jahr besser werden als der deutliche Einbruch bei dem Transaktionsvolumen von 56 Prozent im Jahr 2023. "Die aufgrund des veränderten Kapitalmarktumfelds notwendigen Preisanpassungen werden zum Jahresende 2023 weitgehend abgeschlossen sein. 2024 werden nur noch geringe Renditeanstiege und eine langsame Belebung der Investmentmärkte erwartet", heißt es in dem Gutachten.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/jhe

Copyright (c) 2024 Dow Jones & Company, Inc.