Ihr heutiges Advents-Türchen: Ein Artikel aus dem neuen Godmode-Buch kostenlos!
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Heute haben wir folgendes Geschenk für Sie im Gepäck:
Einen exklusiven Artikel von Jochen Stanzl aus dem neuen GodmodeTrader-Handbuch!
Das Buch können Sie hier bestellen: http://www.m-vg.de/finanzbuchverlag/shop/article/3193-das-grosse-godmode-trader-handbuch/
Viel Spaß beim Lesen!
Ihr GodmodeTrader-Team
Die Große Normalisierung
von Jochen Stanzl
Es ist auch für deutsche Anleger schon die halbe Miete, wenn sie eine Ahnung davon haben, wohin der US-Dollar in den nächsten Jahren tendieren könnte. Die US-Währung ist die Reservewährung der Welt und als solche von herausragender Bedeutung für die Bewertung nahezu aller Vermögenswerte weltweit. In der Zeit von 2001 bis 2013 befand sich der US-Dollar mit Ausnahme der Großen Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 in einer Abwärtsbewegung. Um die geplatzte Aktienblase im Jahr 2000 und ihre realwirtschaftlichen Folgen zu bekämpfen, senkte Alan Greenspan in den USA den Leitzins auf 1 %. Bis zum Jahr 2006 hatte er ihn wieder auf knapp über 5 % angehoben.
Sein Nachfolger Ben Bernanke, der im Jahr 2006 ins Amt kam, drehte jedoch abermals an der Zinsschraube, um das Platzen der Derivate- und Immobilienblase und die daraus folgenden realwirtschaftlichen Folgen zu kontern. Außerdem unternahm er zahlreiche außergewöhnliche geldpolitische Maßnahmen, die dazu führten, dass sich die in der Großen Finanzkrise entstandenen Liquiditätsprobleme des angeschlagenen Bankensektors zwar verringerten und die Börsen der Welt nicht austrockneten, allerdings verlängerte sich dadurch auch die Bilanz der US-Notenbank von rund 900 Milliarden US-Dollar im Jahr 2008 auf nunmehr rund 3,5 Billionen US-Dollar im Juli 2013.
Wer so viel Geld quasi zum Nulltarif – der Leitzins ist in den USA seit dem Jahr 2009 zwischen 0-0,25 % festgezurrt – verteilt, kann sich sicher sein, dass es angenommen wird, er weiß aber nicht, was die Marktteilnehmer, die das Geld erhalten, damit machen werden. Das billige Geld landete im Ausland, also außerhalb der Vereinigten Staaten, wo es höhere Renditen versprach, als in den USA selbst. Der US-Dollar fungierte in der Zeit von 2001 bis 2013 als Finanzierungswährung für allerlei Investitionsprojekte in der ganzen Welt. Der Außenwert des US-Dollars seit dem Jahr 2001 sank deutlich (siehe Grafik 1).
Grafik 1, BU: Außenwert des US-Dollars 1986-2013
Investoren nutzten die billigen Kredite aus den USA, um auf der ganzen Welt in aussichtsreiche Projekte zu investieren. Ob Uranminen in Südaustralien, LNG-Terminals in Panama, Chipfabriken in Taiwan oder Sojaplantagen in Uruguay – investiert wurde in alles, was hohe Renditen versprach. Dies löste in diesen Ländern, die ihres Wachstumspotenzials wegen auch Schwellenländer oder Emerging Marktes genannt werden, einen binnenwirtschaftlichen, aber fremdfinanzierten Boom aus. Da das Kapital aus dem Ausland floss, werteten die Währungen dieser Länder auf, was in vielen Fällen bereits vorhandene Handelsdefizite noch weiter wachsen ließ, da die Importe dank gestiegener Kaufkraft immer weiter zunahmen. Da ausländische Investoren sich mit hohen Renditen anlocken ließen bestand für die Politiker dieser Länder kein unmittelbarer Handlungsbedarf, an den wachsenden Handelsdefiziten etwas zu ändern. Sie ließen es zu, dass sie immer größer wurden. Nun kehrt sich dieser Prozess um. In diesem Artikel möchte ich auf die Ursachen für diese Wende eingehen und die Folgen für die Bewertung der Rohstoff-, Währungs-, Aktien- und Anleihen-Märkte beleuchten.
