Kommentar
14:03 Uhr, 26.04.2013

Geldpolitik mit olympischem Motto: Schneller, höher, weiter

Die konjunkturelle Stimmung in der Weltwirtschaft zeigte sich zuletzt nur noch verhalten positiv. In China hat sich der von der HSBC Bank veröffentlichte vorläufige Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe auf einen Wert von 50,5 eingetrübt, signalisiert damit aber immer noch - die Expansion anzeigenden Schwelle liegt bei 50 - Wirtschaftswachstum im Sinne eines „soft landing“.

In Euroland konnte sich der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe von seinem Rückschlag im vergangenen Monat nicht erholen und setzt mit einem Wert von aktuell 46,5 seine Eintrübung fort. Die politische Krise in der Euro-Südzone sorgt insbesondere bei Investoren für Verunsicherung. Selbst wenn die Regierungsbildung in Italien unter dem neuen Premierminister und Bersani-Nachfolger Letta erfolgreich ist, dürfte aufgrund der unharmonischen Gemengelage - man denke nur an Berlusconi - eine vernünftige Regierungspolitik nur unter erschwerten Bedingungen möglich sein, von Reformpolitik und Steigerung der italienischen Wettbewerbsfähigkeit ganz zu schweigen. Frankreich kann sich nur auf schwachem Niveau stabilisieren. Insgesamt sind damit die Chancen vertan, dass die Euro-Wirtschaft bereits im Frühling die Rezession überwindet.

Auch die deutsche Wirtschaft kann sich der euro-politischen Verunsicherung nicht entziehen. Das verdeutlichen nicht zuletzt die April-Daten des ifo Instituts. Die Daten zu Geschäftslage und -erwartungen haben sich eingetrübt. Setzt man beide Daten gemäß den vier Phasen eines Wirtschaftszyklus zueinander in Beziehung, befindet sich die deutsche Wirtschaft mittlerweile auf der Schwelle zwischen Boom und Abschwung.

Zinssenkung der EZB voraus

Mit Blick auf die Weltwirtschaft, die dieses Jahr immer noch mit über drei Prozent wachsen wird, dürfte der konjunkturelle Erholungsprozess in Euroland und Deutschland im weiteren Jahresverlauf jedoch wieder Fahrt aufnehmen.

Die EZB hat die erneute Eintrübung der Konjunkturstimmung als Warnsignal verstanden. Auch angesichts einer - zumindest offiziell - niedrigen Inflationsrate von 1,5 Prozent ist bereits in der nächsten Woche eine Zinssenkung um 0,25 Prozent zu erwarten. Zunächst steht dabei die zinspolitische Schwächung des Außenwerts des Euros im Vordergrund, denn die aggressive Währungsabschwächung des Yen zur Exportförderung Japans kann die EZB nicht ignorieren. Denn vor dem Hintergrund eines lahmenden Binnenkonsums sowie schwacher Investitionen ist der Export ein bedeutender Stimulierungsfaktor für die euroländische Wirtschaft. Und auch die positiven Ausstrahleffekte Deutschlands als exportstarkes Konjunkturzugpferd der Eurozone können sich umso mehr entfalten, je schwächer der Euro notiert.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Zinssenkungspolitik der EZB sollte zusätzlich angesprochen werden. Der aktuellen Wirtschaftsschwäche Eurolands muss zur Kompensation mit einer anhaltend hohen Neuverschuldung begegnet werden, um noch gravierendere Wirtschaftsschäden und soziale Probleme - siehe die hohen Arbeitslosenraten in der Euro-Südzone - zu vermeiden. Grundsätzlich erfahren Staatspapiere über eine zu Zinssenkung der EZB am 2. Mai eine Attraktivitätssteigerung. Denn der Zinsspread - die Renditedifferenz zwischen beispielsweise fünfjährigen italienischen bzw. spanischen Staatsanleihen und dem Notenbankzins der EZB - der seit geraumer Zeit rückläufig ist, erhöht sich wieder und gibt Banken insofern Anreize, verstärkt Staatsanleihen nachzufragen, was auch deren Renditen sinken lässt. Neuverschuldung in der Eurozone wird damit auf der Volumen- wie Zinsseite erleichtert.

