Kommentar
10:16 Uhr, 30.06.2014

Gut, dass es deutsche Mittelstands-Aktien gibt

In der ersten Jahreshälfte 2014 sorgten die sich gegenüberstehenden Risiken der Ukraine- und Irak-Krise und Chancen der weltweit lockeren Geldpolitik für ein wechselhaftes Bild an den Finanzmärken. In Euro gerechnet führen Gold und Silber als sichere Anlagehäfen seit Jahresbeginn die Performance-Hitliste zwar an.

Über die geldpolitische Stimulanz bei zugleich weltwirtschaftlicher Verstetigung konnten risikoreichere Anlageklassen seit Mai aber deutlich aufschließen. So liegen Rohstoffe, Aktien der USA und der Schwellenländer weit vorne. Aktien der Eurozone profitierten von einer beispiellosen Liquiditätspolitik der EZB, die das Thema Euro-Staatsschuldenkrise endgültig ausblendete. Aufgrund dieses so begründeten Nachholeffektes in der ersten Jahreshälfte bildeten deutsche Aktien gemeinsam mit japanischen die Performance-Schlusslichter. Rohöl konnte sich zuletzt aufgrund der geopolitischen Risiken im Nahen Osten von seiner zwischenzeitlichen Schwäche im Frühjahr erholen.

Stabile Euro-Konjunkturstimmung trotz La France en Trance économique

Euroland hat die konjunkturelle Talsohle zwar durchschritten. Eine deutliche Wachstumssteigerung im zweiten Halbjahr dürfte jedoch ausbleiben. Dies zeigt die Konjunkturstimmung laut Einkaufsmanagerindex in Euroland, die sich mit einem Wert von aktuell 51,9 nach 52,2 im Vormonat - trotz Verbleib im Expansion anzeigenden Bereich über 50 - erneut leicht eingetrübt hat. Einer kraftvolleren Konjunkturerholung Eurolands stehen u.a. die wirtschaftlichen Missstände in Frankreich entgegen, wo eine äußerst schwache politische Reformbereitschaft das Wachstumspotenzial der französischen Unternehmen nicht heben kann. Nach einem konjunkturellen Stimmungshoch von 52,1 im März ist dieses zuletzt auf 47,8 gefallen. Frankreich - die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone - ist so etwas wie der wirtschaftlich kranke Mann Europas. Dagegen stabilisierte sich die deutsche Konjunkturstimmung auf einen Wert von 52,4.

Selbst die geldpolitische Konjunkturstabilisierung der EZB hat ihre Grenzen

Die EZB wird mit ihrer Zinsoffensive und den ab Herbst anstehenden Liquiditätsspritzen zu einer indirekten Belebung der Wirtschaft im Euro-Raum beitragen, da sie die Euro-Staaten in die Lage versetzt, sich noch günstiger zu verschulden.

Dem Instrument einer geldpolitischen Abwertung des Euros steht die EZB aber noch skeptisch gegenüber. Zwar wäre dies hilfreich für die Exportwirtschaft. Allerdings weckt sie damit auch schlafende Hunde: Über Währungsverluste könnten ausländische Investoren die Lust auf Staatsanleihen der Euro-Peripherie verlieren. Auch würden sie sich spätestens dann die Frage stellen, ob die ohnehin schon rekordniedrigen Renditen von Italien, Spanien & Co. überhaupt noch weiter sinken können. Denn seit Euro-Einführung liegen sie bereits auf einem deutlichen Allzeittief.

Im Extremfall würde ein außer-euroländischer Kapitalexodus einsetzen, der die Renditen von Staatsanleihen steigen ließe und damit die konjunkturstützende Verschuldungsfähigkeit der Euro-Peripherie beeinträchtigte. Zwar könnte die EZB in einem solchen Szenario ihr Versprechen von Juli 2012 einlösen und tatsächlich Staatspapiere zum Zwecke der Renditedrückung aufkaufen. Angesichts der aktuell geführten Diskussion über eine "Neuinterpretation" des Europäischen Wirtschafts- und Stabilitätspakts - also mehr Neuverschuldung erlauben - käme dies aber geradezu einem Blankoscheck seitens der EZB für geldpolitischen Feuerschutz gleich. Diesen Schuh will sich die EZB zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht anziehen.

