Kommentar
09:47 Uhr, 14.10.2004

Hurrikan Ivan bringt Ölmarkt in Bedrängnis

1. Die Situation am Ölmarkt hat sich in den vergangenen Wochen deutlich zugespitzt. Nachdem wir bereits seit einiger Zeit darauf hingewiesen hatten, dass die Ölpreise auch im nächsten Jahr deutlich über 40 USD pro Barrel (USD/bbl) notieren werden, haben wir unsere Ölpreisprognose für 2005 jetzt noch einmal deutlich nach oben revidiert. Wir rechnen nun mit Durchschnittspreisen von 50 USD/bbl für West Texas Intermediate (WTI) bzw. 48 USD/bbl für Brent.

2. Die Ölpreise haben sich in den vergangenen Tagen von einem Rekordhoch zum nächsten bewegt. Die Preise für WTI bzw. Brent sind zwischenzeitlich auf über 54 bzw. 52 USD/bbl gestiegen. Verursacht wurde der jüngste Ölpreisanstieg durch die Auswirkungen von Hurrikan Ivan, der Mitte September die USGolfküste heimgesucht hatte. Die Folgen waren kumulierte Produktionsausfälle von bisher über 18 Millionen Barrels. Auch jetzt liegt die Produktion in der betroffenen Region immer noch rund 500.000 Barrels unter dem normalen Niveau. Dies entspricht etwa 28 % der Tagesproduktion am Golf von Mexiko. Wie das US Minerals Management Service verlauten ließ, können davon rund 150.000 Barrels pro Tag bis Ende des Monats wieder in Betrieb genommen werden. Auf Sicht von sechs Monaten rechnet das MMS damit, dass die Produktion auf 96 % des ursprünglichen Niveaus hochgefahren werden kann. Die größten Probleme bereiten die Schäden an Pipelines, die teilweise meterhoch mit Schlamm bedeckt sind.

3. Die Ausfälle haben dazu geführt, dass die US-Rohöllagerbestände innerhalb weniger Wochen auf historische Tiefstände abgesunken sind. Ähnliche, wenn auch nicht ganz so dramatische, Entwicklungen waren bei den Produktlagerbeständen zu verzeichnen. Die größten Sorgen bereitet jedoch die Tatsache, dass die Heizöllagerstände fallen, obwohl zwischen September und November eigentlich die Vorräte für die Heizperiode im Winter aufgebaut werden müssten. Die unserer Ansicht nach berechtigten Sorgen, dass dieser Unterhang bei den Lagerbeständen nicht mehr rechtzeitig vor den Wintermonaten abgebaut werden kann, treiben daher die Preise.

4. Die Produktionsausfälle aufgrund von Hurrikan Ivan schlagen sich derart stark in den Preisen nieder, weil Engpässe in einzelnen Segmenten des Ölmarkts zu beobachten sind. Auffällig ist, dass der starke Anstieg der Ölpreise seit Hurrikan Ivan größtenteils auf bestimmte Rohölsorten beschränkt blieb, nämlich qualitativ hochwertiges Rohöl (Light Sweet). Dazu gehören unter anderem WTI, Brent Blend oder Bonny Light. Zum Vergleich: Seit Anfang September ist der Preis für WTI um knapp 25 % gestiegen. Im gleichen Zeitraum stieg der Preis für Dubai (Rohöl geringer Qualität) lediglich um 8 %. Der Spread zwischen beiden Sorten weitete sich dadurch von knapp 6 USD/bbl auf aktuell 13,5 USD/bbl aus. Die Qualitätsunterschiede sind deshalb so wichtig, weil ein Großteil der Raffinerien auf bestimmte Ölsorten bzw. Qualitätsmerkmale abgestimmt ist. Es ist für die meisten Raffinerien nicht möglich, WTI durch Dubai zu ersetzen.

Das starke Auseinanderlaufen der Preise für hoch- und minderwertiges Rohöl deutet eindeutig darauf hin, dass eine Angebotsverknappung in einem bestimmten Marktsegment, nämlich bei qualitativ hochwertigen Rohölsorten, für den aktuellen Ölpreisanstieg verantwortlich ist. Dies wird auch durch die Tatsache gestützt, dass es in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Meldungen gab, dass Saudi Arabien trotz einer Angebotsausweitung kaum Abnehmer für sein zusätzliches Öl fand, da dieses von geringerer Qualität ist. Obwohl der Markt insgesamt also noch über freie Kapazitäten verfügt, hilft dies nicht, die Preisentwicklung von Benchmark-Sorten wie Brent und WTI in Zaum zu halten. Denn grob gesagt braucht der Markt zusätzliches "light sweet", er bekommt aber nur noch "heavy sour". Gerade deshalb wiegen die Ausfälle von qualitativ hochwertigem Rohöl im Golf von Mexiko so schwer. Da wir nicht davon ausgehen, dass dieses strukturelle Problem in absehbarer Zeit gelöst werden kann, haben wir unsere Prognose für WTI und Brent deutlich nach oben revidiert. Wir erwarten nun für das Jahr 2005 einen Durchschnittspreis von 50 USD/bbl für WTI bzw. 48 USD/bbl für Brent. Was das Prognoseprofil betrifft, so halten wir in den nächsten Wochen eine vorübergehende Entspannung für durchaus möglich. In den Wintermonaten erwarten wir allerdings wieder steigende Preise. Unsere Ölpreisprognose basiert auf der Annahme, dass es in China schlechtesten Falls zu einem Soft Landing kommt und die Weltwirtschaft auch im nächsten Jahr stabil, wenngleich auch nicht mehr so dynamisch wächst. Folglich ist auch im nächsten Jahr mit einem durchaus beachtlichen Anstieg der Rohölnachfrage zu rechnen.

5. Prognoserisiken: Um den Ölpreis nachhaltig auf ein niedrigeres Niveau zu bringen, wäre ein nachhaltiger Aufbau der Lagerbestände wichtig. Angesichts der Engpässe bei der Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigem Rohöl und der anhaltenden Schäden als Folge von Hurrikan Ivan halten wir dies allerdings für weniger wahrscheinlich. Für Entlastung an der Preisfront würde auch eine Freigabe der strategischen Rohölreserven in den USA sorgen. Die Regierung Bush hat eindeutig klargestellt, dass dies für sie keine Option ist. Senator Kerry hat sich zwar im Frühsommer immer wieder für einen Rohölverkauf aus den strategischen Reserven ausgesprochen. In den letzten Wochen waren derartige Äußerungen jedoch nicht mehr zu hören. Sollte er die Wahlen gewinnen, ist daher unklar, ob er sich für eine Öffnung der strategischen Rohölreserven entscheiden würde. Für eine Entspannung könnte auch ein überdurchschnittlich warmer Winter sorgen, der sich in einer deutlich geringeren Ölnachfrage niederschlagen würde. Bei den letzten beiden Faktoren handelt es sich allerdings um Event-Risiken, die in unserer Prognose keine Berücksichtigung finden.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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