Im Mai verkaufen? Keine gute Idee
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Mitte Mai mögen Anleger versucht sein, sich an die alte Börsenweisheit „Sell in May“ zu halten. Da die Marktentwicklung in diesem Jahr in erster Linie von geopolitischen Faktoren sowie Bereinigungen der Investment-Portfolios geprägt war, ist durchaus vorstellbar, dass die alte Faustregel, wonach im Sommer Vorsicht walten soll, wieder aktuell wird.
Man sollte jedoch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Zunächst einmal ist festzustellen, dass Anlagen, die noch Ende letzten Jahres unpopulär waren, sich in diesem Jahr bisher gut gehalten haben. Das betrifft vor allem Rohstoffe, Immobilien, Emerging Markets, Bundesanleihen und Treasuries. Demgegenüber haben Assets, die sich bei Anlegern recht großer Beliebtheit erfreuen, vergleichsweise schlecht abgeschnitten. Hier seien vor allem Aktien genannt. Unserer Einschätzung nach wurden Positionskonzentrationen bereits weitgehend abgebaut. Hinzu kommt, dass sich die Anlegerstimmung mittlerweile normalisiert hat. Nachdem die positiven Werte zu Beginn des Jahres ihren höchsten Stand seit drei Jahren – also nahezu das Niveau vom Ende der 1990er Jahre – erreicht hatten, hat sich die Euphorie in der Zwischenzeit doch deutlich gelegt.
Gleichzeitig sind die Rahmendaten für risikoreiche Assets unverändert positiv. Tatsächlich ist die Prognosesicherheit im Hinblick auf den globalen Konjunktur- und Ertragszyklus sogar gestiegen. Die wetterbedingten Verzerrungen der Konjunkturdaten an den entwickelten Märkten lassen allmählich nach, während der Aufwärtstrend in der „Old Economy“ sich zunehmend verstärkt. Im März kletterte der Leitindex, der die Geschäftsklimaindizes der USA, Deutschlands, Japans und der Länder von der Euro-Peripherie abbildet, auf seinen höchsten Stand seit September 2007. Überdies legen die Ertragszahlen der Unternehmen nahe, dass die Märkte aller Industrieländer in diesem Jahr erstmals seit 2011 zweistellige Zuwachsraten schreiben werden. In den USA übertrafen rund 70 Prozent der Unternehmen die – wenn auch nicht besonders hohen – Erwartungen. Die Erwartungen für das Gesamtjahr sind zwar immer noch recht vorsichtig, doch weniger negativ als in vergangenen Quartalen. In Europa belasten das anhaltend schwache globale Wachstumsumfeld sowie der starke Euro die Ertragsdynamik.
Neben der lebhafteren Ertragsentwicklung legen die Unternehmen auch bei der Transaktionstätigkeit (Fusionen und Übernahmen) eine höhere Gangart ein. Erst kürzlich wurden gerade im Gesundheitssektor mehrere umfangreiche Deals angekündigt. Mit jährlich über 150 Milliarden US-Dollar bewegt sich das Volumen der in diesem Jahr im Health-Care-Segment angekündigten F&Ü-Transaktionen auf dem höchsten Level, seit Thomson Reuters 1980 mit der Aufzeichnung dieser Deals begann. Die Unternehmensfinanzierung findet zunehmend über Aktien statt, den gegenüber anderen Finanzierungsmöglichkeiten der Vorzug gegeben wird. Nicht zuletzt ist auch die Zunahme der IPOs ein Zeichen dafür, dass die Unternehmen das freundlichere Marktumfeld nutzen wollen. Diese Logik könnte auch das Tempo der Aktienrückkäufe verlangsamen und Unternehmen animieren, stattdessen verstärkt auf Investitionen zu setzen.
Da die Anlegerpositionierung inzwischen weniger ausgeprägt ist und auch die Stimmung weniger euphorisch, werden die Rahmendaten wohl die Funktion als wichtigster Markttreiber übernehmen. Da diese Daten – von den Emerging Markets abgesehen – in der Regel allerdings sehr beständig sind, wäre ein Richtungswechsel in unserem Investmentansatz wohl verfrüht. Kurzum: Anstatt im Mai zu verkaufen und sich vom Markt zurückzuziehen, scheint es angeraten, an unserer Übergewichtung bei Aktien, Immobilien und Spread-Produkten festzuhalten.
Autor: Valentijn van Nieuwenhuijzen, Chefstratege Multi-Asset bei ING IM
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