Quo vadis, deutsche Konjunktur?

Zwar hat das ifo Geschäftsklima insgesamt zuletzt erneut leicht auf einen Wert von 109,7 nach zuvor 110,4 nachgegeben. Doch setzt man die ifo Geschäftserwartungen und -lage gemäß der vier Phasen eines Wirtschaftszyklus zueinander in Bezug, befindet sich die deutsche Wirtschaft stimmungsseitig nach wie vor in einer Boom-Phase. Während die Geschäftslage seit Monaten auf ihrem hohen Niveau um 114,8 Punkte verharrt, sorgen allerdings zwischenzeitliche Befürchtungen über negative Auswirkungen der geopolitischen Unruhen in der Ukraine und über Energieversorgungsengpässe aufgrund der Irak-Krise für eine leichte Eintrübung der Geschäftserwartungen. Das ifo Institut geht jedoch nicht von nachhaltigen Bremseffekten auf die deutsche Konjunktur aus.

Was ist eigentlich mit…dem deutschen Mittelstand?

Das ifo Institut hat sogar seine Konjunkturprognose für die deutsche Wirtschaft von zuvor 1,9 auf zwei Prozent für 2014 angehoben und befindet sich damit in guter Gesellschaft anderer Wirtschaftsforschungsinstitute. Denn die konjunkturellen Verbesserungssignale mehren sich nicht nur in den USA. Der von der HSBC Bank veröffentlichte vorläufige Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in China liegt mit einem Wert von 50,8 auf dem höchsten Stand seit sieben Monaten und wieder in Expansion anzeigendem Terrain. Aber auch in anderen Schwellenländern hat sich die konjunkturelle Einschätzung von den jahresanfänglichen Eintrübungen erholt. Von dieser Stabilisierung wird zukünftig die deutsche Exportwirtschaft, insbesondere der deutsche Mittelstand, profitieren.

Denn die grundsätzlich hohen ifo Geschäftserwartungen wirken belebend auf deutsche Mittelstandsaktien. Auch zum 15-jährigen Jubiläum des SDAX (Small-Cap-DAX) können die Aktien aus diesem Mittelstandsindex ihre seit 1999 mit kleinen Unterbrechungen anhaltende Outperformance gegenüber dem DAX fortsetzen. Ähnlich wie der MDAX (Mid Cap-DAX) gilt der SDAX als Sammelbecken für Weltmarktführer u.a. aus den Bereichen Autozulieferer, Maschinenbau, Agrar oder Immobilien.

Noch zu Zeiten der geplatzten Dotcom- und Immobilienblase 2001 bzw. 2007/2008 zeigte sich jeweils in Vorahnung auf schwächere, wirtschaftliche Bedingungen eine klare Underperformance des SDAX zum DAX. Dieses Bild kommt aktuell nicht zum Ausdruck.

GRAFIK DER WOCHE

ifo Geschäftserwartungen und Wertentwicklung des SDAX gegenüber dem DAX, indexiert

Nicht zuletzt erhält der deutsche Mittelstand Unterstützung von der deutschen Binnenkonjunktur. So liegt der GfK Konsumklimaindex mit einem Wert von 8,9 auf dem höchsten Stand seit Dezember 2006. Der Index der Anschaffungsneigung konnte sogar noch weiter zulegen. Hintergrund sind die stabile Beschäftigungslage, reale Einkommenszuwächse und die unattraktiven Sparzinsen.

Aktuelle Marktlage und Charttechnik

Aufgrund von befürchteten Energieversorgungsengpässen können die Aktienmärkte über den Sommer zu einer erhöhten Korrekturanfälligkeit neigen. Ein Ölpreisschock wie 1973 oder 1979/80 ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings nicht zu befürchten. Dagegen spricht eine weltweit große „Koalition der Willigen“ die energietechnisch an einem Strang ziehen muss, um Eintrübungen der Konjunkturstimmung vorzubeugen.

Ohnehin, unabhängig von der weiteren politischen Entwicklung in der Ukraine scheint die russische Gasversorgung keine Beeinträchtigung zu erfahren.

