Hebestreit: Kabinett erhält Mittwoch Budgetdetails "zur Kenntnis"
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Nach der politischen Einigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) von vergangener Woche zum Bundeshaushalt 2024 werden die Details der Vereinbarung am Mittwoch dem Bundeskabinett "zur Kenntnis gegeben". Das kündigte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in einer Mitteilung an. "Das Bundesministerium der Finanzen ist derzeit dabei, die Verabredung technisch umzusetzen und gemeinsam mit den betroffenen Bundesministerien die nötigen Formulierungshilfen für den Deutschen Bundestag zügig zu erarbeiten", teilte Hebestreit mit.
Nach den Planungen der Koalitionsfraktionen solle der Haushaltsausschuss des Bundestags Mitte Januar in einer weiteren Bereinigungssitzung über den Bundeshaushalt 2024 beraten. "In der zweiten Sitzungswoche des Bundestages Ende Januar 2024 soll nach diesen Planungen der Bundeshaushalt 2024 beschlossen werden", so der Regierungssprecher. Der Bundesrat könnte in seiner Sitzung am 2. Februar 2024 das Gesetzgebungsverfahren dann abschließen. "Bis dahin gilt die vorläufige Haushaltsführung."
Zu Beginn der Beratungen über die Folgen des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf den Bundeshaushalt 2024 habe eine Lücke von rund 17 Milliarden Euro bestanden. "Insgesamt ergab sich für das Jahr 2024 zunächst ein Anpassungsbedarf für den Bundeshaushalt und für den Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds von fast 30 Milliarden Euro", so Hebestreit. Die nach Anhörungen von Sachverständigen im Bundestag und aktualisierten Wirtschaftsdaten notwendigen Einsparungen im Budget 2024 würden insbesondere durch die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen und die Absenkung der Ausgaben in einzelnen Ressorts, eine bessere Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt und die Reduzierung von Bundeszuschüssen erreicht.
Grundlegende Herausforderungen bleiben bestehen
Für den Bundeshaushalt 2024 sorge das Maßnahmenpaket dafür, dass die Maßgaben des Verfassungsgerichtsurteils umgesetzt würden. Die grundlegenden Herausforderungen für das Land blieben auch nach dem Urteil unverändert: Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine fordere Deutschlands Unterstützung für die Ukraine und damit für Freiheit und Frieden in Europa ein. Auch die Folgen des russischen Angriffskriegs für Deutschland müssten abgefedert werden. Dazu gehörten die Energieversorgung und die Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge.
Die Notwendigkeit der klimaneutralen Transformation der Wirtschaft habe an Dringlichkeit zugenommen. "Die aktuell gebremste Konjunktur muss durch gezielte Impulse für Wirtschaftswachstum und insbesondere private Investitionen belebt werden." Mit dem Maßnahmenpaket würden Ausgaben priorisiert und angepasst, klimaschädliche Subventionen abgeschafft und Sozialkürzungen vermieden. Die Kernprojekte des Klima- und Transformationsfonds blieben erhalten. Entlastungen könnten weiter finanziert werden. Die Schuldenregeln des Grundgesetzes würden eingehalten. Die gegenwärtigen und zukünftigen Hilfen für die Ukraine seien gesichert. Die Zusagen für die Fluthilfen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen würden eingehalten und rechtssicher geregelt.
Zu den Maßnahmen im Einzelnen hieß es, die Ausgaben für das internationale Engagement würden um insgesamt 800 Millionen Euro und der Etat des Verkehrsministeriums werde um 380 Millionen Euro gesenkt. Im Etat des Forschungsministeriums werde der Plafond um 200 Millionen Euro gekürzt. Der Bundeszuschuss an die Gesetzliche Rentenversicherung wird laut den Angaben um 600 Millionen Euro reduziert. Im Rahmen des Rentenpakets II, das im ersten Quartal 2024 beschlossen werden solle, werde ein Rentenniveau von 48 Prozent bis zum Jahre 2039 garantiert und das Generationenkapital, also die geplante Aktienrente, zur Dämpfung von Beitragssatzsteigerungen eingeführt.
Zudem leiste die Bundesagentur für Arbeit einen teilweisen Ausgleich für die während der Corona-Krise erfolgten jährlichen Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Diese Rückerstattung für den Ausgleich beträgt laut Hebestreit 1,5 Milliarden Euro. Die umstrittene Abschaffung der Begünstigung in der Kfz-Steuer für Forst- und Landwirtschaft soll 480 Millionen Euro an Mehreinnahmen bringen und die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel bis zu 440 Millionen Euro. Durch die Abschaffung des Absenkungsmechanismus bei der Luftverkehrsabgabe entstehen laut den Angaben 2024 Mehreinnahmen von bis zu 70 Millionen Euro, bis zu 300 Millionen sollen es dann ab 2025 sein.
