Kommentar
08:15 Uhr, 25.10.2001

Hongkongs New Economy - Gestärkt aus der Krise?

Hongkongs New Economy - Gestärkt aus der Krise?

World Access, Winstar Communications, Viatel, Ursus Telecom, U.S. Wireless, Telscape, Telecom Consultants,Star Telecommunications, SSE Telecom, PSINet, Pliant Systems, MarchFirst, Comdisco Inc., Iridium LLC. Wissen Sie, was alle diese Unternehmen gemeinsam haben? Sie sind pleite. Oben genannte Unternehmen, die alle in den letzten 2 Jahren das US amerikanische Insolvenzverfahren Chapter 11 eröffneten, vernichteten Anlagevermögen in Höhe von über 19 Mrd. US$. Das US Researchhaus Challenger, Gray & Christmas schätzt, dass Internetunternehmen in den USA im Juli und August mehr als 13500 Stellen strichen. Alleine 21 Unternehmen schlossen ihre Pforten im August. Dies entspricht mehr als einer Verdopplung. Ebenso die Anzahl der gestrichenen Stellen verdoppelte sich auf über 87000 (Stand: August). Im Vorjahr wurden "nur" 41000 Leute entlassen. Insgesamt verschwanden 377 Unternehmen von den Kurszetteln der Börse. Darunter befanden sich auch bekannte Unternehmen des 99/00er Technologierausches wie PSINet und MarchFirst. Ähnlich erschreckend sieht die Situation in Hong Kong aus. Das Researchhaus Baker Tilly schätzt, dass alleine in diesem Jahr Forderungsausfälle von 3,4 Mrd. HK$ zu beklagen sein werden, die nicht unerhebliche Löcher in den Bilanzen hinterlassen werden. In diesem Zusammenhang prophezeien Experten eine neue Finanzierungskrise durch Venture Capital Unternehmen, die die größte Eignergruppe stellen. Der CEO der insolventen Rebound International, Jeremy Tang, kommentierte die Schätzungen von Baker Tilly als "konservativ". Im folgenden Artikel werden 6 Unternehmen aus HK vorgestellt, die den Schritt an den Kapitalmarkt bereits vollzogen haben und sich nun in einem schweren Umfeld behaupten müssen. Die Unternehmen werden dabei auf ihre quantitativen , als auch ihre qualitativen Aspekte durchleuchtet. Im Anhang des Artikels werden schließlich Bewertungsmethoden vorgestellt, sowie eine Tabelle, die alle relevanten Daten der entsprechenden Unternehmen beinhaltet.

Asiens Internetmarkt

Das Marktforschungsinstitut IDC schätzt, dass sich die Zahl der Internetuser in Asien ex Japan bis 2003 auf 77 Mio. erhöht haben wird. Dies entspricht einem CAGR von 43 %.Im Vergleich zu Europa und den USA ist die Penetration der lokalen Märkte relativ gering. Die höchste Marktpenetration weisen HK, Australien und Singapore auf, mit jeweils ca. 25 %. E-commerce Aktivitäten sollen sich nach Angaben von IDC zufolge auf 51 Mrd. US$ in 2003 erhöhen (CAGR: +135%). Durch zunehmende quantitative und qualitative Verbesserung von Inhalten, steigende Zahlen an Wireless Usern und fallenden PC Preisen, sehen Experten einer langfristigen Kommerzialisierung des Internets positiv entgegen. IDC schätzt, dass Hong Kong Ende 2003 über eine Nutzerzahl von 2,3 Mio. verfügen wird.

HK genießt einen Early Mover Advantage durch sein digitalisiertes Telekommunikationsnetz. Weiterhin unternimmt HKs Regierung Maßnahmen, um das Internet in HK zu promoten. Zu diesen Maßnahmen zählt vor allem der Bau des CyberPorts. Der CyberPort ist nach dem Vorbild von Silicon Valley konzipiert und soll zahlreichen Technologiefirmen als Standort dienen. Der Bau des CyberPorts ist Teil des Geschäftes von HKs größtem Telekommunikationsunternehmen Pacific Century CyberWorks. Neben dem technologischen Aspekt wird der Fokus auch auf den Finanzierungsbereich gelegt. Durch den Applied Research Fund und den Innovation and Technology Fund will HKs Regierung Start Ups Kapital zur Verfügung stellen.