Mit der weiteren Konjunkturdynamisierung in den USA und den Schwellenländern erhalten deutsche Aktien in der zweiten Jahreshälfte eine starke fundamentale Unterstützung, die ihre Underperformance gegenüber den Euro-peripheren Aktienmärkten auslaufen lässt. Hiervon werden insbesondere die Mittelstandsaktien profitieren.

Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Konsolidierung im DAX als reinigendes Gewitter zu sehen, bevor der Leitindex wieder Anlauf nimmt, um bis zum Jahresende mindestens die Marke von 10.500 Punkten zu erreichen.

Aus charttechnischer Sicht ist kurzfristig eine Ausweitung der Korrektur im DAX nicht auszuschließen. Dabei trifft er bei 9.800 Punkten auf eine solide Unterstützung. Danach bietet die Marke bei 9.720 und darunter der im Bereich von 9.600 Punkten liegende Widerstand Halt.

Umgekehrt ist auf dem Weg nach oben Platz bis zum ersten, allerdings schwächeren Widerstand bei 9.921 Punkten. Darüber ist Raum zum bisherigen Allzeithoch bei 10.050 Punkten. Sollte diese Marke kurzfristig überwunden werden, sind Kursgewinne bis rund 10.200 Punkten und darüber bis zur oberen Begrenzung des seit Juni 2013 bestehenden Aufwärtstrendkanals von derzeit 10.900 Punkten zu erwarten.

Und was passiert in der nächsten Woche?

In China signalisiert der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe eine Konjunkturstabilisierung.

In den USA weist ein stabiler ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe auf eine anhaltende Erholung der US-Konjunktur hin. Solide fallen auch die Auftragseingänge in der US-Industrie im Juni aus. Das schlägt sich auch am US-Arbeitsmarkt über einen weiterhin soliden Beschäftigungszuwachs bei sinkender US-Arbeitslosenquote nieder.

In Euroland dürften die Inflationsdaten auf eine notorisch schwache Verbraucherpreisentwicklung hindeuten. Auf der anstehenden Zinssitzung der EZB ist nach dem zuletzt beschlossenen umfangreichen Maßnahmenpaket zunächst jedoch noch nicht mit weiteren Schritten zu rechnen. Draghis Verbalerotik bleibt aber offensiv.

HALVERS WOCHE

Das Land der Mitte ist für Deutschland das Land des wirtschaftlichen Lächelns

Laut Umfragen ist Deutschland in der Welt so beliebt wie nie zuvor. Jedoch scheint uns niemand mehr zu mögen als die Chinesen. Sie sind regelrecht entzückt von der deutschen Kultur, die der großen Heidelberg-Romantik der Amerikaner in Nichts nachsteht, sondern noch einen oben drauf setzt. Besonders verliebt sind die Chinesen in unsere Industriegüter, in unsere „Technik, die begeistert“ oder in unseren „Vorsprung durch Technik“ und natürlich in unsere Autos. Der Vertriebsdirektor einer deutschen Premiummarke muss sich auf der Shanghai Auto Show wie der Messias fühlen.

Ist Chinas Wirtschaft gesund, freut sich die deutsche Exportindustrie

Bei seiner wirtschaftlichen Weiterentwicklung, insbesondere seiner Binnenkonjunktur, ist China an innovativem Industrie-Know How weiter hoch interessiert. Wir sind also gut beraten, uns weiter in den Dienst der chinesischen Wirtschaft zu stellen und dafür zu sorgen, dass die im Land der Mitte laufenden Werkbänke „Made in Germany“ tragen.

Denn damit wird uns eine Sorge abgenommen, die unseren europäischen Partnern deutlich zur Last fällt. So manche deutsche Exportbranche schreibt wegen China schwarze Zahlen. Unsere europäische Konkurrenz dagegen beschäftigt sich nicht nur in punkto Liebe mit der Farbe Rot. Es wäre falsch, zu behaupten, dass das Wohl und Wehe der deutschen Wirtschaft von China abhängt. Aber wenn Chinas Konjunktur rund läuft, spricht wenig dafür, dass unsere eiert. Dass erklärt auch den hohen Gleichlauf der Jahresveränderung des chinesischen Einkaufsmanagerindex mit dem deutschen ifo Index der Geschäftserwartungen.