China: Eine Wende nach innen
Seitdem sich China im Jahr 2001 für ausländische Investitionen und den Welthandel öffnete, indem es der Welthandelsorganisation beitrat, erlebte das Land einen Wirtschaftsboom, den es in diesem Ausmaß und dieser Geschwindigkeit in der Geschichte noch nicht gegeben hat. In kurzer Zeit entstanden Hochhausschluchten dort, wo es nur Feld und Flur gab, schossen Millionenmetropolen aus dem Boden, die größer sind als New York, die aber im Westen niemand kennt. Es werden buchstäblich Berge versetzt, um den Drei-Schluchten-Damm am Jangtsekiang zu bauen und die Stromversorgung der neuen Industrie sicherzustellen, die sich entlang der chinesischen Küstenmetropolen angesiedelt hat.
In dieser Zeit wollte jedes westliche Unternehmen, das etwas auf sich hielt, Geschäfte mit den neuen Kunden aus China machen. Das Potenzial scheint unermesslich. Es gibt viele Sektoren in China, die bereits heute weitaus größer sind, als in Europa oder den USA, und noch mehr, die es morgen sein werden. Es gibt eben weitaus mehr Handybesitzer, weitaus mehr Kühlschränke, die gekauft werden und so weiter. Da jedes westliche Unternehmen in China investieren und Geschäfte machen wollte, fand in den Jahren des Booms ein immenser Technologietransfer statt. In dieser Zeit türmten sich die Währungsreserven auf über 3,5 Billionen US-Dollar auf - der Großteil davon ist in amerikanischen Staatsanleihen angelegt, die wegen des abgewerteten US-Dollars Währungsverluste erlitten, aber nur auf dem Papier. Für diesen Währungsverlust erhielt China aber Technologie aus dem Westen – und nun könnten die Verluste sogar noch zu Währungsgewinnen werden, wenn der US-Dollar beginnt, aufzuwerten.
Reiche Chinesen, die in den Jahren des Booms zu Geld gekommen sind, haben sich im Jahr 2013 aber ganz speziellen Realitäten zu stellen. Reiche Chinesen können zwar ungehindert am heimischen Aktienmarkt investieren, der befindet sich aber seit dem Jahr 2009 in einer Baisse. Denn Chinas Wirtschaft expandiert nicht mehr ungehindert – im zweiten Quartal 2013 schrumpfte das Wachstum das 13. Quartal in Folge. Die Unternehmen machen weniger Gewinne, die Kurse fallen auf breiter Front - Aktienfonds stellen also keine wirkliche Anlagealternative für chinesische Bürger dar. Das Geld einfach außer Landes zu bringen, um es dort zu investieren, ist aufgrund von Kapitalverkehrskontrollen nicht möglich. Immerhin kontrolliert Peking den Wert der eigenen Währung und lässt ihn nur in einem sehr schmalen Band gegenüber dem US-Dollar schwanken.
Bleibt noch die Investition am chinesischen Immobilienmarkt. Auf diese Idee sind viele Chinesen gekommen, die während des Wirtschaftsbooms der vergangenen Jahre große Vermögen angehäuft haben. Selbst die Regierung in Peking will eine Spekulationsblase erkannt haben, die sie bekämpfen will.
Der Regierung in Peking wird es aber vermutlich nie ganz gelingen, die Blase am Immobilienmarkt ganz zu beseitigen. Sie kann nur das Ausmaß der Spekulationsblase verwalten. Erst wenn Chinas Regierung den Yuan gegenüber dem US-Dollar frei konvertierbar machen wird, ist eine vollständige Bereinigung am Immobilienmarkt denkbar. Erst dann kann das Geld, das in China gefangen ist, auch im Ausland investiert werden. Somit ist selbst der Immobilienmarkt keine ernsthafte Alternative mehr für wohlhabende Chinesen, die ihr Geld investieren möchten. Also warum nicht etwas Gold kaufen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass viele wohlhabende Chinesen in Massen Gold kaufen, seitdem der Preis im zweiten Quartal 2013 deutlich gefallen ist. Das ist jedoch wohl in vielen Fällen keine allzu freiwillig getroffene Entscheidung. Ein wohlhabender Chinese, der sein Geld anlegen möchte, hat einfach keine anderen sinnvollen Alternativen. Er kann sein Geld nicht außer Landes investieren, da Kapitalverkehrskontrollen bestehen. Ohne eine freie Handelbarkeit des Yuan bleibt das Geld in China gefangen. Es wäre vor diesem Hintergrund aus meiner Sicht eine negative Nachricht für Gold, sollte sich China zu einer freieren Handelbarkeit der eigenen Währung bekennen. Dann könnten Chinesen auch freier im Ausland investieren.
