Kommentar
13:40 Uhr, 18.09.2011

Haben wir die Tiefs am Aktienmarkt gesehen?

Haben wir die Tiefs am Aktienmarkt vorerst gesehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich jeder von uns wahrscheinlich jede Woche. Ich habe die Frage am Wochenende auf unserer Facebook-Seite gestellt, und die Mehrheit war der Meinung, dass wir sogar noch die Tiefs aus dem Jahr 2009 testen werden. Das hieße DAX 3600!

Nun, fundamental gibt die Finanzkrise das natürlich ohne weiteres her. Eine gute Börsenwoche löst kein einziges real existierendes Problem. Und dennoch beschleicht mich das Gefühl, dass wir uns erst mal stabilisieren werden und ein Rückfall Richtung 5000 im DAX eine gute Kaufchance darstellt. Dass die Meinung der Mehrheit dem entgegenzustehen scheint, könnte man sogar als Kontraindikator nutzen.

Politisch herrscht zwar immer noch Chaos, aber eine gewisse Entschlossenheit den Euro mit allen Mitteln zu verteidigen ist nicht zu übersehen. Das gilt für Politik wie auch Notenbanken. In diesem Zusammenhang wird es wahrscheinlich auch die immer wieder mit Vehemenz von Kanzlerin Merkel abgelehnten Euro-Bonds geben, vermutlich um das Gesicht zu wahren mit anderem Namen aber sehr ähnlichem Inhalt. Man muss auch davon ausgehen, dass 2012 die EU-Verträge so abgeändert werden, dass eine gemeinschaftliche Schuldenhaftung in Europa nicht nur de facto, sondern auch de jure möglich wird. Das Bailout-Verbot dürfte gestrichen werden. Damit wird der Weg in eine neue EU beschritten, den wahrscheinlich nicht alle Mitglieder mitgehen werden. Es bleibt außerdem zu hoffen, dass die Entscheidungen über so weitreichende Änderungen entweder direkt dem Volk vorgelegt werden, wobei dazu erst noch die juristischen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, oder aber erst nach den Bundestagswahlen 2013 erfolgen. Die Euro-Frage wird vermutlich DAS beherrschende Thema des nächsten Urnengangs.
Bis es soweit ist, kann es aber durchaus noch zu einem Regierungswechsel kommen. Die FDP hat nämlich das aus ihrer Sicht einzig richtige getan und sich zu einer Euro-Protest-Partei light gemausert. Die Volksparteien werden ihr dafür noch dankbar sein, denn es ist wichtig, dass die völlig berechtigten Euro-Ängste der Bevölkerung nicht in extreme politische Richtungen kanalisiert werden. Welche Partei soll denn jemand wählen, der strikt gegen weitere Rettungsschirme ist und der sich wünscht, dass Europa kein Bundesstaat wird? Ist dieses Ansinnen etwa nicht legitim?

Für diesen Teil der Bevölkerung wird die FDP wieder wählbar. Man sollte damit rechnen, dass es nun zu einem handfesten Koalitionskrach kommt, was eine Neuauflage der Großen Koalition denkbar macht. In der Opposition wird es den Liberalen noch wesentlich leichter fallen sich neu aufzustellen. Wenn einige Politiker der FDP deswegen Populismus vorwerfen, ist das etwa so ernst zu nehmen wie wenn ein Metzger rät, Vegetarier zu werden.

Uns allen muss klar sein, dass die Krise des Finanzsystems nicht mehr im eigentlichen Sinne „gelöst“ werden kann, ohne es komplett umzubauen bzw. den „Neustart“ zu wagen. Alles was wir tun können ist Zeit kaufen. Die zusätzlich gekaufte Zeit wird immer teurer. Wir sollten alle diese Zeit nutzen. Es kann zumindest keiner behaupten, es hätte ihn völlig unvorbereitet getroffen.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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