Liebesbeziehung zwischen Hühnchen süß-sauer und Bulette noch weiter ausbaufähig

Ab Herbst bekommt der Frankfurter Finanzplatz die höheren, nämlich chinesischen Weihen. Frankfurt wird dann zum Handelszentrum der Eurozone für die chinesische Währung. Vor allem kleinere deutsche Unternehmen können dann die technische Zahlungsabwicklung von Geschäften mit chinesischen Partnern in einer Zeitzone, einer Sprache und zu günstigen Konditionen abwickeln. Im bilateralen Handel wird der Turbo eingeschaltet. Unser zu Recht gelobter deutscher Mittelstand, der sich börsennotiert im Mid Cap-Dax (MDAX) und Small Cap-Dax (SDAX) tummelt, kann sich dann noch mehr der nachhaltig wachsenden chinesischen Volkswirtschaft widmen.

Nicht zuletzt kommen chinesische Anleger über Frankfurt auf den Geschmack eines direkten Zugangs zu den europäischen Kapitalmärkten. Und über die Mainmetropole kommt China ebenso einige Schritte weiter auf dem Weg, den Renminbi mittelfristig zu einer der weltweit wichtigsten Währungen zu machen.

Gute Wirtschaftskontakte zu China schaden nur dem, der sie nicht hat

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Chinesen am liebsten Deutschland als alleinigen wirtschaftlichen Ansprechpartner in der EU hätten. In China ist es üblich, sich an den stärksten Partner zu halten. Der bizarre Irrgarten des Euro-Polit-Bürokratius, bei dem man nie so genau weiß, wer mit wem worüber sprechen darf, ist Peking zu umständlich.

Im konfliktreichen Europa schürt diese starke Achse Peking - Berlin natürlich das Missfallen der anderen 27 EU-Mitgliedsstaaten. Und auch unser Freund und Beschützer, das große Amerika, schaut oft neidisch auf die guten deutschen Beziehungen zur Alternativ-Weltmacht China.

Verschafft sich Deutschland hier etwa einen wirtschaftlichen Vorteil? Warum, weil wir im Gegensatz zu anderen unsere Wirtschafts-Hausaufgaben - zumindest bislang - gemacht haben? Für eine auf industrieller Wettbewerbsstärke fußende, erfolgreiche Exportwirtschaft mit stabilen Arbeitsplätzen muss man sich nicht schämen. Im Übrigen, hierbei ist jeder auch ein bisschen seines eigenen Glückes Schmied. Sich regen bringt Segen.

Es ist zu hoffen, dass die amtierende deutsche Regierung die Anforderungen der Globalisierung weiter ernst nimmt. Auch wenn man mit diesem Wort sparsam umgehen sollte, aber wettbewerbsfähige Standortpolitik ist für Deutschland alternativlos. Schau ich mir allerdings die bisherige Wirtschaftspolitik der GroKo an, ist Raum für Skepsis angebracht.

Müßiggang ist aller Laster Anfang: Denn dann haben auch wir früher oder später nicht mehr viel zu lachen, schon gar nicht in China.

Also Deutschland, ran an die Buletten!

VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK

KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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  • student
    student

    Deutschland ist ohne Zweifel gut beraten, am China-Boom teilzuhaben. Nicht nur im Automarkt, sondern auch in der Weltraumtechnik macht China erste ermutigende Schritte. Die Weltraummission "Jadehase" zur Erkundung des Mondes ist zudem mit Unterstützung des DLR (Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt offensichtlich erfolgreich durchgeführt worden - was den USA missfallen dürfte.

    Um es auf den Punkt zu bringen: geopolitisch ist die wirtschaftliche Stärke für die Alliierten hochbrisant. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass man alles versucht, eine weitere wirtschaftliche Expansion einzudämmen. Die Ukraine steht im Focus der USA als Spielball für die Kontrolle der Energiezufuhr von Russland nach Europa. Dazu dient auch die Destabilisierung der Länder Osteuropas und der Ölregion des Orients, um den weiteren Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen gen Osten zu verhindern und militärisch abzuschirmen.

    Viele Grüße

    21:59 Uhr, 30.06. 2014