Die globale Nachfrage sinkt
Die Schuldenkrise in den Industrieländern hat sich zu einer Systemkrise ausgewachsen. Eine Systemkrise besteht aus einer Solvenz- und einer Liquiditätskrise. Dank der Politik des billigen Geldes konnte die Liquiditätskrise behoben werden. Banken waren durch die Geldspritzen der Zentralbanken nicht mehr dazu gezwungen, Notverkäufe ihrer Vermögenswerte – etwa großer Aktienpakete – durchzuführen. Die beiden LTRO-Programme der EZB waren im Kern ein Tauschgeschäft – Vermögenswerte gegen Liquidität. Bei aller Macht sind die Zentralbanken jedoch nicht in der Lage, die Solvenzkrise des Privatsektors zu beheben. Gerade der Finanzsektor verhält sich seit dem Jahr 2008 restriktiv, Bilanzen werden verkürzt, Sparmaßnahmen durchgesetzt. Die Kreditvergabe sinkt und dadurch das Wachstum der gesamten Volkswirtschaft. Da die reichen Kunden in den Industrieländern sparen, gerät die gesamte weltweite Wertschöpfungskette, die in der vergangenen Dekade auf anhaltende Boom-Zeiten getrimmt wurde, ins Wanken. Dass die Politik des billigen Geldes der US-Notenbank und anderer nationaler Zentralbanken bislang nicht zu einer größeren Inflation in der Realwirtschaft geführt hat, liegt vor allem an diesen Überkapazitäten, die weltweit aufgebaut wurden, da Unternehmer sich nicht vorstellen konnten, dass der Boom einmal enden wird. Ganz im Gegensatz dazu entstand eine hohe Preissteigerung am Markt für Vermögenswerte, die relativ knapp sind, etwa Aktien. In der Phase der Great Moderation, die in den 80er Jahren begann, ging man in Zentralbankkreisen davon aus, mit moderner Geldpolitik Preise und Wachstum stabil halten zu können. Das böse Erwachen kam im Jahr 2008 und 2009, als plötzlich klar wurde, dass selbst jene Ereignisse, die jeder für unwahrscheinlich hält (damit sind fallende Immobilienpreise in den USA gemeint) schließlich eintreten werden.
Es begann eine noch nie da gewesene weltweite Rettungsaktion, die dazu führte, dass in nur fünf Jahren in den wichtigen Wirtschaftszentren die öffentlichen Schulden und die Bilanzen der Zentralbanken in der Summe um über 33,5 Billionen US-Dollar wuchsen. Das Ergebnis dieser Politik ist bis auf die Tatsache, dass dadurch die Pleite von vielen Banken und Finanzinstituten vermieden werden konnte, ernüchternd: Die Wirtschaftsleistung wuchs in diesen fünf Jahren in den wichtigen Wirtschaftszentren in der Summe lediglich um 3 Billionen US-Dollar. Da der Teil der Systemkrise, die von den Zentralbanken gelöst werden kann – die Liquiditätskrise – behoben ist, die Solvenzkrise aber fortbesteht, ist auch in den kommenden Jahren nicht mit großen Wachstumssprüngen in den entwickelten reichen Industriestaaten auszugehen. Dennoch ist gerade in der Eurozone durch die Behebung und Beendigung der Liquiditätskrise das gesamtwirtschaftliche Extremrisiko eines Zusammenbruchs des Währungsverbandes gesunken. Das Wachstum wird jedoch niedrig bleiben. Diese Wachstumsschwäche wirkt sich weltweit aus. Das brasilianische BIP-Wachstum, das im Jahr 2010 noch bei 7,5 % lag, verlangsamte sich auf 2,7 % im Jahr 2011 und auf 0,9 % im Jahr 2012, Indiens Wachstumsraten verringerten sich im gleichen Zeitraum von 10,5 % auf 3,2 %, jene Singapurs von 14,8 % auf 1,3 %. Der Boom geht zu Ende. Diese Länder erlebten einen binnenwirtschaftlichen, aber fremdfinanzierten Boom und die ausländischen Investoren, die ihn erzeugten, ziehen ihr Kapital wieder ab.
Die USA: Als erstes aus der Krise?
Die US-Notenbank unternahm früher als andere Zentralbanken Gegenmaßnahmen, als die Große Finanzkrise begann und sie wird früher als andere Zentralbanken einen Exit aus ihren ungewöhnlichen geldpolitischen Maßnahmen finden. Die Bedingungen sind reif für eine Trendumkehr. Das fiskalpolitische Defizit der USA ist immer noch beträchtlich, hat sich jedoch gegenüber -10,5 % im Jahr 2009 auf -5,7 % im Jahr 2013 verbessert, was auf gedrosselte Ausgaben und gestiegene Steuereinnahmen zurückzuführen ist (Das Fiskaljahr der US-Regierung erstreckt sich vom September bis zum August des Folgejahres). Das Congressional Budget Office rechnet bis zum Jahr 2015 mit einer Verringerung des fiskalpolitischen Defizits auf -2,1 %.
