Griechische Anleihen: Doch noch ein Gewinn?
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Bei den Ereignissen der letzen Wochen sage noch einmal jemand, Anleihen seien langweilig. Die Schlacht um den Schuldenschnitt ging für die meisten Anleger verloren. Wer darauf spekuliert hat, griechischen Anleihen würden zu 100% zurückgezahlt, wurde bitter enttäuscht. Wer bis Anfang März eine solche Anleihe im Depot hatte, z.B. die inzwischen berühmte März Anleihe, hat jetzt gleich mehr als 20 davon. Mehr ist in diesem Fall jedenfalls keineswegs besser. Im Gegenteil, Anlegern bleibt nur verärgertes Warten. Mein Kollege Daniel Kühn hat ausführlich darüber berichtet.
Wie kann jetzt ein solches Ärgernis doch noch nützlich sein? Im Zuge des Schuldenschnitts und dem Tausch alter in neue Anleihen wurde auch eine BIP-Wachstumsanleihe begeben, eine sog. GDP linked Security (WKN: A1G1UW). Der Kupon der Anleihe, also die jährliche Zinszahlung, hängt dabei vom BIP Wachstum Griechenlands ab. Im Detail ist dieses Konstrukt nicht ganz unkompliziert, aber der Blick auf die Details lohnt sich.
Die Anleihe wurde zu einem Prozent der Nominale von 100 begeben, also einem Euro. Seit die Anleihe gehandelt werden kann, wurde der Kurs regelrecht in den Keller geprügelt und verlor in der Spitze insgesamt über 50%. Die Implosion des Kurses ist nachvollziehbar, denn die wenigsten können abschätzen, was diese Anleihe wirklich wert ist. Bis 2015 passiert nämlich erst einmal gar nichts. Ab 2015 erfolgen dann jährliche Zahlungen, wobei die Auszahlung an zwei Bedingungen geknüpft ist. Zum einen muss Griechenland ein bestimmtes Wachstum vorweisen und zum anderen muss das BIP Griechenlands bestimmte Grenzen überschreiten. Werden diese zwei Bedingungen nicht erfüllt, erfolgt auch keine Zinszahlung. Wenn man jetzt einmal vom Idealfall ausgeht und bis zum Laufzeitende am 15.10.2042 ab 2015 jedes Jahr die Bedingungen erfüllt werden, wird es interessant. 9 Jahre lang, also bis 2023, kann der Maximalbetrag von einem Prozent auf die Nominale erreicht werden. Ein Prozent klingt nicht viel. Bedenken Sie aber, dass man die Anleihe derzeit um 0,66% kaufen kann, entspricht das jährlich einem nominellen Gewinn von 150%! Ab 2023 sinkt dann die Zinszahlung jedes Jahr um 0,05 Prozentpunkte. 2024 wäre entsprechend noch eine Zahlung von 0,95%, 2025 von 0,9% usw. erreichbar. Bis Laufzeitende sinkt die Auszahlung auf 0%. Insgesamt ist im Idealfall eine Auszahlung von 18,62% der Nominale möglich. Bei einem Kaufkurs von 0,5% macht das stolze 2.800% Gewinn. Wenn Sie sich jetzt denken, dass das zu schön um wahr zu sein ist, haben Sie wahrscheinlich Recht.
Es gibt zwei große Unsicherheitsfaktoren. Einerseits könnte Griechenland noch immer in den Bankrott gehen, andererseits sind die Zinszahlungen sehr ungewiss. Um 2015 die max. Zinszahlung zu erhalten, muss das BIP 2014 bei 210,1 Milliarden Euro stehen und real 2,23% gewachsen sein (Tabelle 1). Für 2011 gehen die BIP Schätzungen derzeit noch etwas auseinander, es dürfte aber ca. bei 210 Milliarden Euro liegen. Bis Ende 2012 soll das BIP noch einmal sinken, auf dann ca. 202 Milliarden. Die Berechnung des Kupons erfolgt etwas umständlich. Das Wachstum, welches Sie in der Tabelle finden, wird mit 1,5 multipliziert und davon wieder eine Wachstumsrate abgezogen. Für 2014 ist diese Rate 2,345%. Das multiplizierte Wachstum für 2014 ist dann 3,345%. Subtrahiert man davon die 2,345% erhält man den Kupon von genau einem Prozent.
