Geringe Defizite durch nachgelagerte Steuer
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1. In den Vereinigten Staaten werden vom Congressional Budget Office (CBO) langfristige Prognosen für die Entwicklung des Haushaltsdefizits und der Staatsverschuldung vorgelegt. Für die Zehnjahresprognosen sind aktuell die Steuersenkungen und die Effekte der letzten Rezession für die Defizite entscheidend. Für die 75- Jahresprojektionen spielt die Alterung der Gesellschaft die führende Rolle. Derzeit geht man in den Vereinigten Staaten im Jahre 2075 von einem Haushaltsdefizit von etwa 20 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukts aus. Eine Studie des renommierten US-Wissenschaftlers Michael J. Boskin zur nachgelagerten Besteuerung privater Rentensparpläne bringt dieses ungünstige Bild für die ferne Zukunft ins wackeln. Sein Aufhänger ist, dass die zu erwartenden Steuereinnahmen in den Projektionen bislang nicht berücksichtigt werden.
2. Private Altersversorgungsprodukte, wie beispielsweise die individuellen Rentensparkonten 401(k)s unterliegen in den Vereinigten Staaten der nachgelagerten Besteuerung. Sie werden aus unversteuertem Einkommen gespeist und erst bei der Auszahlung im Alter besteuert. Dies hat zur Folge, dass in den Ansparphase dem Staat Steuereinnahmen entgehen, die ihm später in der Entsparphase zufließen. Dies ergibt sich aus dem Ansatz der nachgelagerten Besteuerung und lässt sich nicht bestreiten.
3. Von der Federal Reserve herausgegebene Daten zeigen, dass bereits zum Jahresende 2002 in den gesamten, der nachgelagerten Besteuerung unterliegenden Konten Vermögen im Wert von rund 10,5 Bill. US-Dollar akkumuliert wurden. Dieser Vermögensbestand ist seit 1985 aus unversteuertem Einkommen aufgebaut worden und darf ab dem Jahr 2005 ohne Abschläge abgezogen werden. Da diese Vermögen nicht in den Projektionen des CBO enthalten sind, ist in den kommenden Jahren mit einem tendenziell höheren Steueraufkommen als bisher ausgewiesen wurde zu rechnen. Allerdings muss auf einige Besonderheiten hingewiesen werden: Erstens wird dieser Vermögensbestand nicht im Jahre 2005 komplett aus den Konten abgezogen. Vielmehr dürfte der Entsparprozess zeitlich gestaffelt beginnen und die Ersparnisse dann auch nur sukzessive über einen Zeitraum von durchschnittlich rund 15 Jahren abgezogen werden. Zweitens dürften diese Vermögen eher einer niedrigeren Besteuerung unterliegen, als es der derzeit gültigen Durchschnittssteuersatz Glauben machen lässt. Dennoch ist unbestritten, dass der amerikanischen Staat in den kommenden Jahren mit einem Mehr an Steuereinnahmen rechnen kann, dass er bislang in seinen Kalkulationen unberücksichtigt gelassen hatte.
Über den bisherigen Bestand an Vermögen in nachgelagert zu besteuernden Konten hinaus, prognostiziert Boskin für eine Periode von bis zu 50 Jahren die nachgelagert erzielten Steuereinnahmen mit Hilfe einer Modellrechnung. Diese langfristigen Berechnungen basieren jedoch auf einer Reihe von Annahmen, über deren Angemessenheit sich streiten ließe. Boskin weist in seiner Studie jedoch darauf hin, dass in den derzeitigen Langfristprojektionen des CBO bis zum Jahre 2075 diese Steuereinnahmen nicht berücksichtigt werden. Damit wird das zukünftige Defizit und die Staatsverschuldung in den kommenden Jahrzehnten zu hoch angesetzt. Es ist aus unserer Sicht unstrittig, dass der amerikanische Staat bei der Auflösung der Rentensparpläne in den kommenden Jahrzehnten spürbare Steuereinnahmen generieren wird. Konsequenterweise wären diese in den CBO-Schätzungen einzubeziehen. Das CBO versucht es bereits bei seinen Zehnjahres- Prognosen, für die 75-Jahresprojektionen steht es allerdings noch aus. Wie hoch ist das Volumen der zusätzlichen Steuereinnahmen jedoch sein könnte, hängt in nicht unerheblichem Maße von den Modellannahmen ab.
4. Welche Effekte könnten die Beachtung der Studie und die Veränderung der Defizitprojektionen auf die Rentenmärkte haben? Die Berücksichtigung der zukünftig zu erwartenden Steuereinnehmen aus nachgelagerter Besteuerung dürften, unter sonst gleichen Bedingungen, zu einem geringeren Kapitalbedarf des Staates als bisher angenommen führen. Damit sollte das Angebot von US-Treasuries und damit auch die Renditen gegenüber den Projektionen ohne Einbeziehung der zusätzlichen Steuereinnahmen niedriger liegen. Auch wenn davon auszugehen ist, dass Kapitalmärkte vorausschauend agieren, sollten diese Effekte jedoch für die aktuelle, kurzfristige Entwicklung der Renditen keine Rolle spielen. Langfristig (und damit ist ein Zeitraum von mehr als zehn Jahren gemeint) könnten gerade die Renditen der 30jährigen Staatsanleihen zu niedrigeren Niveaus tendieren als bisher. Allerdings gelten diese Ausführungen nur, wenn die zusätzlichen Steuereinnahmen nicht zu veränderten Steuersätzen und Ausgabenverhalten des Staates führen, die ihrerseits die Defizitdynamik wiederum advers beeinflussen.
5. Fazit: Aus welchen Gründen auch immer wurden bisher bei der Langfristprojektion der US-Staatsfinanzen künftige Steuereinnahmen in erheblichem Umfang nicht berücksichtigt. Bei einer möglichen Einbeziehung handelt sich eindeutig nicht um eine Luftbuchung oder um einen buchhalterischen Trick um die Staatsfinanzen in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen. Die Steuermehreinnahmen werden aber erst in den nächsten Jahrzehnten in durchgreifendem Umfang anfallen, für die Defizite in der unmittelbaren Zukunft sind sie weniger relevant. Die künftige Staatsverschuldung bis Mitte des Jahrhunderts erscheint freilich zu Recht in einem günstigeren Licht, dies könnte indes bei der Politik Begehrlichkeiten wecken, sodass in Folge höherer Ausgabensteigerungen einiges wieder verfrühstückt wird. Auf so lange Sicht bestehen erhebliche Prognoseunsicherheiten. Gleichwohl bleiben die höheren Steuereinnahmen aus der nachgelagerten Besteuerung bemerkenswert und es wäre in den nächsten Jahrzehnten, ceteris paribus, von einem geringeren Kapitalbedarf des Staates auszugehen infolgedessen die langfristigen Renditen (gerade der 30jährigen Staatsanleihen) tendenziell leicht niedriger wären als bisher angenommen.
Quelle: Deka
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