Den USA kommt zudem der erfolgreiche Einsatz neuer Technologien zur Förderung von Naturgas und Erdöl aus Schiefergestein zu Gute. Sie ermöglicht den USA, die Stromerzeugung zu vergleichsweise günstigen Kosten zu erhöhen und somit die Wirtschaftserholung zu unterstützen. Außerdem können die Vereinigten Staaten dadurch ihr Energiehandelsdefizit verringern, das sich auf 40 % der gesamten Handelsbilanz beläuft. Auf diesem Weg kann die Leistungsbilanz verbessert werden. Ein Defizitabbau in den USA und anderen Industrieländern verringert die Nachfrage zusätzlich, was durch einen Nettohandelsrückgang die Schwellenländer belastet und deren Währungen gegenüber dem US-Dollar schwächt. Der Immobilienmarkt, der lange Jahre das Wachstum bremste, hat die Krise hinter sich gelassen und wächst wieder.
Dies führt dazu, dass die USA dynamischer aus der Krise kommen könnten und die US-Notenbank, wenngleich sie betonte, den Leitzins noch für lange Zeit auf einem niedrigen Niveau belassen zu wollen, könnte früher als andere Notenbanken einen Ausstieg aus dem Programm zur geldpolitischen Lockerung zu unternehmen. Der US-Dollar könnte vor einer Phase der Aufwertung stehen.
Umwälzungen am Ölmarkt
In den Industrieländern ist Sparen angesagt: Das Wachstum in der Eurozone stagniert, in den USA entwickelt es sich zwar dynamischer, aber hier wachsen die Bäume auch nicht in den Himmel. Einige Schwellenländer wie Australien bereiten sich auf eine Rezession vor. Eigentlich sollte das doch zu fallenden Ölpreisen führen. Warum der Preis für ein 159-Liter-Fass des fossilen Brennstoffs dennoch beharrlich über der 100-Dollar-Marke bleibt, liegt maßgeblich am Verhalten der OPEC.
Eigentlich könnte das Kartell im dritten Quartal 2013 2,6 Millionen Barrels pro Tag zusätzlich fördern. Das amerikanische Energieministerium schätzt, dass es bis zum Jahr 2014 sogar 4,5 Millionen Barrels pro Tag sein könnten. Würde die OPEC diese Mehrförderung umsetzen, wäre es wahrscheinlich, dass Öl weniger als 100 USD/Barrel kosten würde. Diesen Preis sieht die OPEC seit dem Jahr 2011 als Untergrenze an. Dies liegt freilich nicht im Interesse der OPEC. Vor allem Saudi Arabiens Könighaus äußerte sich in den vergangenen Jahren kritisch gegenüber der expansiven Geldpolitik der US-Notenbank. Sie schwäche die Kaufkraft der Petro-Dollars, die für den Verkauf von Öl bezahlt würden. Gerüchten zufolge spielen dabei aber ganz andere, viel unmittelbarere Gründe eine Rolle. Saudi Arabiens Könighaus benötigt einen Mindestpreis für ein Barrel Öl, um seinen eigenen Haushalt ausgleichen zu können. Dieser Mindestpreis lag im Jahr 2005 noch bei 30 USD pro Barrel, im Jahr 2015 könnte er schon 110 USD erreicht haben, schätzt das Institute of International Finance. Autobesitzer auf der ganzen Welt als Financier des saudischen Haushalts? Jedenfalls gelang es der OPEC in den Jahren 2011 und 2012, ihre wiederholt kommunizierte Untergrenze von 100 USD pro Barrel im Preis von Brent Crude Oil zu verteidigen. Diese Untergrenze kann als natürliche Unterstützung im Ölpreis verstanden werden. Taucht der Preis darunter, macht es Sinn, Öl zu kaufen, also auf einen steigenden Preis zu setzen. Denn man kann sich sicher sein, dass Saudi Arabien, das über den Großteil der ungenutzten Kapazitäten von rund 2,5 Millionen Barrels/Tag (Stand: Juni 2013) verfügt, sofort zu Produktionssenkungen greifen wird, um die Preise wieder über 100 USD zu bewegen.
