Kommentar
14:42 Uhr, 20.07.2009

Gute Gewinne, böse Gewinne

Die US-amerikanische Investmentbank Goldman Sachs ist unter den großen elitären Investmentbanken an der Wall Street noch einmal eine Klasse für sich. Der Konzern hatte von allen großen Playern der Wall Street in der Finanzkrise sicherlich noch mit die wenigsten Turbulenzen zu verdauen. Nun ist die Finanzkrise, wenn es sie für Goldman überhaupt gegeben hat, wohl schon vorbei. Die Goldmänner machten ihrem Namen alle Ehre und fuhren im Q2 einen Gewinn von 2,7 Mrd. USD ein, ganz wesentlich auf ein erfolgreiches Investment Banking beruhend.

Das sorgt für Reaktionen nach altbekannten Rastern: Dem Branchenprimus schlägt eine Mixtur aus Anerkennung, Respekt, Neid und Missgunst entgegen, was allesamt den großen Respekt vor der Power von Goldman Sachs dokumentiert. Doch, und das ist neu, sorgen die sehr guten Geschäftsergebnisse der Gruppe auch dafür, dass immer wieder und irgendwie auch zunehmend lauter die Systemfrage gestellt wird.

Es ist ja in der Tat objektiv ein wenig befremdlich, wenn auf der einen Seite Investment Banker den Hebel umlegen, um über ein höheres Risiko bessere Gewinnmargen zu erzielen und dies erfolgreich schaffen, was sich ebenso konsequent auch in den bereits jetzt wieder prall gefüllten Bonustöpfen von Goldman widerspiegelt. Auf der anderen Seite, und dies darf eben nicht übersehen werden, ist die Talsohle nicht wirklich durchschritten.

Viele Unternehmen in Deutschland beispielsweise haben die geschäftlich nötig gewordenen Entlassungen ja bis dato nur durch die drastisch unterstützte Kurzarbeit hinausgezögert. Hier steht nun mal zu befürchten, dass spätestens nach der Bundestagswahl die Anzahl der „echten“ Arbeitslosen deutlich zunehmen wird. Die soziale Diskrepanz einer schrumpfenden Mittelschicht und zunehmender Transferempfänger einerseits und ausufernder Bonuszahlungen andererseits hat nun mal das Potenzial, politisch ausgeschlachtet zu werden. In Deutschland ist die Versuchung ob der anstehenden Bundestagswahl besonders hoch.

Die Gefahr für den Finanzsektor ist nicht zu übersehen, denn bereits jetzt wurde die Finanzwelt als beliebte Zielscheibe für aggressive Verbalattacken aus der Politik immer beliebter: Mittlerweile wird gerne behauptet, dass die komplette Wirtschaftskrise einzig auf verunglückte Spekulationen zurück zu führen ist (was jeden, der sich nur 2 Minuten mit der Materie beschäftigt, vielleicht schmunzeln lässt, aber in der breiten Masse ob der Einfachheit dieser Aussage gerne verfängt). Von einer Empörung über dekadente Bonuszahlungen und (zu) spekulative Geschäfte ist es nur ein kleiner Sprung zu einem repressiven Umgang mit verschärften Gesetzen und abwehrenden Steuern (Börsenumsatzsteuer), die den Kapitalmarkt deutlich schwächen könnten. Bilder von erfolgreichen Bonusjägern, die Schampus kredenzen auf der einen und Opfern von Zwangsräumungen andererseits, haben eine deutlich polarisierende Wirkung.

Es ist nun mal so, dass jede Reaktion eine Gegenreaktion hervorrufen kann und diese beileibe nicht immer gewollt ist. Auf die plötzliche Gewinnparty bei Goldman und eventuell noch anderen, die in den kommenden Wochen folgen könnte ein öffentliches und politisches Echo folgen, dass dem Finanzsystem schadet. So erfreulich die Entwicklung für Goldman-Aktionäre war, für den gesamten Kapitalmarkt könnten derartige Erfolge auf Sicht Pyrrhussiege werden.

Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der "Platow Börse" und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm ´Finde die richtige Aktie - ein Profi zeigt seine Methoden´ im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

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