Eine zweite Zinssenkung der EZB in den nächsten Monaten ist im Übrigen nicht ausgeschlossen. Unterstützt wird dieses geldpolitische Treibmittel durch das Rettungsversprechen der EZB, zur Not unbegrenzt Staatsanleihen prekärer Euro-Länder aufkaufen zu wollen. Die Bonitätsrisiken von Staatspapieren Italiens & Co. sind insofern begrenzt.

Grafik der Woche: Zinsdifferenz von 5-Jahresrenditen Italiens bzw. Spaniens minus Notenbankzins der EZB

Geldpolitischer Optimismus schlägt Konjunkturpessimismus

Die Gewissheit, dass das Sicherheitsnetz massiver Notenbankliquidität unter der Weltkonjunktur gespannt bleibt, hat sich an den Finanzmärkten durchgesetzt. Hinter den Top-Anlageklassen japanischer und US-Aktien - selbst, wenn in Euro gerechnet - konnten sich auch euroländische und deutsche Aktien fangen und sind wieder gefragter als deutsche Staatsanleihen. Auch Aktien aus den Schwellenländern, Rohstoffe - insbesondere Rohöl - erholen sich offenbar von den Konjunkturängsten. Das gilt auch für Gold, dass gestützt durch eine massive physische Nachfrage, nahezu die Hälfte seiner Kursverluste seit dem Einbruch vor zwei Wochen wieder aufholen konnte.

Aktien sind dem Zinsvermögen überlegen

Insgesamt werden Zins- und Staatsvermögen weltweit weiter an Attraktivität einbüßen. Denn eine Zinswende der Notenbanken ist angesichts der konjunkturellen Nöte noch lange nicht möglich. Die sich seit 2007 kontinuierlich verringernden globalen Notenbankzinsen - gerechnet als gleichgewichteter Durchschnitt der Leitzinsen von Fed, EZB und BoJ von aktuell 0,28 Prozent - machen Geldmarktanlagen ebenso unattraktiv wie Staatspapiere, die, ebenfalls in Form einer durchschnittlichen fünfjährigen „Triaden-Staatsanleihe“ gerechnet, mit 0,42 Prozent kaum attraktiver sind. Berücksichtigt man zusätzlich die Inflation, fällt das Urteil für Zinspapiere noch schlechter aus.

Breites Niedrigzinsumfeld im gesamten Anleihebereich

Dieser Attraktivitätsverlust gilt auch für Unternehmensanleihen und Pfandbriefe, die in den vergangenen Jahren deutliche Kursgewinne erzielen konnten. Seit Anfang 2011 konnten in Euro gerechnet - gemessen an den Iboxx Euro Performance Indices - deutsche Staatstitel um gut 15 Prozent zulegen, Unternehmensanleihen um knapp 17 und Pfandbriefe sogar um ca. 19 Prozent. Mit den steigenden Kursen sind die Zinsniveaus im Umkehrschluss stark gefallen. Auf der Suche nach attraktiven Renditen bleibt Anleiheinvestoren einzig die Möglichkeit, auf bonitätsschwache High Yield-Anleihen ausweichen. Selbst diese jedoch konnten im Trend gute Kursgewinne verzeichnen.