Plastikabgabe wird auf Verursacher umgelegt
Die Luftverkehrsabgabe werde darüber hinaus jährlich so angepasst, "dass sie zusätzliche Einnahmen in Höhe der Privilegierung bei der Energiebesteuerung von Kerosin im nationalen Luftverkehr generiert". Dies würde ab 2024 zu Mehreinnahmen von bis zu 580 Millionen Euro jährlich führen. Zusätzliche Einnahmen in Höhe von bis zu 1,4 Milliarden Euro entstehen laut dem Regierungssprecher durch die Umlegung der Abführungen zur Plastikabgabe an die EU. Diese Kosten würden bisher von der Allgemeinheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler getragen und sollten nunmehr - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - auf die Verursacher umgelegt werden.
Der sogenannte Job-Turbo bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten werde ausgeweitet, hierzu zählten insbesondere eine erhöhte Kontakthäufigkeit, eine frühzeitige Vermittlung in Arbeit und Sanktionen bei Pflichtverletzungen. Diese Maßnahmen sollen zu geringeren Ausgaben in Höhe von weiteren 500 Millionen Euro im Jahr 2024 führen. Beim Bürgergeld sollen durch eine Streichung des Bürgergeld-Bonus und Sanktionen für Totalverweigerer 250 Millionen Euro erwirtschaftet werden.
Die Programmausgaben des Klima- und Transformationsfonds werden laut der Vereinbarung um 12,7 Milliarden Euro reduziert. Wichtige Ausgaben zur Transformation der Wirtschaft und zur Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger beispielsweise bei der Modernisierung der Gebäudeenergie blieben bestehen, ebenso die Entlastung beim Strompreis durch Übernahme der EEG-Umlage. Andere Subventionsprogramme sollen entfallen, zum Beispiel dort, wo sich Produkte am Markt etabliert hätten. In 2024 könne dadurch auf einen Bundeszuschuss an den Fonds verzichtet werden, für 2025 und 2026 seien Zuschüsse eingeplant.
Der CO2-Preispfad wird 2024 wieder auf das 2020 von der Vorgängerregierung beschlossene Niveau angepasst und beträgt damit ab dem 1. Januar 45 Euro. "Nach dem deutlichen Rückgang der Energiepreise in diesem Jahr im Vergleich zu Herbst 2022 kann der CO2-Preis nun wieder auf den ursprünglichen Pfad zurückgeführt werden", erklärte Hebestreit.
Beteiligungserlöse zur Finanzierung der Bahn
Die Deutsche Bahn solle für dringend nötige Investitionen ausreichend finanzielle Mittel erhalten. Dazu werde das Eigenkapital 2024 und in den Folgejahren um 1,5 Milliarden Euro durch finanzielle Transaktionen erhöht, ähnlich wie dies von der Vorgängerregierung praktiziert worden sei. In den Jahren 2024 und 2025 soll laut Hebestreit eine Mittelzuführung von jeweils bis zu 5,5 Milliarden Euro erfolgen - dazu sollten auch Beteiligungserlöse eingesetzt werden. "Konkreter Umfang, Ausgestaltung, Zeitraum und Unternehmen sind noch festzulegen", betonte er. Insgesamt sollen der Bahn in den nächsten Jahren Eigenkapitalmittel in Höhe von bis zu 20 Milliarden zugeführt werden.
Der Ansatz für die Regionalisierungsmittel im Haushalt soll zudem um 350 Millionen Euro reduziert werden. Die Wiederbeschaffungen durch die Bundeswehr für die an die Ukraine abgegebenen Waffen werde aus dem Sondervermögen Bundeswehr finanziert. Dadurch könnten die ursprünglich vorgesehenen Mittel im Bundeshaushalt für die Ertüchtigung der Ukraine um 520 Millionen Euro abgesenkt werden. Die Annahmen für die Zinsausgaben des Bundes würden auf Basis des neuen Emissionskalenders und veränderter Zins- und Inflationsdaten angepasst, was mit 2,3 Milliarden Euro zu Buche schlage. Rund 3,2 Milliarden soll außerdem die Nutzung der nicht vom Urteil des Verfassungsgerichts betroffenen Sondervermögen beitragen.
Zur Finanzierung der Hilfen wegen der Flutkatastrophe im Sommer 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind im Budgetentwurf laut den Angaben 2,7 Milliarden Euro vorgesehen. "Nach dem Urteil muss eine neue Rechtssicherheit hergestellt werden, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden", hieß es. Dazu werde auch anhand unabhängiger juristischer Expertise geprüft, ob die Finanzierung weiter über die notlagenbedingte Kreditfinanzierung des Sondervermögens erfolgen könne. Dazu wäre nach dem Urteil auch 2024 "ein erneuter Überschreitensbeschluss" notwendig. Hierzu solle auch das Gespräch mit der Union gesucht werden. "Sollte der Weg über einen solchen Beschluss nach Artikel 115 des Grundgesetzes rechtlich nicht möglich sein, erfolgt die Finanzierung aus dem Bundeshaushalt", erklärte Hebestreit.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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