Sie sehen, es ist gar nicht so einfach diese Anleihe richtig einzuschätzen. Die starke Kursschwäche deutet darauf hin, dass der Markt momentan nicht sehr begeistert ist. Manche gehen sogar soweit zu sagen, dass sie die Anleihe nicht einmal für 0% Kaufwert im Depot haben wollen. Ich bin mir sicher, die Anleihe ist mehr wert als 0% bzw. 0 Euro. Tausende Prozent wird man damit allerdings wohl auch nicht verdienen können. Spannend ist in diesem Zusammenhang der Vergleich zu Argentinien. Die folgende Grafik zeigt das nominale BIP Wachstum von Griechenland (rote Linie). Die Werte für 2012/13 sind Schätzungen des IWF. Die Wachstumsrate bis 2020 ist die Wachstumsrate, die erreicht werden muss, damit der maximale Kupon ausbezahlt wird. Die schwarze Linie zeigt, wie sich das absolute BIP Griechenlands entwickelt hat und entwickeln müsste. Die blaue Linie Zeigt Argentiniens Wachstum von 1994 bis 2008 und sind reale Werte. Die Parallelen des Wachstums kann man nicht ignorieren. Mehr zum Vergleich der beiden Länder finden Sie auch in einem früheren Artikel von mir.
Der Vergleich zeigt die guten Chancen, dass diese Anleihe nicht einfach nur Schrott ist. So ähnlich die Ausgangslagen sind, so unterschiedlich ist der Umgang mit dem Bankrott. Die wirtschaftlichen Strukturen sind sehr verschieden und trotz der anhaltenden Rezession und Deflation der Löhne ist Griechenland nicht so wettbewerbsfähig wie Argentinien nach 2001. Wachstumsraten um 10% wie in Argentinien sind daher unwahrscheinlich. Wachstumsraten zwischen 3 und 5% sind hingegen durchaus möglich. Die Frage ist nur, ob Griechenland das Tief 2012 wirklich durchschreiten kann. Zieht sich die Rezession bis 2013 oder sogar 2014 ist vorerst mit keiner Zinszahlung zu rechnen.
Argentinien hat nach der Umschuldung übrigens ebenfalls eine BIP wachstumsabhängige Anleihe begeben. Die Bedingungen sind etwas andere gewesen. Generell war allerdings auch hier die Skepsis zunächst recht groß. Von 2006 bis 2007 verdreifachte sich dann der Ausgabepreis der Anleihe. Im Zuge der Finanzkrise brach der Kurs von 15 auf 2 Euro ein, um seitdem wieder zu steigen – in der Spitze wieder bis 15 Euro.
Solche extremen Kursgewinne halte ich bei der Griechenlandanleihe für übertrieben. Ein Vervielfachungspotential hat sie aber allemal. Momentan ist es einfach nicht vorstellbar, dass Griechenland wieder wächst und damit Zinszahlungen fällig werden. Kann Griechenland in einem Quartal allerdings mit einem robusten Wachstum überraschen, dürfte das Interesse der Anleger an der Anleihe wachsen. Die Einschätzung des Wertes dieser Anleihe dürfte sich dann radikal ändern. Der derzeitige Marktpreis ist so gering, dass kaum Zinszahlungen im Preis inbegriffen sind. Würde man einen Diskontierungssatz von 2,5% verwenden, sind bis Laufzeitende derzeit überhaupt keine Zinszahlungen im Preis berücksichtigt. Wie oben beschrieben sind maximal 18,62% zu erwirtschaften. Geht man von einem halbwegs ähnlichen Szenario aus wie bei Argentinien, sollte mindestens die Hälfte der Zinszahlungen erwirtschaftet werden können. Nimmt man zusätzlich noch einen großzügigen Diskontierungssatz von 10%, ist das noch immer ein Barwert von 3,32%, also das fünffache des derzeitigen Kurses.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Anleihe momentan wirklich schwer zu bewerten ist, weil zu große Unsicherheit über die Wachstumsaussichten Griechenlands bestehen. Auf absehbare Zeit dürfte sich daher an der Bewertung der Anleihe im Bereich 0,5-0,8% wenig ändern. Wer in diese Anleihe investieren möchte, trifft definitiv eine hochspekulative Entscheidung. Der mögliche Gewinn kann sehr hoch sein. Anlegern sollte aber bewusst sein, dass sich der Kurs der Anleihe auch gut und gerne noch einmal halbieren kann, auf dem tiefen Niveau lange verharrt und erst ab 2014 wieder steigt. Die Anleihe ist nur für Anleger geeignet, die starke Kursschwankungen aushalten und auf Sicht von 2-3 Jahren das investierte Geld nicht benötigen und im Extremfall auch einen Totalverlust in Kauf nehmen wollen. Idealerweise materialisieren sich Kursgewinne schon viel früher. Darauf sollte man sich als Anleger jedoch nicht verlassen.
"Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten derzeit nicht investiert."
Clemens Schmale
Technischer Analyst bei GodmodeTrader.de
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