Es geht um richtig viel Geld. Die OPEC hat im Jahr 2012 nach Schätzungen des amerikanischen Energieministeriums 982 Milliarden USD verdient – 311 Milliarden USD davon entfallen alleine auf Saudi Arabien. Noch nie zuvor hat das Kartell dermaßen viel eingenommen. Dies stellt einen gigantischen Vermögenstransfer von den Nationen, die Erdöl importieren, zu denen dar, die das Öl exportieren. Jahr für Jahr wuchs dieser Vermögenstransfer und damit die Belastung auf die Haushalte der Öl importierenden Nationen weiter an, nun scheint aber eine Kehrtwende eingeleitet zu sein. Das liegt vor allem an den USA. Dank erfolgreichem Einsatz neuer Technologien können die Vereinigten Staaten Naturgas und Erdöl kostengünstig aus Schiefergestein gewinnen. Diese Entwicklung könnte die Energiehandelsdefizite der USA, die zu 40 % zur Handelsbilanz beitragen, verringern. Einige Marktbeobachter glauben, dass die USA bis zum Jahr 2020 sogar vollständig unabhängig von Ölimporten werden könnten. Die Situation trifft viele unerwartet. Auch die OPEC muss sich darauf einstellen, dass ihre Macht in den nächsten Jahren schwinden wird. Das amerikanische Energieministerium schätzt, dass die OPEC-Einnahmen im Jahr 2014 nur noch bei 940 Milliarden USD liegen werden. Bis zum Jahr 2015 sollen sie auf 903 Milliarden USD gesunken sein.
Der Öl-Boom stellt auch die amerikanische Ölindustrie vor neue Herausforderungen. Sie traf die plötzlich steigende Produktion unerwartet. Der Verteilungsknoten im texanischen Cushing, an dem alle wichtigen Öltrassen der USA zusammenlaufen, war durch die plötzlich gestiegene Produktion schnell überfüllt, die Lager erreichten ihr Maximum. Um die Ölpumpen überhaupt weiter betreiben zu können musste sich daran möglichst schnell etwas ändern. So wurden neue Transportmöglichkeiten entwickelt, was allerdings einige Zeit dauerte. Das Resultat war, dass sich in der Zwischenzeit der amerikanische Ölpreis vom Weltmarktpreis von Erdöl komplett abkoppelte. Im Sommer des Jahres 2011 kostete ein Barrel amerikanisches Öl zeitweise 26 USD weniger, als ein und dieselbe Menge Brent Crude Oil. Anfang August 2013 hatte sich diese Differenz auf rund zwei USD pro Barrel verringert, da neue Transportinfrastruktur das Überangebot im texanischen Cushing endlich verringern konnte. Heute wird WTI, die amerikanische Ölsorte, die an der New Yorker Warenterminbörse NYMEX gehandelt wird, jedoch nicht mehr als weltweiter Referenzölpreis betrachtet. Vielmehr nimmt diese Rolle heute das Brent-Öl ein. Das WTI wird eher als Spiegelbild für die Angebots- und Nachfragesituation am amerikanischen Binnenmarkt angesehen.
Das Brent-Öl reagiert sehr stark auf steigende oder fallende Risiken für geopolitische Ereignisse, die sich vor allem im Nahen Osten zutragen könnten. Nachdem der neue iranische Präsident ankündigte, seine Politik freundliche gegenüber den westlichen Nationen gestalten zu wollen, tat sich quasi zur selben Zeit ein neuer Krisenherd in Ägypten auf. Wer sich also gegen geopolitische Risiken absichern möchte, sollte einer Long-Position in der Nordseeölsorte Brent den Vortritt gegenüber der US-Ölsorte WTI geben.
Exkurs
Das Öl von morgen
Israel verfügt über riesige Vorkommen an Ölschiefer – genauso wie die USA, jedoch – wenn die Schätzungen stimmen, um weitaus größere Mengen. Die Reserven könnten größer sein als jene Saudi Arabiens. Das war bislang bekannt. Die Technologie fehlte aber, um den Ölschiefer zu fördern. Die USA setzen die Technologie zur Förderung von Schieferöl und Schiefergas seit dem Jahr 2005 erfolgreich ein. Zu den Investoren und Beratern des israelischen Unternehmens, das die Schiefervorkommen des Landes heben könnte, zählen Lord Jacob Rothschild, der Medienzar Rupert Murdoch und der ehemalige Vizepräsident der USA, Dick Cheney. Zum Ölschiefer kommen immense Vorkommen an Erdgas. Sie entsprechen ungefähr der Hälfte der Vorkommen der USA. Wird Israel eine neue Energie-Supermacht?
