Kommentar
07:27 Uhr, 16.02.2018

GroKo schon vor Beginn am Ende: Kommt doch noch Jamaika?

Nun soll es doch noch einmal GroKo sein. Verhindern können das jetzt nur noch die SPD-Parteimitglieder. Hoffentlich treffen sie die richtige Entscheidung.

Die SPD war für Deutschland selten so wichtig wie jetzt. Wichtig ist freilich relativ. Mit einem Wahlergebnis von 20 % bei der Bundestagswahl kann man nicht gerade von einem Mammut im Parlament sprechen. Trotzdem ist die SPD wichtig. Sie kann die GroKo noch verhindern.

Es kommt auf die Parteimitglieder an. Stimmen diese gegen den Koalitionsvertrag, platzt auch die Koalition. Das sehnt man sich irgendwie herbei. Wird der Vertrag abgelehnt, gibt es vermutlich Neuwahlen. Das ist eigentlich das einzig Richtige.

Der Koalitionsvertrag umfasst knapp 200 Seiten. Der Inhalt ist zwar nicht schlecht, aber er ist eher uninspiriert. Es ist vor allem ein Ausgabenprogramm, welches stark von der SPD geprägt zu sein scheint. Ein paar Ausgabenwünsche der CSU sind allerdings auch darin enthalten.

Nicht alle Mehrausgaben sind schlecht. So sollen etwa insgesamt 7 Mrd. zusätzlich in Bildung fließen. 5 Mrd. davon geht in die digitale Infrastruktur in Schulen. Hier kann man nur sagen: endlich. Auch die 10-12 Mrd., die in den Ausbau des schnellen Internets fließen sollen, sind absolut notwendig.

Weiters sollen 4 Mrd. bereitgestellt werden, um die Langzeitarbeitslosigkeit zu reduzieren. Auch dieser Ausgabenposten ist nicht ganz verfehlt. Auch der Soli soll teilweise abgeschafft werden. Die Steuern sinken also für den einen oder anderen und ganz nebenbei wird das Kindergeld erhöht.

Die marode Infrastruktur kommt bei den Ausgaben etwas zu kurz. Hier soll lediglich eine Milliarde zusätzlich fließen. Dafür wird die Elektromobilität weiter gefördert. Bis 2020 sollen 100.000 Ladestationen stehen.

Deutlich teurer wird wohl das Rentenvorhaben. Es wurde eine Garantie des heutigen Niveaus von 48 % bis 2025 ausgesprochen. Ebenso soll es eine Grundrente geben, die 10 % über der Mindestsicherung liegt. Hiervon profitieren Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, aber aufgrund des geringen Einkommens nur die Grundsicherung bekommen würden.

Gleichzeitig soll Wohnraum wieder bezahlbarer werden. 1,5 Mio. neue Wohnungen sollen entstehen. So gehen 2 Mrd. in den sozialen Wohnungsbau. Wohneigentum wird ebenfalls gefördert, mit 1.200 Euro pro Jahr und Kind, sodass sich gerade Familien Wohneigentum besser leisten können.

Für mehr innere Sicherheit sollen 15.000 zusätzliche Polizisten sorgen. Auch eine Begrenzung der Zuwanderung auf 180.000 bis 220.000 könnte dazu einen Beitrag leisten, ob nun effektiv oder zumindest gefühlt.

Wenn man sich das Programm so durchliest, wirkt es gar nicht so schlecht. In den Medien hört man viel Kritik: es wird zu viel ausgegeben, es wird zu wenig investiert usw. Gute Argumente dafür, weshalb 5 Mrd. für den Ausbau der digitalen Infrastruktur in Schulen nun aber schlecht sein sollen, habe ich noch nicht gehört.

Für meinen Geschmack müsste das eine oder andere Geschenk nicht sein. Ob das Baugeld von 1.200 Euro pro Kind und Jahr nun wirklich sein muss, sei dahingestellt. Es ist aber weniger das, was in dem Vertrag steht, das stört, als das, was dort eben nicht steht. Bis auf den Ausbau des schnellen Internets gibt es wenige Punkte, die die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland erhalten oder stärken werden. Das ist enttäuschend und ziemlich uninspiriert.

Trotzdem: wir haben schon deutlich schlechtere Koalitionsverträge gesehen. Es ist ein Schönwettervertrag. Das stimmt. Ist dies aber ein Grund, ihn abzulehnen? – Nein.

