Kommentar
09:03 Uhr, 04.12.2015

Griechenland: Turnaroundstory 2016?

Bankenschließungen, Kapitalverkehrskontrollen, Kreditklemme, insolvente Regierung... Die Zeichen für die griechische Wirtschaft stehen außergewöhnlich schlecht. Trotzdem überrascht das Land.

Das dritte Quartal 2015 – geprägt von extremer Unsicherheit und Bankenschließungen – war weniger schlecht als erwartet. Die Wirtschaft schrumpfte 0,9% im Vergleich zum Vorquartal. Das war deutlich besser als die prognostizierte Wachstumsrate von -2,7%. Die Erwartungen wurden übertroffen, doch selbstverständlich ist ein weniger negatives Wachstum als erwartet noch immer ein negatives Wachstum und alles andere als ein Befreiungsschlag.

Die Umstände im dritten Quartal waren so ungünstig, dass es nun eigentlich nur noch bergauf gehen kann. Bereits 2014 zeigte sich eine Stabilisierung. Das BIP-Wachstum lag zeitweise im positiven Bereich (Grafik 1), bevor es mit den angekündigten Neuwahlen nach unten ging.

2015 lag das Wachstum in den ersten zwei Quartalen im positiven Bereich, obwohl der Schuldenstreit das Land paralysierte. Der wirtschaftlichen Lähmung folgte der politische Bankrott und neuen Verhandlungen über zukünftige Finanzhilfen. Im Zuge dessen kündigte der damalige Finanzminister Varoufakis Kapitalverkehrskontrollen und die vorübergehende Schließung der Banken an.

Varoufakis hatte einen solchen Schritt zuvor kategorisch ausgeschlossen, aber ein Idol für Integrität und Ehrlichkeit war er nie. Ein halbes Jahr im Amt hat Griechenland enorm geschadet. Genutzt hat es nur Varoufakis selbst. Er hält inzwischen hochbezahlt Reden (bis zu 60.000 Euro pro Rede) auf der ganzen Welt. Das Geld wird angeblich auf ein Konto im Oman eingezahlt. Das sieht nicht gerade nach einwandfreier Versteuerung aus. Wie dem auch sei, wenigstens scheint einer von Varoufakis politischen Amoklauf profitiert zu haben...

Gegeben der Umstände ist es schon bemerkenswert, dass Griechenland nicht sofort in eine neue, schwere wirtschaftliche Depression gefallen ist. Der Arbeitsmarkt zeigt sich überraschend robust. Grafik 2 zeigt die Entwicklung seit 2004. Seit 2013 sinkt die Arbeitslosigkeit wieder leicht. Die letzten, verfügbaren Daten sind aus August 2015. Saisonal ist der Sommer wegen des Tourismus ein Jobmotor.
Im September und Oktober wird die Arbeitslosigkeit kaum in großen Schritten rückläufig gewesen sein. Es ist jedoch auch nicht von einem sprunghaften Anstieg auszugehen. Es drängt sich immer mehr der Verdacht auf, dass die Wirtschaft ihren absoluten Tiefpunkt erreicht hat.

Eine rasche Verbesserung der Lage ist nicht zu erwarten solange die Banken noch auf wackligen Beinen stehen. Durch die Kapitalverkehrskontrollen und dem de facto Kreditvergabestopp hat vor allem der internationale Handel gelitten. Viele griechische Unternehmen mussten ihre Produktion zwangsweise herunterfahren, weil sie für Importe nicht zahlen konnten, die sie für die eigene Produktion brauchten.

