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10:13 Uhr, 18.12.2023

IMK: 2024 droht BIP-Rückgang um 0,3 Prozent - ebenso wie 2023

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat seine Prognose für die Entwicklung des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) im kommenden Jahr deutlich gesenkt. Das Institut erwartet nun für 2024 eine Schrumpfung des BIP um 0,3 Prozent, nachdem es bisher von einem Wachstum um 0,7 Prozent ausging. Für das laufende Jahr erwartet das IMK hingegen, dass das BIP mit ebenfalls 0,3 Prozent Rückgang weniger stark schrumpft als zuvor mit minus 0,5 Prozent vorhergesagt. Die Revision gehe aber vor allem darauf zurück, dass das Statistische Bundesamt die Daten für die Quartale der ersten Jahreshälfte nachträglich minimal höher angesetzt habe.

Bei weiter abnehmender Inflation erhole sich zwar im kommenden Jahr der private Konsum wieder etwas. Diese positive Entwicklung könne aber negative Impulse vom Bau, den Anlageinvestitionen und aus dem Außenhandel nicht kompensieren. Bleibe es bei diesem Szenario, steige die Arbeitslosigkeit im Jahresmittel 2024 spürbar um 200.000 auf rund 2,61 Millionen Menschen. Das entspreche einer Quote von 5,7 Prozent. Für 2024 veranschlagt das IMK eine weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit auf 2,85 Millionen Personen und eine Quote von 6,2 Prozent.

Die Inflationsrate werde im Jahresdurchschnitt 2023 noch hohe 5,9 Prozent betragen, im kommenden Jahr aber weiter deutlich sinken und mit jahresdurchschnittlich 2,5 Prozent wieder relativ nahe am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen. Zwar wirkten zu Jahresbeginn der höhere CO2-Preis, das Auslaufen der Energiepreisbremsen und die Normalisierung des Mehrwertsteuersatzes in der Gastronomie noch einmal preistreibend, sodass der Rückgang der Inflationsrate zumindest gebremst werde. Ab März setze sich der Sinkflug dann aber konsequent fort.

   Umfrage belegt trübe Aussichten 

"Die Finanzpolitik der Bundesregierung dürfte mit dem Haushaltskompromiss der vergangenen Woche dazu beitragen, dass die deutsche Wirtschaft auch im kommenden Jahr leicht schrumpft", betonte das Institut. Kürzungen bei den Staatsausgaben, höhere Abgaben und die zusätzliche Unsicherheit über die weitere Förderung von Klimaschutzprojekten dürften den bremsenden Effekt von hohen Zinsen und verhaltener Entwicklung der Weltwirtschaft verstärken. Neue Werte des IMK-Konjunkturindikators unterstrichen die trüben Aussichten: Für den Drei-Monats-Zeitraum bis Ende Februar 2024 signalisiere das Instrument ein Rezessionsrisiko von knapp 70 Prozent.

Die privaten Konsumausgaben sinken nach der Prognose 2023 real um 1,0 Prozent. 2024 erholen sie sich demnach wieder etwas, nehmen mit 0,6 Prozent Wachstum aber nur moderat zu. Die Ausrüstungsinvestitionen entwickeln sich laut IMK-Prognose 2023 noch robust und steigen um 3,9 Prozent. Im kommenden Jahr bricht der positive Trend demnach aber ab und sie wachsen nur minimal um 0,1 Prozent, auch weil Unternehmen mit Ausgaben abwarten würden, so lange Unsicherheit über den öffentlichen Investitionskurs herrsche.

Die Bauinvestitionen dürften wegen erhöhter Kosten und Zinsen weiter einbrechen. Nach einem Rückgang um 1,8 Prozent 2023 fallen sie nach der Prognose 2024 sogar um jahresdurchschnittlich 5,1 Prozent zurück. Die deutschen Ausfuhren sinken 2023 laut IMK um 2,3 Prozent. Trotzdem leiste der Außenhandel per Saldo rechnerisch einen kleinen positiven Wachstumsbeitrag, weil die Importe jahresdurchschnittlich noch stärker um 3,0 Prozent sänken. 2024 würden die Exporte geringfügig um 0,1 Prozent zurückgehen und die Importe minimal um 0,1 Prozent zunehmen.

   Budgetplanungen haben negative Effekte 

"Der von der Bundesregierung als Kompromiss vorgelegte Haushaltsentwurf ist zwar kein brachialer Austeritätshaushalt. Er kürzt aber Ausgaben an verschiedenen Stellen und beinhaltet Abgabenerhöhungen. All das hat negative Effekte auf das Wachstum", sagte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. Hinzu komme, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und die Reaktion der Regierung darauf Unsicherheit bei Unternehmen und privaten Haushalten geschürt habe, was ebenfalls das Wachstum belaste. Besser wäre es gewesen, wenn die Regierung aufgrund der wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine und des dadurch verursachten massiven Energiepreisschocks sofort erneut eine Notsituation erklärt und auf Kürzungen verzichtet hätte.

Das öffentliche Budget wird 2023 nach der Prognose ein Defizit von 1,6 Prozent aufweisen - deutlich weniger als noch im Sommer erwartet. Für das kommende Jahr geht das IMK für die öffentlichen Finanzen von einem restriktiveren Kurs aus. Das bremse die Konjunktur bei einem prognostizierten Rückgang des Defizits auf 1,0 Prozent im Jahresdurchschnitt 2024. Angesichts einer im internationalen Vergleich relativ niedrigen Staatsschuldenquote und von Haushaltsdefiziten, die selbst bei der aktuell schwachen Konjunktur moderat ausfielen, "müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht ohne Not in eine hartnäckige wirtschaftliche Schwäche manövrieren", warnte Dullien.

"Jetzt zeigt sich auch, wie ungeeignet die Schuldenbremse für die Herausforderungen der aktuellen Zeit ist. Statt einfach einen Haushalt aufstellen zu können, der den konjunkturellen und transformativen Herausforderungen angemessen ist, gibt es jetzt lange Diskussionen um mögliche Erklärungen für Notsituationen", meinte er. Wichtig sei, nun Spielräume und Planungssicherheit auch für die Jahre nach 2024 zu schaffen. "Ein denkbarer Weg wäre die Einrichtung eines Sondervermögens, um die nötigen öffentlichen Investitionen für das kommende Jahrzehnt sicherzustellen", erklärte der Chef des IMK.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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