Den Koalitionsvertrag kann man unterstützen. Wer ihn unterstützt, muss sich danach nicht schlecht fühlen. Es ist aber auch nicht der Vertrag, der belastet, sondern die Politiker. Die SPD zerlegt sich weiterhin selbst. Ihr ist es vergleichsweise gut gelungen, SPD-Inhalte im Vertrag festzuschreiben, doch dies auch nur, weil sie die CDU erpressen konnte.

Die CDU hat auf viele Dinge verzichtet. Ihr Motto war: Regierung – um jeden Preis. Das zeigt sich auch an der Verteilung der Ministerien. Die CSU hat irgendwie mitgemacht. Immerhin kann sie sich über eine Art Obergrenze bei der Einwanderung freuen.

Die Art und Weise wie die Koalition geschmiedet wurde, ist ein echtes Problem. Man kann schon von politischer Un-Kultur sprechen. Praktisch alle Spitzenpolitiker haben sich in den letzten Wochen gehörig besudelt. Kein Wunder, dass viele Menschen sauer sind. Das zeigt sich inzwischen auch in den Umfragen.

Um dieses Desaster der Zwangsehe aus CDU/CSU und SPD – geschmiedet in Angst und Erpressung – doch noch zu verhindern, muss die SPD-Basis ein klares Nein abgeben. Dann kann es Neuwahlen geben, bei der dann auch die alte Garde hoffentlich weg ist. Bei Neuwahlen dürfte Deutschland nur noch durch eine Jamaika-Koalition regierbar sein. Das ist vielleicht nicht leicht, aber genau das braucht es wohl für einen Neuanfang.

Dass es einen Neuanfang geben wird, bezweifle ich. Die Angst gerade davor wird am Ende die Parteimitglieder wohl zu einem Ja bewegen.

Clemens Schmale

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28 Kommentare

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  • wolp
    wolp

    Greece hochgestuft. Rating B. Da freue ich mich für die Griechen, so viele Einschränkungen und Kürzungen taten sehr weh. Drücke ganz fest die Daumen, dass es weiter aufwärts geht!

    15:19 Uhr, 17.02. 2018
  • godfather
    godfather

    Die zwei wichtigsten Probleme sind folgende:

    1. Permanente Euro „Rettung“ -> SW: QE, ESM usw.

    2. Migrationskrise

    Und so werden sie gelöst: Wir gründen die vereinigten Staaten von Europa!

    Die Taregt-2 Salden u.ä. verschwinden dann mangels nationaler Notenbanken und der Euro ist unumkehrbar (Mutti würde sagen: alternativlos).

    Um die Verteilung der Migranten braucht sich dann auch kein Land mehr zu streiten, sie können hingehen wo sie wollen.

    Wer nicht selbst auf den (die) Haken an der Geschichte kommt, sollte sich mit dieser Lösung vertraut machen, denn die deutsche Politik strebt so etwas m.E. an. Für alle anderen ist es sicher keine Lösung, vielmehr eine garstige Vorstellung…

    15:08 Uhr, 17.02. 2018
  • Regga
    Regga

    ...Gute Argumente dafür, weshalb 5 Mrd. für den Ausbau der digitalen Infrastruktur in Schulen nun aber schlecht sein sollen, habe ich noch nicht gehört.

    Sehr geehrter Herr Schmale,

    Ich denke es wird höchste Zeit für Sie, sich mit Themen wie digitale Demenz und den nicht widerlegbaren Vorträgen von Dr. Manfred Spitzer zu beschäftigen.

    Es ist erschreckend, aber nicht verwunderlicher, was für ein Bärenbetrag zur Volksverdummung bereitgestellt werden soll.

    Beste Grüße

    15:01 Uhr, 17.02. 2018
  • nodey88
    nodey88

    Keine Erpressung: Warum die Härte der SPD in den Verhandlungen Erpressung sein soll, die Härte der CDU/CSU wegen diverser roter Linien, z. B. Obergrenze hier, Ablehnung diverser Vorhaben der SPD da, nicht, das erschließt sich mir nicht. Nachdem die CDU/CSU sich vorher beim Koalitionsvertrag so gut durchgesetzt hat, ist es völlig legitim, dass sie nachher bei den Ministerien etwas entgegen kommt. Das sehe ich mit dem angeblichen Motto "Regieren um jeden Preis" auch falsch beschrieben.

    12:41 Uhr, 17.02. 2018
  • Aufwachen
    Aufwachen

    Interessant finde ich, dass sich damit gebrüstet wird, den Soli teilweise bis ganz abzuschaffen, ist er doch de facto ab 2019 eh verfassungswidrig...

