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12:45 Uhr, 23.03.2013

Große Wende beim Gold und niemand schaut hin?

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In China gibt es an jeder Ecke Läden, in denen man Gold kaufen kann. In Deutschland gibt es an jeder Ecke Läden, in denen man Gold verkaufen kann. Beides gab es vor zehn Jahren noch nicht. Ist das nicht ein treffendes Beispiel für den Wandel, den die Welt gerade durchläuft?

Ist es eine gute Idee, sein Gold zu einem dieser Läden zu bringen? Wahrscheinlich nicht. Der physische Goldbesitz sollte dem Motiv des Werterhalts dienen. Goldbarren und Goldmünzen sind eine Versicherung für den Ernstfall. Alles, was ich im Folgenden schreiben werde, basiert darauf, dass der Ernstfall, wie auch immer der aussehen möge, nicht eintritt.

Der Ernstfall ist "ex-Chart" zu betrachten. Eine Staatspleite eines großen Landes, Kriege, Hyperinflation, geschlossene Banken und Börsen: Schwarze Schwäne dieser Art kann man mit der charttechnischen Analyse nicht herauslesen. Ich möchte nicht sagen, dass "den Ernstfall" erwarte. Die Risiken - Sie wissen es - sind aber natürlich gegeben. Wer dem System misstraut, wer schwarze Schwäne erwartet, die zur einer grundlegenden Änderung der Spielregeln führen werden, welche, die die Situation völlig verändern, die alles umkrempeln, all jene, die deshalb Gold kauften, um sich zu versichern, sollte folgerichtig die taktischen Schwächeanzeichen im Goldpreis, die sich zeigen, nicht allzu ernst nehmen.

Taktische Investoren, die Gold in der Vergangenheit über börsennotierte Produkte, aber auch physisch mit dem Motiv der Wertsteigerung erwarben, sollten aber eine Korrektur nicht mehr ausschließen. Seit November tendiert der S&P 500 Aktienindex in den USA aufwärts, das Gold abwärts. Das ist das erste Mal der Fall innerhalb des gesamten zwölfjährigen Haussezyklus des Goldes, dass es fällt, während Aktien steigen.

Es könnte also zu einer Korrektur im Goldpreis kommen. Seit dem Jahr 2001 gab es kein einziges Jahr mit einem fallenden Preis. Eine derart starke Anstiegsphase, die nicht von Korrekturen unterbrochen wird, ist extrem ungewöhnlich für jeden Markt, auch für das Gold. Eine Korrektur ist überfällig.

Das Quartal neigt sich dem Ende zu. Betrachten wir daher einmal den Quartalskerzenchart von Gold in USD seit dem 3. Quartal des Jahres 1990. Eine Kerze entspricht dem Preisverlauf eines Kalenderquartals. Im Chart sind alle Informationen meiner Analyse hinterlegt:

Die Candlestick-Analyse bringt also ein bärisches Muster hervor. Dieses wird durch eine Veränderung der Fundamentaldaten bekräftigt. Die Nachfrage nach physisch besicherten Gold-Fonds schwächt die Investmentnachfrage nach Gold. Noch nie seit Erfindung von börsennotierten und mit Goldbarren besicherten Gold-Fonds vor etwas mehr als zehn Jahren gab es weltweit dermaßen starke Abflüsse wie in den vergangenen Wochen. Investoren verkauften 160 Tonnen Gold über diese Produkte. Mit 2450 Tonnen (Bloomberg-Berechnung) sind die Bestände auf den niedrigsten Stand seit sieben Monaten gefallen. Die jüngste Korrektur beim Goldpreis wird von Investoren also nicht genutzt, um ihre Bestände zu günstigeren Goldpreisen zu erhöhen. Das steht im starken Kontrast zur Goldpreiskorrektur des Jahres 2008. Damals fiel der Goldpreis um über 30%. Damals stürzten sich Investoren regelrecht auf das günstiger werdende Gold. Das ist dieses Mal anders.

Das liegt wahrscheinlich an Folgendem: Als Folge der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken steigen die Preise am Geldmarkt immer weiter an. Ursächlich hierfür ist die relative Elastizität des Angebots. Die Flut an Zentralbankliquidität sorgt für steigende Preise bei knappen Vermögenswerten, lässt aber die Warenpreise in den Läden relativ konstant, da es in der Realwirtschaft weltweit Überkapazitäten gibt.

Am Geldmarkt gibt es eine Knappheit an Vermögenswerten. Es existiert nur eine begrenzte Anzahl guter Aktien, deren Unternehmen robuste Cashflows, gesunde Bilanzen und eine verlässliche Dividendenhistorie vorweisen können. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Immobilien in Bestlagen, die gerade zum Verkauf angeboten werden. Daher ist dort der Effekt steigender Preise, die durch die Liquidität der Zentralbanken erzeugt werden, besonders stark zu spüren. Das liegt auch daran, dass relativ zum Anleihenmarkt der Aktienmarkt in den vergangenen zwölf Jahren kleiner geworden ist, während der Anleihemarkt massiv wuchs.

Ein Warnzeichen für Gold ist der Verlauf des Standard & Poor's Index für amerikanische Standardaktien gegenüber dem Goldpreis. Diese Verhältniszahl bildete in den Monaten Januar 2011 bis Dezember 2012 eine charttechnische Bodenbildung aus. In der Spitze der so genannten inversen-SKS-Bodenbildungsformation - das war im September 2011 - benötigte man nur noch 0,59 Unzen Gold, um den S&P 500 Index zu kaufen. Heute benötigt man 0,97 Unzen dafür. Der damalige Wert von 0,59 war der niedrigste seit dem 22. August des Jahres 1988.

Wenn wir uns jetzt den 22. August als Datum näher betrachten, finden wir erstaunliches heraus.

Gold bildete am 22. August und 23. August 2011 einen Widerstand bei 1917,90 auf Tageskerzenbasis aus. Auch wenn in den Medien der September 2011 immer wieder als Startzeitpunkt der Korrektur beim Gold bezeichnet wird, ist das nicht ganz korrekt. Die Korrektur begann am 22. auf den 23. August - und damit, das kann nur ein Zufall sein - exakt zum 23. jährigen Jubiläum der Outperformance von Gold relativ zum S&P 500 Index. Denn das Tief dieser Verhältniszahl, das am 22. auf den 23. August 2011 erreicht wurde, entsprach exakt dem Tief vom 22. August 1988. Das Tief der Ratio fiel übrigens auch exakt auf den 22. / 23. August 2011.

Für taktische Anleger bedeutet es, dass ein wichtiger Wendepunkt im Anlegezyklus erreicht sein könnte. Aktien sind von nun an bei Korrekturen zu kaufen und Gold ist bei Preiserholungen zu verkaufen.

Aber ein Chart sagt mehr als tausend Worte. Schauen Sie sich den Verlauf der S&P 500 / Gold - Ratio seit dem Oktober 1985 an:

Herzliche Grüße

Ihr Jochen Stanzl

Rohstoffanalyst Limitup.de / Godmode-Trader.de

Wen es interessiert: Mein Kollege Armin Geier hat in der letzten Ausgabe des Gold- & Rohstoff-Reports eine Zertifikate-Strategie erarbeitet, um von einer möglichen Fortsetzung der Outperformance von Gold relativ zum S&P 500 Index marktneutral profitieren zu können.

Die Ausgabe können Sie HIER herunterladen.

Photo By ShuttrKing|KT

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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