Kommentar
06:00 Uhr, 14.11.2008

Gerührt oder geschüttelt? Neue Jobs für Investmentbanker

Liebe Leserinnen, liebe Leser, wer sich beruflich umorientiert, sollte darauf achten, dass seine bisherigen Talente auch im neuen Job zur Entfaltung kommen. Offenbar zeigen viele Investmentbanker in New York da einen vielversprechenden Ansatz: Sie schulen jetzt auf Barmixer um, meldete am Wochenende die Zeitung „Die Welt“. Offenbar gibt es da einen Zusammenhang zur Finanzkrise. Die Schülerzahlen seien um 53 Prozent angestiegen, meldet eine Barmixer-Schule in Manhattan, eine andere verzeichnet immerhin einen Anstieg um 18 Prozent.

Bisher besuchten vorwiegend ausgebrannte Ärzte und Rechtsanwälte in ihrer Midlife-Crisis eine Bartending School. Jetzt also die geschassten einstigen Stars von Bear Stearns, Lehman Brothers und Morgan Stanley. Unterschätzen Sie nicht die Qualifikationen, die man dafür braucht: Bei der Schlussprüfung muss jeder, der bestehen will, in sechs Minuten fehlerfrei zwanzig Drinks mixen. 200 Cocktails muss er dafür auswendig wissen, und das sind beileibe nicht nur Bloody Mary und Caipirinha.

Aber zum Glück bringen Investmentbanker die wichtigste Voraussetzung dafür ja schon mit: Zusammenbraut und verkauft haben sie auch vorher schon einiges, nur nannte sich das bisher „strukturierte Produkte“ oder „Derivate“. Zum Beispiel die unseligen „Collaterized Debt Obligations“ oder „Asset Backed Securities“, also die zu Anleihen gebündelten (faulen) Kredite der US-Häuslebauer, die jetzt reihenweise vom Ausfall bedroht sind.

Da bewies Warren Buffett wohl in zweierlei Hinsicht ungeahnten Weitblick, als er diese Papiere im Februar als „giftige Limonade“ bezeichnete. Offenbar wusste er nicht nur, wie sich dieses Mixgetränk auf die Finanzwelt auswirken würde, sondern er gab auch gleich einen Ausblick auf die berufliche Zukunft einiger ihrer Akteure.

„Da gibt es so etwas wie poetische Gerechtigkeit, die darin besteht, dass die Leute, die diese giftige Limonade gebraut haben, am Ende selbst sehr viel davon getrunken haben“, sagte er. Nun, hoffen wir, dass die künftigen Barmixer Manhattans bei ihrem neuen Job eine bessere Vorstellung davon haben, was sie gerade zusammenmixen. Und dass das sie dann nicht umhaut.

Und denjenigen, die weiter im Investmentbanking bleiben – und das ist schließlich die Mehrheit – wünsche ich, dass auch sie den Überblick über die Zutaten ihrer Anlageprodukte behalten und uns Bankkunden nur das verkaufen, was wir auch vertragen.

Herzlichst

Ihre Carola Ferstl
- Herausgeberin - http://www.carolaferstl.de/

Carola Ferstl ist Moderatorin bei n-tv

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