Ähnlich sieht die Situation im Stadtstaat Singapore aus. Die geschätzte Anzahl registrierter Nutzer soll sich bis Ende 2003 auf 1,9 Mio. erhöht haben, was einem durchschnittlichen 5 Jahreswachstum von 26% gleichkommt. Ebenso erwartet IDC, dass sich E-commerce Umsätze auf 2,8 Mrd. US$ erhöhen werden. Ende 1998 wurden gerade einmal 35 Mio. US$ umgesetzt. Durch Regierungsmaßnahmen und ein technologisch hochwertiges Telekommunikationsnetz stehe weiterem Wachstum nichts im Wege.

Ein weiterer Kernmarkt, in den hongkong.com expandieren möchte, ist der taiwanesische Internetmarkt. Experten gehen von Nutzerzahlen jenseits der 4,5 Mio. Grenze aus und taxieren E-commerce Umsätze auf 5,2 Mrd. US$. Taiwan profitiert primär durch seine Ausrichtung auf den Hightechsektor. Der äusserst wichtige Halbleitermarkt ist Kernbestandteil der taiwanesischen Wirtschaft und wird als Key Value Driver für den Internetmarkt gesehen. Der potentiell größte Internetmarkt der Welt, nämlich die Volksrepublik China, steckt momentan noch in den Kinderschuhen. Ein niedriges Lohnniveau machen sämtliche standardisierte Internetzugangstechnologien unerschwinglich. Bei einer anhaltenden wirtschaftlichen Prosperität ist in Zukunft jedoch stark mit einer steigenden Penetration zu rechnen.

Eine magere Penetrationsrate von 0,2 % macht China zu dem Wachstumsmarkt schlechthin. IDC geht von Nutzerzahlen jenseits von 25 Mio. aus und schätzt die Umsätze im elektronischen Handel auf 6,5 Mrd. US$.

Experten gehen jedoch vermehrt davon aus, dass der Hauptanteil der Umsätze im B2B Sektor generiert werden wird. Herausragend im asiatisch-pazifischen Raum ist besonders der 2. Größte I-Net Markt hinter den USA: Japan. Das geschätzte Marktvolumen für elektronische Transaktionen schätzen Analysten auf 253 Mrd. US$ in 2003.

Im selben Zeitraum sollen sich die Userzahlen von 11 Mio. in 1998 auf 60 Mio. in 2003 erhöhen (CAGR +39%). Bei einer Bevölkerung von 122 Mio. Menschen entspricht dies einer Penetrationsrate von knapp 50%. Insgesamt 1,5 Mrd. Internetseiten gab es nach Angaben von Computer Industry Almanac. 2 Mio. Seiten kommen täglich hinzu. 375 Mio. Menschen gehen über 220 Mio. Computer, Mobiltelefone und Set Top Boxen "online". Täglich kommen 150 000 Nutzer hinzu.

Das US Researchhaus Gartner Group schätzt, dass Ende 2003 32% des Mobilfunks im asiatisch-pazifischen Raum beheimatet sein wird. Insgesamt schätzt das Unternehmen, dass sich in 2003 über 900 Mio. Mobiltelefone in Asien befinden werden.
Quelle: IDC

Venture Capital

Unter dem Begriff Venture Capital versteht man im idealtypischen Sinne die Außenfinanzierung über Eigenkapital. Unternehmen, die in diesem Markt tätig sind, sind größtenteils Beteiligungesgesellschaften, die unabhängig Fonds für Banken, Versicherungen und Privatleute verwalten. Größere Kreditinstitute, Versicherungen und Konzerne verfügen meist selbst über Tochterunternehmen, die in diesem Bereich tätig sind. Sie verwalten keine Fonds für dritte, sondern sind vollständig auf die Finanzierungskraft der Muttergesellschaft angewiesen.