Israel will bei der Förderung des Ölschiefers eine etwas abgeänderte Form des Hydraulic Fracturing, kurz Fracking, anwenden, die bereits erfolgreich für die Förderung von Gasschiefer auf der ganzen Welt angewandt wird. Dabei werden die Gesteinsschichten, in denen Ölschiefer vermutet wird, auf 325 Grad Celsius erhitzt, um die Kohlenstoffverbindungen aufzutrennen. Zwar ist die diese Tiefbohrtechnik, das Fracking, bei der durch das Einpressen eines Fracfluides in eine Bohrung an dieser künstliche Risse erzeugt werden, umstritten. Doch wird sie im großen Stil in den USA angewandt.
Das Öl, das mit diesem Prozess gehoben werden kann, ist leichtes Öl, das günstig raffiniert werden kann – günstiger, als das schwere Öl, das sich zum Beispiel im Manifa-Erdölfeld befindet, mit dem Saudi Arabien in den nächsten zehn Jahren seine Förderleistung erhöhen will.
Die United States Geological Survey (USGC) brachte im Oktober 2010 einen Bericht heraus, wonach vor der Küste Ägyptens mehr als 120 Billionen Kubikfuß Erdgas schlummern würden. Der Großteil des Vorkommens liege auf israelischem Hoheitsgebiet. Mehrere Monate nach dem Bericht des USGC wurden weitere 8,7 Billionen Kubikfuß Erdgas und kurz danach ein weiteres Feld mit doppelter Größe vor der israelischen Küste gefunden. Die westlichen Konzerne hätten jahrelang die Vorkommen ignoriert, da sie die arabischen Ölstaaten nicht verärgern wollten, indem sie mit Israel zusammenarbeiten, berichtet die Webseite „Economy Watch.“ Die nun gefundenen Vorkommen sind jedoch immer noch klein verglichen mit den rund 250 Billionen Kubikfuß an Vorkommen im Iran und ebenso großen Vorkommen in den USA. Sie würden Israel – einem kleinen Staat mit geringem Eigenbedarf – jedoch ermöglichen, ein nennenswerter Nettoexporteur von Erdgas zu werden.
An der Spitze des Projekts, Israel zu einem der weltweit führenden Energieexporteure zu machen, steht der frühere leitende Wissenschaftler von Royal Dutch Shell, Dr Harold Vinegar. Er ist ein hochdekorierter Wissenschaftler, auf dessen Namen insgesamt 266 Patente registriert sind. Israel Energy Initiatives, kurz IEI, wo Vinegar jetzt als leitender Wissenschaftler fungiert, ist ein Start-Up, das jetzt an dem Projekt arbeitet, Erdgas aus Schiefervorkommen auf einer Fläche von 238 Quadratkilometern im Shfela-Becken zu extrahieren. Die Vorkommen liegen südlich und westlich von Jerusalem. Der große Wurf soll aber gelingen mit dem Abbau von Ölschiefer auf dem Festland Israels. Dabei soll die neue Fracking-Technologie helfen.
Vinegar behauptet, dass Israel über die drittgrößten Ölschiefervorkommen der Welt verfügt. 250 Milliarden Barrels Öl könnten in Israel auf diesem Wege gefördert werden. Ein Vergleich: Saudi Arabien, das sich mit Russland abwechselnd den Titel als größter Ölproduzent der Welt teilt, verfügt über 260 Milliarden Barrels, wobei unter anderem Wikileaks-Depeschen darauf hindeuten, dass diese Zahl manipuliert wurde, um innerhalb der OPEC möglichst hohe Förderquoten zugeteilt zu bekommen. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass die Grenzkosten der Produktion des israelischen Ölschiefers bei 35-40 Dollar liegen. Wie Vinegar es formuliert: „Das ist günstiger als das Öl in unwirtlichen Gegenden wie der Arktis abzubauen, wo mit Kosten in Höhe von 60 Dollar pro Barrel gerechnet werden muss.“ Und: „Die israelischen Vorkommen waren schon immer bekannt, sie wurden nie ernstgenommen. Bis jetzt hatte man nie vermutet, dass es eine Technologie geben wird, um sie fördern zu können.“ Nun hat man es offenbar herausgefunden, wie man an Ölschiefer kommt: Das Gestein im Zielgebiet wird durch spezielle Heizverfahren auf 325 Grad Celsius erhöht, um die Kohlenstoffverbindungen aufzutrennen. Das Öl, das mit diesem Prozess gehoben werden kann, ist leichtes Öl, das günstig raffiniert werden kann – günstiger, als das schwere Öl, das jetzt in Saudi Arabien neu gefunden wurde.
