Kommentar
18:00 Uhr, 28.03.2008

Gewinne sind nicht immer Gewinne

Das Unternehmen ihre Zahlen schönen, ist bekannt. Gestern habe ich gelernt, in wie starkem Maße das in den USA der Fall ist. Und was sich in den USA durchsetzt, wird irgendwann auch nach Europa kommen. Das ist wie bei Greshams Gesetz - das schlechtere Geld verdrängt das Gute, weil man das gute Geld lieber zu Hause behält.

Gestern moderierte ich ein Seminar „Gewinnqualität“ mit Professor Donn Vickrey, dem Gründer von Gradientanalytics (www.gradientanalytics.com), der größten unabhängigen Bilanzanalyse-Gesellschaft der USA. (Wir wissen ja, dass die Analysten der Banken NICHT unabhängig sind und auch die Wirtschaftsprüfer nicht wirklich.) Fondsmanager und Privatanleger können also nur ihre eigenen Nachforschungen betreiben oder auf Unternehmen und Institute zurückgreifen, von deren Unabhängigkeit sie überzeugt sind.

Eine der Aussagen von Professor Vickrey: Wirklich konservativ – wie es vom deutschen HGB vorgeschrieben ist – bilanzieren in den USA nur sehr wenige Gesellschaften, die meisten „managen“ ihre Zahlen. General Electric (WKN: 851144) war übrigens ein Beispiel hierfür. Etliche manipulieren ihre Zahlen, ohne dass es schon als Betrug zu bezeichnen wäre. Und einige wenige sind kriminell, wie es bei Enron oder Worldcom der Fall war.

Dabei lassen die Grundsätze der amerikanischen Rechnungslegung (US-GAAP) und jetzt auch in Europa die IAS einen sehr weiten Auslegungsspielraum zu. Es ist schon erstaunlich, welche Spielräume die US-GAAP zulassen: Da verkauften US-Pharmafirmen große Mengen von Pillen mit Rabatten an die Apothekenketten, die diese dann auf Lager nahmen. Es war klar, dass die Ketten dann im nächsten Jahr keine Pillen abnehmen würden, dennoch wurde der Umsatz nicht auf beide Jahre verteilt, sondern jetzt gebucht. Bei der Washington Mutual Bank (WKN: 893906) ist laut Vickrey klar, dass in diesem Jahr die Abschreibungen auf faule Kredite massiv zunehmen werden, weil das Management das Problem in den letzten beiden Jahren systematisch verschleiert hat. Was macht das Management? Es ändert den Bonus-Plan, so dass sich ab diesem Jahr Abschreibungen auf faule Kredite nicht negativ auf den Bonus auswirken. So kann man es auch machen!

In der Finanzbranche liegt in den USA noch vieles im Argen. Die größten Wellen der Privatinsolvenzen werden für 2008 und 2009 erwartet, da die meisten schlechten Kredite in den Jahren 2005 und 2006 vergeben wurden. Bei diesen Krediten mit „Teaser-Rates“ (niedrigen Lockzinsen am Anfang) werden 2008 und 2009 die Zinsen angehoben. Von US-Banken sollten Sie sich also fernhalten, mit Ausnahme von American Express (WKN: 850226).

Noch etwas: In den USA sind, nach Professor Vickrey, die meisten Betrugsfälle bei schnell wachsenden Unternehmen sowie im Technologiesektor zu finden. Dort haben die Manager oft ein Motiv zu manipulieren (ihre Vergütung hängt vom schnellen Wachstum ab) und auch Möglichkeiten, Dinge zu verschleiern. Dass bestätigt, was Value-Investoren wie Warren Buffett schon immer sagten: Halten Sie sich an einfache Geschäftsmodelle und schön langweilige Unternehmen.

Derzeit hätte ich zwei davon für Sie: MLP (WKN: 656990) ist der erste und größte unabhängige Finanzdienstleister in Deutschland. Das Unternehmen wächst nur noch mit fünf bis zehn Prozent, weist ein KGV von elf und eine Dividendenrendite von sechs Prozent auf. Vor einigen Wochen kaufte Manfred Lautenschläger (er steht für das „L“) 175.000 Aktien zu einem Kurs von 9,30 Euro. Jetzt bekommen Sie die Aktie für 9,05 Euro.

Bechtle (WKN: 515870) ist ein „langweiliger“ Computerdienstleister aus dem schwäbischen Neckarsulm. Das Unternehmen stellt Computer auf und richtet Netzwerke für kleine Firmen und Handwerker ein – kaum eine aufregende Sache. In der Branche sind zudem die Margen hauchdünn, Bechtle schafft es aber, als Marktführer, kontinuierliche Gewinne zu erzielen. Letzten Herbst kosteten die Aktien noch 35 Euro, jetzt bekommen Sie diese zu 19,63 Euro. Das Unternehmen wächst mit fünf bis zehn Prozent, die Dividende beträgt 3,25 Prozent und das KGV liegt unter zehn.

Ich gehe davon aus, dass Sie sowohl bei Bechtle wie auch MLP in den nächsten zwei bis drei Jahren durchschnittliche Renditen von 12 bis 15 Prozent pro Jahr erzielen und dass das Risiko sehr begrenzt ist.

Auf gute Investments,
Ihr

Prof. Dr. Max Otte

Anmerkung der Redaktion: Prof. Dr. Ist Value Investor und trifft seine Anlageentscheidungen demzufolge basierend auf Fundamentalresearch. Der Anlagehorizont ist strikt langfristig, also auf Sicht mehrerer Jahre. Im Rahmen des von Prof. Dr. Otte angewandten Value Investing Ansatzes werden zwischenheitliche Verluste akzeptiert, es wird bemerkenswerterweise ohne Stoploss gearbeitet.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

Mehr über Harald Weygand
  • Prozyklisches Breakout-Trading
  • Pattern-Trading
  • Makro-Trades
  • Intermarketanalyse
Mehr Experten