Venture Capital Unternehmen verfügen über eine nicht zu unterschätzende gesamtwirtschaftliche Bedeutung. Neben der Versorgung von Start Up Unternehmen mit Risikokapital und Innovationsförderung stehen vor allem die Schaffung von hochqualifizierten Arbeitsplätzen und das Wirtschaftswachstum im Vordergrund.

Bei den Finanzierungsphasen des Unternehmens ist zwischen Early Stage und Late Stage Finanzierungen zu unterscheiden.
Unter dem Begriff Early Stage wird die "Seed", "Start Up" und "First Stage" Phase zusammengefasst. An dieser Stelle befindet sich das Unternehmen in seiner Gründungsphase, bzw. Konzeptentwicklung und der späteren Markteinführung. Die Gewinnentwicklung ist in dieser Zeit stark negativ, bzw. Verluste werden massiv ausgeweitet.
Nach der Markteinführung des Produktes geht das Unternehmen in die Late Stage Phase über. Unter Late Stage sind wiederum "Expansion Stage", "Buyout" und IPO zusammengefasst.
In der Expansionsphase (Expansion Stage) stehen primär die Erweiterung des Vertriebsnetzes und die Diversifikation der Produkte im Vordergrund. An dieser Stelle liegt es am Unternehmen, die vorher erwirtschafteten Defizite wieder auszugleichen.

Unter Buyout versteht man die Vorbereitungsphase auf den Börsengang, da hier meist ein Gesellschafterwechsel vollzogen wird. Das ursprüngliche Gründungsmanagement verfügt nach den jeweiligen Finanzierungsrunden meist nur noch über einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Anteile.
Das Initial Public Offering ist indessen die Krönung des gesamten Geschäftsverlaufs. Hier sammelt das Unternehmen Kapital ein, um die weitere, meist kapitalintensive, Expansion zu finanzieren. Nach dem Börsengang stehen dem Unternehmen weitaus größere Finanzierungsquellen zur Verfügung als zuvor. Dennoch sollte jedes Unternehmen die Etablierung eines profitablen Kerngeschäftes als höchste Priorität ansehen.

Bewertungsansätze

In den letzten Jahren hat sich eine unglaubliche hohe Anzahl neuer Bewertungsmethoden von Unternehmen etabliert. Dies war in Anbetracht des Technologierausches auch bitter nötig. Junge Unternehmen sind anhand traditioneller Bewertungsmethoden nicht zu bewerten. Zu diesen Methoden gehören größtenteils simple Multiplikatormodelle. Aufgrund der fehlenden Gewinne scheitert diese Methode bereits im Ansatz.

1) Gewinn * Multiplikator = Unternehmenswert (UW)

Eine weitere traditionelle Methode ist die Substanzwertmethode. Hier wird der Unternehmenswert UW der Differenz zwischen Vermögen und Verschuldung, also dem Eigenkapital, gleichgesetzt. Diese sehr simple Methode einer Unternehmensbewertung bringt jedoch erhebliche Einschränkungen mit sich. Traditionell eignet sich die Substanzwertmethode zur Unternehmensbewertung nur im Konkursfall.

2) Anlagevermögen - Verschuldung = Eigenkapital = Unternehmenswert (UW)

Da jeder Investor aber an einer Fortführung des Unternehmens interessiert ist, sollte stattdessen eine ausschüttungsrelevante Größe bewertet werden. Zu diesem Zwecke wurden einmal die Ertragswertmethode und das anglo-amerikanische Discounted Cash Flow Verfahren (DCF) entwickelt. Beide scheinen sich äußerlich nicht von einander zu unterscheiden.

Zunächst das Verfahren: Der Investor sollte sich an einer Erfolgkennziffer, z.B. dem Nettogewinn, orientieren. Diesen muss er bewerten. Da die potentielle Investition in das Unternehmen zum heutigen Zeitpunkt stattfinden soll, muss der gegenwärtige Wert der Erfolgskennziffer ermittelt werden. Zu diesem Zwecke gibt es das Diskontierungsverfahren. Die Erfolgskennziffer wird mit einem Diskontierungsfaktor auf das heutige Datum abgezinst. Ein Beispiel:

Ein Unternehmen macht jedes Jahr einen Gewinn in Höhe von 1000. Ein potentieller Investor möchte wissen, wie hoch der entsprechende Unternehmenswert ist. Der Diskontierungsfaktor wird anhand der langjährigen Verzinsung von Staatsanleihen ermittelt. In unserem Beispiel beträgt die langfristige Verzinsung der Anleihen 10%. Zur Ermittlung des Unternehmenswertes muss die Erfolgskennziffer (Gewinn 1000) durch den Diskontierungsfaktor (10%) dividiert werden.