Wem gehören die Anteile? Hier wird es spannend. IEI ist ein Tochterunternehmen von Genie Energy, und Genie Energy ist wiederum eine Tochter des US-amerikanischen Telekommunikationskonzerns IDT Corp. Am 15. November 2010 verkündete Genie Energy, dass Lord Jacob Rothschild und der Medienmogul Rupert Murdoch sich mit insgesamt 5,5 % oder spottbilligen 11 Millionen Dollar an Genie beteiligten. In anderen Worten: Genie Energy ist mit 200 Millionen Dollar bewertet. Genie Energy ist nun noch mit 89 % an IEI beteiligt und hält außerdem die American Shale Oil Corporation, die mit 50 % an American Shale Oil, LLC, beteiligt ist, einem Joint Venture für die Ölschiefergewinnung in Colorado, das gemeinsam mit Total, S.A., betrieben wird.
Exkurs Ende
Das Ende des Superzyklus?
Zur Überraschung vieler Marktbeobachter führten die hohen Ölpreise im Sommer 2008 von nahezu 150 USD pro Barrel mit einer zeitlichen Verzögerung von nur wenigen Jahren zu einer deutlichen Ausweitung der amerikanischen Ölproduktion. Eigentlich hatte man bis dahin angenommen, dass die weltweite Ölförderung dem Beispiel der amerikanischen Ölförderung folgen und entsprechend nach einem möglicherweise im zweiten oder dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts einmal erreichten Hochpunkt nur noch fallen wird. Auch die amerikanische Ölproduktion wuchs – erst stark, dann flacher, bis sie im Jahr 1970 einen Hochpunkt bei nahezu 10 Millionen Barrels pro Tag erreichte. Bis zum Jahr 2008 war sie auf die Hälfte dessen gesunken. Nur sechs Jahre später, also bis zum Jahr 2014 könnte sie Prognosen der Internationalen Energieagentur EIA wieder auf rund acht Millionen Barrels täglich gestiegen sein, um dann weitere sechs Jahre später einen neuen Rekordstand zu erreichen. In nur 12 Jahren könnten die Amerikaner also ihre Ölindustrie wieder auf den Stand der 1970er Jahre bringen. Es sind vor allem ökologische Bedenken, die im Rest der Welt die Förderung von Öl und Gas aus Schiefergestein bislang verhindern. Die Entwicklung der amerikanischen Ölproduktion ist jedoch ein gutes Beispiel für die Reagibilität des Angebots auf starke Veränderungen der Preise. Steigen sie stark an, sind Unternehmen – bestehende und neue – in der Lage mit teilweise exorbitanten Gewinnaussichten Produktionsstätten zu erschließen. Bei einjährigen oder unterjährigen Rohstoffen wie dem Zucker, der in Form von Rüben und Zuckerrohr mehrmals im Jahr geerntet werden kann, erfolgt eine solche Angebotsreaktion sehr schnell. Neben diesen Rohstoffen gibt es noch die mehrjährigen Rohstoffe, wozu vor allem die Metalle, aber auch der Energiesektor in großen Teilen zählen. Wenn die Preise an den Börsen für Erze und raffinierte Metalle gut stehen, braucht es mehrere Jahre, normalerweise zwischen 6-10 Jahren, bevor eine Mine erschlossen ist und in Produktion gehen kann. Es gibt also eine entsprechend lange zeitliche Verzögerung von der Preishausse bis zur tatsächlichen Angebotsreaktion. Eine Hausse vollzieht sich bei Rohstoffen immer in der gleichen Abfolge: Die Nachfrage steigt stark an oder das Angebot geht zurück und es kommt zu einer Mangelversorgung des Marktes. Der Preis steigt so lange, bis genügend Nachfrager dem Markt fern bleiben, etwa weil sie ein Substitut gefunden haben, das günstiger ist. Die Industriemetalle haussierten in den Jahren 2005 und 2006, Erdöl im Jahr 2008, die Getreidepreise vom Jahr 2006 bis 2008 und das Gold bis zum Jahr 2011. Der Preiseinbruch des Jahres 2008 im Zuge der Finanzkrise erstreckte sich auf alle Rohstoffe – mit Ausnahme des Goldes, das nach einem ersten Abverkauf weiter haussierte. Im Jahr 2013 sind viele Rohstoffe auf dem Niveau ihrer Produktionskosten angelangt – bei einigen, wie dem Gold, gibt es aus charttechnischer Sicht Brüche von langfristigen Unterstützungsmarken. Das Angebot steigt und reagiert damit auf die Preise, die viele Jahre zuvor schon sehr stark angestiegen sind. Das Angebot steigt also, und eine dynamische Entwicklung der Rohstoffnachfrage ist angesichts der eher trüben Wachstumsaussichten für die Weltwirtschaft eher nicht zu erwarten. Das ist bärisch für den Rohstoffsektor. Der US-Dollar könnte haussieren und bis zum Ende des Jahrzehnts, getragen von einer steigenden amerikanischen Energieproduktion, einer Erholung am amerikanischen Häusermarkt und einem auslaufenden Programm zur geldpolitischen Lockerung, deutlich ansteigen. Da bis auf wenige Exoten fast alle Rohstoffe in US-Dollar gehandelt und fakturiert werden, ist das eine bärische Entwicklung. Die US-Dollar-Schwäche seit dem Jahr 2001 war ein maßgeblicher Treiber für die Hausse bei den Rohstoffpreisen.