Die Warenexporte sind schwach und könnten 2015 im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen. Der Export von Dienstleistungen (Tourismus) boomt hingegen. Das verbessert die Handelsbilanz erheblich. Tourismus allein ist jedoch kein nachhaltiges Erfolgsmodell. Es muss mehr geschehen – und das wird es.
Die Arbeitskosten sind in Griechenland seit 2008 um 40% gefallen (Grafik 4). Die Produktion in Griechenland ist inzwischen konkurrenzfähig. Was der Wirtschaft nun fehlt ist die Versorgung mit Kredit und vor allem freier Kapitalverkehr. Gleichzeitig muss sich das rechtliche Umfeld soweit anpassen, dass Unternehmen nicht mit überbordender Bürokratie konfrontiert sind.
Ohne Gesetzesreformen ist der Anreiz in Griechenland zu investieren – niedrige Arbeitskosten hin oder her – gering. Reformen wurden Griechenland im Rahmen der neuen Finanzhilfen aufgezwungen. Nicht alle Reformen sind zu begrüßen. Der Abbau von Bürokratie und eine Anpassung des Insolvenzrechts sind jedoch unter den positiven Änderungen, die umgesetzt werden.

Wie dringend Reformen und die Öffnung des Kapitalmarktes notwendig sind zeigt Grafik 5. Dargestellt sind die Investitionen nach Bereichen. Die Investitionen in Immobilien sind auf dem geringsten Stand seit Jahrzehnten. In vielen anderen Bereichen sieht es genauso aus. Das einzige, was zuletzt zulegen konnte, war die Investition in die Kategorie Transport und Waffensysteme. Das ist eher bedenklich als ein Lichtblick. Der Staat hat drängendere Probleme und bessere Verwendungszwecke für Geld als es in Waffensysteme zu stecken.

Der Nachholbedarf der Wirtschaft ist inzwischen riesig. Das Defizit der vergangenen Jahre hat bisher nicht zum erwarteten Turnaround geführt, weil das Finanzsystem gelähmt ist. Ohne ein gesundes Finanzsystem kann die Wirtschaft trotz aller Defizite nicht nachhaltig die Trendwende einleiten. Erste Versuche gab es zu Beginn des Jahres. Durch die ungünstige Entwicklung im Frühsommer sind die nächsten Versuche Anfang 2016 zu erwarten.

Persönlich bin ich seit Sommer im griechischen Markt investiert. Bisher hat das wenig Freude gebracht (aber auch keine großen Verluste), da der griechische Leitindex von den Bankaktien gedrückt wird. Einige Bankaktien sinken gerade Richtung null. Ist der Abverkauf nach den geplanten Kapitalerhöhungen erst einmal vorbei, sollte der Markt insgesamt wieder drehen. Anleger mussten schon häufiger auf einen Turnaround warten. Dass der Leitindex trotz der Crashs der Bankaktien bisher keine neuen Tiefs mehr ausgebildet hat ist ein gutes Signal.

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5 Kommentare

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  • Sani77
    Sani77

    Varoufakis??!! da haben sie wohl den Schuldigen für die schlechte Performance im Depot- vielleicht sollte sich man mit diesem Thema auch kritisch befassen, obwohl dies sicher nicht in auf einer Börsenseite passt! Der Staat ist Pleite und die Banken haben sich durch die Umverschuldung aus ihrer Verantwortung herausgezogen!

    10:49 Uhr, 05.12.2015
  • rondollo
    rondollo

    ich finde man sollte es besser machen

    14:13 Uhr, 04.12.2015
  • Ski-Ghost
    Ski-Ghost

    Wie sind Sie investiert ? In Einzeltitel oder über einen ETF auf den Gesamtmarkt ? Gehebelt ?

    Vielleicht könnten Sie ein Produkt nennen ...

    10:58 Uhr, 04.12.2015
  • sewiet13
    sewiet13

    Sie besprechen das Thema, als ob der Abschwung erreicht sei, obwohl das Wachstum weiterhin negativ ist und aufgrund der Wirtschaftslage auch ein positives auf unbestimmte Zeit nicht erreicht werden kann (ausser durch Bilanzierungstricks oder einmaligen Veraeusserungen die keinesfalls ein verbesserung, sondern eher verschlimmerung bringen.)

    Reformen werden keinen Fortschritt bringen. Der Staat ist pleite! Die Schuldenlast steigt weiter!

    10:46 Uhr, 04.12.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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