Unternehmenswert (UW) = 1000 / 0,1 = 10000

Das Unternehmen ist der Formel entsprechend 10000 wert. Der Nachteil dieses Verfahrens ist Folgender. In dem oben beschriebenen Verfahren geht der Investor von einer ewigen Rente aus. Das heisst, er rechnet damit, dass das Unternehmen immer einen Gewinn von 10000 erwirtschaftet. Das System ist also rein statischer Natur und dies ist in Anbetracht der rapiden Dynamik der Finanzmärkte fatal. Zu diesem Zwecke wurde die Formel weiterentwickelt. Es wird nun nicht mehr 1 einzige Erfolgskennziffer bewertet, sondern eine Vielzahl von Kennziffern ( in der Regel 7-10, was dem Kapitalrückfluss entspricht). Der Wert der Unternehmung lässt sich nun anhand folgender Formel bestimmen:

3) Unternehmenswert (UW) = å t=1 bis n Gewinn / (1 + Diskontierungsfaktor) ^ n

Eine erhebliche Weiterentwicklung dieser Methode ist das Discounted Cash Flow Verfahren. Die hinreichend erwähnte Erfolgskennziffer entspricht dem Freien Cash Flow (= Free Cash Flow = Flow To Entity). Diese wird ebenfalls auf das heutige Datum abgezinst. Im Gegensatz zum Ertragswertverfahren bedient sich das DCF Verfahren dem Capital Asset Pricing Model zur Ermittlung der Eigenkapitalkosten. Der Vorteil dabei ist, dass der risikolosen Verzinsung (Anleihezins) ein Risikoaufschlag auferlegt wird. Diesen Risikoaufschlag ermittelt man anhand von 3 Kennzahlen. Das ist zum einen die Marktportfolioverzinsung, die Risk Free Rate (entspricht der risikolosen Verzinsung von Anleihen) und das Marktbeta.

Der Diskontierungsfaktor der Free Cash Flows entspricht den gewichteten Kapitalkosten Weighted Average Cost of Capital (WACC). Die gewichteten Kapitalkosten setzten sich zusammen aus Eigen- bzw. Fremdkapitalkosten. Zur Ermittlung des WACC muss folgende Formel angewendet werden:

4) WACC = Eigenkapitalkosten * Eigenkapitalquote + Fremdkapitalkosten * Fremdkapitalquote

Die Eigenkapitalkosten werden durch das bereits erwähnte CAPM ermittelt. Die Formel dafür lautet:

5) Eigenkapitalkosten = Risk Free Rate + Beta * (Marktportfolioverzinsung - Risk Free Rate)

Der rot gefärbte Teil der Formel entspricht der Risikoprämie. Damit hat man die Eigenkapitalkosten ermittelt und kann die Free Cash Flows der Perioden 1 bis n nun mit den WACC diskontieren. Da ein Unternehmen in seiner Kapitalstruktur jedoch auch Fremdkapital aufweist müssen neben dem Free Cash Flow auch jegliche Fremdkapitalzinsen abgezinst werden, damit der Investor den Marktwert des Eigenkapitals ermitteln kann. Der vollständige Unternehmenswert lässt sich demnach folgendermaßen ermitteln:

Marktwert des Eigenkapitals (EW) =
Et=1 bis n Free Cash Flow / (1+ WACC) ^ n

MINUS

Eå t=1 bis n Fremdkapitalzinsen / (1+ Risk Free Rate)^ n

Diese recht komplizierte Ermittlung des Unternehmenswertes kann noch weiterverfeinert werden durch die Verwendung von Real Optionen, auf die aber an dieser Stelle nicht eingegangen werden soll.

Fortsetzung des Researchberichts auf dem Research-Channel.de

Research-channel.de

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