Die Große Rotation
Die Große Rotation ist in den USA, aber auch in Deutschland im Jahr 2013 ein großes Thema. Vereinfacht dargestellt geht es dabei um die Rotation von Kapital vom Anleihen- in den Aktienmarkt. Freilich ist das nicht ganz korrekt, denn es gibt zu jedem erdenklichen Zeitpunkt einen bestimmten Cash-, Anleihen- und Aktienstock, dessen relative Renditen sich an das jederzeit vorliegende Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage anpassen. Einzelne Anleger sind nicht dazu in der Lage, von einem in den anderen Markt umzuschichten, der aggregierte Markt ist dazu jedoch fähig. Die Tatsache, dass Anleger im Jahr 2013 stark in Anleihen investiert sind, spiegelt also vor allem das hohe Angebot an Anleihen wider. Tatsächlich wuchsen die Staatsschulden in den großen Wirtschaftszentren seit dem Jahr 2008 in der Summe um über 25 Billionen USD an. Der Aktienmarkt ist hingegen seit dem Platzen der Internetspekulationsblase im Jahr 2000 immer weiter geschrumpft. Das liegt daran, dass es weniger Börsengänge gab. Außerdem nutzten viele Unternehmen ihre wachsenden Barreserven, um Aktienrückkaufprogramme zu finanzieren. Die geldpolitischen Programme der amerikanischen Zentralbank zielen auf eine Neuausrichtung der Portfolios der Marktteilnehmer ab. Dies wird dadurch versucht, dass die Renditeerwartungen für sichere Staatsanleihen gedämpft werden, sodass Marktteilnehmer gezwungen sind, sich entlang der Risikokurve aufwärts zu bewegen, sprich etwa in die relativ „knappen“ Aktien zu investieren. Der dadurch erzeugte Wohlstandseffekt – so die Hoffnung – soll dann die Wirtschaft stimulieren. Die Hausse bei US-Staatsanleihen könnte zyklisch betrachtet eine typische zeitliche Ausdehnung von etwa 30 Jahren erreicht haben und reichte von einem absoluten Zinshoch im September 1981 bei 15,59 % bis zu einem absoluten Zinstief im Juli 2012 bei 1,39 %.
BU: Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen 1962-2013
Fazit
Ich bin vor dem Hintergrund des gerade Geschriebenen optimistisch, was die weitere Entwicklung bei europäischen und US-amerikanischen Aktien anbelangt. Der DAX hat ein technisches Potenzial, das im Extremfall bis 23.000 Punkte reichen kann. Der amerikanische Standard & Poor’s 500 Index kann bis zum Ende des Jahrzehnts theoretisch bis 3.500 Punkte ansteigen – im Dow Jones liegt das entsprechende Kursziel bei 31.000 Punkten. Im japanischen Nikkei 225 halte ich einen Anstieg bis auf 26.500 Punkte nicht für ausgeschlossen und der Außenwert des US-Dollars (US-Dollar-Index-Future) hat das Potenzial, das alte Hoch aus dem Jahr 2000 bei 119 Punkten wieder zu erreichen. Auf der anderen Seite rechne ich mit einer beginnenden Baisse bei Rohstoffen. Dazu zählt auch das Gold, das sich schlechter entwickeln wird als der amerikanische Aktienmarkt. In Phasen einer übergeordneten US-Dollar-Stärke kam es in der Vergangenheit zu einer Underperformance der Emerging Markets. Renditeorientierte und langfristig ausgerichtete Portfolios sollten gegebenenfalls angepasst werden, denn die Favoriten der neuen Dekade werden die Verlierer der alten Dekade sein.
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