    12:32 Uhr, 17.02. 2018
  • Mason1873
    Mason1873

    Herr Schmale, Ihr Artikel ist nicht schlecht. Aber wie so oft trauen Sie sich nicht, die wirklichen Probleme beim Namen zu nennen. Problem Nummer 1 ist die Zuwanderung und die gescheiterte Integration arbeitsunwilliger und -unfähiger Migranten. Problem Nummer 2 ist die Steuerlast, die laut OECD schon jetzt die zweithöchste der Welt ist und durch Problem Nummer 1 in den nächsten Jahren weiter steigen wird. Problem Nummer 3 ist die Euro-Krise. Die Verschuldung der südeuropäischen Länder ist heute viel höher als unmittelbar nach der Finanzkrise. Die nächste Krise kommt bestimmt - und Deutschland wird wieder zahlen müssen. Diese Regierung hat kein Konzept, keine Ambitionen für Deutschland. Hinzu kommen Probleme wie die Energiewende, die laut FAZ bis zum Jahre 2030 1 Billion kosten wird, und hausgemachte Probleme wie die Diesel-Krise. Deutschland wird in die Geschichte eingehen als das Land, das nach der friedlichen Wiedervereinigung alle Chancen der Welt hatte und sich und Europa - besoffen vor Glück - in die nächste tiefe Krise stürzte. Ich werde bei der nächsten Wahl die AfD wählen. Und bevor jetzt wieder einer ankommt und mich als Nazi beschimpft: Mehr Migrationshintergrund als ich kann man gar nicht haben.

    10:42 Uhr, 17.02. 2018
    2 Antworten anzeigen
  • Teebeutel
    Teebeutel

    @Data75

    Oh, dann lasst uns doch mal die europ. Verträge (Dublin 2) und das Grundgesetz einhalten. Die Mehrzahl der Menschen sind Wirtschaftsmigranten. Sind ja nicht alles Syrer die kommen, zumal sich das eh nicht alles feststellen lässt. Die Pässe hat man ja verloren, oh Wunder das Handy ist aber noch da. Und die sind alle 15, garantiert. Die kriegen halt schon mit 10 einen Vollbart.

    21:21 Uhr, 16.02. 2018
  • Zukunft21
    Zukunft21

    macht die Lichter aus in Berlin und schaltet erst wieder ein wenn die alten das Parlament verlassen haben und neue Leute da sind die etwas bewegen wollen und nicht nur in die eigene tasche wirtschaften möchten.

    Ist ja nicht mehr mit an zu sehen was die da abziehen.

    Hoffe die AFD wird bald an der SPD ( selbsternannte Volkspartei mit noch 16% was eh schon ein Witz ist) vorbei ziehen !!

    18:08 Uhr, 16.02. 2018
  • Merl
    Merl

    Mit etwas Mut hätte die SPD in der letzten Legislaturperiode eine Rot Rot Grüne Regierung bilden können. So hätte sie eine linke Alt. Zeigen können. Diese Chance gibt's nicht wieder.

    15:11 Uhr, 16.02. 2018
  • Herby Blash
    Herby Blash

    Die Altersarmut und Finanzierung der Renten wird das Thema der nächsten Jahrzehnte. Die Gutverdiener gehen in Rente aber die junge Generation wird die stetig steigenden Beiträge nicht verkraften können, durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Minijobs, Zeitarbeit und generell niedrigeres Lohnniveau im Vergleich zu den Renten. Wenn diese Generation dann in Rente geht und eh nur noch nen Rentenniveau von 40 % hat und dann auch ab 2040 100 Prozent der Rente versteuern darf ist die Altersarmut vorprogrammiert. Da rollt was auf die Gesellschaft zu was die Politik nicht in den Griff kriegen wird, die schieben nur vor sich her (sind selber ja auch nicht von belastet). Das Thema ist unangenehm weil alle bluten müssen, daher lässt man es einfach so laufen.

    Das Gesundheitssystem ist ebenfalls zum Scheitern verurteilt, 2 Klassenmedizin wird sich noch verstärken. Aktuell schwimmen die GKV auf einer Welle des wirtschaftlichen Erfolgs, sollte der mal ausbleiben wird es böse krachen in den Beiträgen. Gleiche Spirale wie bei den Renten setzt sich in Gang, Mehr Alte, mehr Kosten, weniger Beitragszahler usw.

    Da steckt gesellschaftlicher Sprengstoff drin.

    12:44 Uhr, 16.02. 2018

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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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