Berichtsaison verläuft insgesamt unspektakulär

Caterpillar leidet unter der schwachen Nachfrage aus der Bergbaubranche und muss einen deutlichen Gewinnrückgang zum Vorjahr hinnehmen. Verhalten fällt auch der Ausblick mit einer Gewinnwarnung für das Jahresergebnis aus. Der IT-Konzern Apple muss den ersten Gewinnrückgang seit 2003 aufgrund deutlich sinkender Gewinnmargen hinnehmen, übertrifft damit jedoch dennoch die Erwartungen der Analysten. Der Ausblick ist stabil. Ford kann mit einem robusten US-Geschäft die Nachfrageschwäche in Europa ausgleichen und einen Gewinnzuwachs von gut 14 Prozent erzielen. Der Ausblick mit einem sich fortsetzenden Konzernwachstum in Asien stimmt positiv.

Im Rahmen der deutschen Berichtsaison verzeichnet Daimler einen Gewinnrückgang um knapp 60 Prozent, nachdem sich insbesondere die Märkte in Westeuropa schlechter entwickelt haben, so dass der Autobauer sogar eine Gewinnwarnung für 2013 herausgeben musste. Aktuell rechnet der Konzern ab dem II. Halbjahr 2013 wieder mit einer Ergebnisverbesserung, getrieben durch das Wachstum in den Schwellenländern sowie den USA. Auch Volkswagen hat mit merklichem Gegenwind aus Europa zu kämpfen, was einen Nettogewinnrückgang um gut 38 Prozent zum Vorjahr zur Folge hatte. Trotz des Fehlstarts in 2013 hält der Konzern an seiner Jahresprognose fest und geht von einer im Vergleich zum Gesamtmarkt besseren Entwicklung aus. Bayer konnte aufgrund eines starken Agro- und Gesundheitsgeschäfts eine Nettogewinnsteigerung zwar nur unter Analystenprognose verzeichnen, signalisiert jedoch eine positive Perspektive für 2013. Ähnliche Entwicklungen vermeldet BASF.

Und was passiert in der 18. Kalenderwoche?

Auf Makro-Ebene dürfte in Euroland auf der Sitzung der EZB die Senkung des Notenbankzinses auf das Rekordtief von 0,5 Prozent beschlossen werden.

In den USA wird der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe immer noch wirtschaftliche Expansion anzeigen. Der US-Arbeitsmarkt wird sich zwar von seinem dramatischen Einbruch im März erholt haben, aber dennoch unter der Marke von 200 Tausend geschaffenen Jobs im Privatsektor verharren. Das dürfte die US-Notenbank in der Fortführung ihrer expansiven Geldpolitik bestärken, so dass auf der anstehenden Zinssitzung das Anleiheaufkaufprogramm weiter klare Bestätigung findet.

Auf Unternehmensebene präsentiert ein Drittel der DAX-Unternehmen seine Quartalsergebnisse. Nachdem die Deutsche Bank im Vorquartal unter Sondereffekten zu leiden hatte, sind nun wieder stabilere Zahlen zu erwarten. Ähnliches gilt auch für die Deutsche Börse. Fresenius dürfte aufgrund des Wachstumskurses in den Bereichen Infusions- und Ernährungstherapie robuste Zahlen vorweisen. Unterdessen hat Fresenius Medical Care voraussichtlich weniger als zunächst erwartet unter den Zwangskürzungen im US-Gesundheitswesen zu leiden. Infineon dürfte Analysteneinschätzungen zufolge den anhaltenden Gegenwind aus der Halbleiterbranche zu spüren bekommen. Die Quartalszahlen von BMW werden ähnlich wie die der Konkurrenz von der Absatzflaute in Europa überschattet. Das Ergebnis von Beiersdorf entwickelt sich aufgrund der fortgeführten Expansionsstrategie in den Schwellenländern solide. Die Deutsche Lufthansa dürfte in ihrem Ergebnis vor allem auf anhaltende Erfolge aus ihrem Sparprogramm verweisen. Das gilt auch für Siemens. Adidas sowie Continental dürften von einer robusten Nachfrage aus den Schwellenländern profitieren

Aus charttechnischer Sicht zeigte sich der DAX nach dem Kursrutsch der letzten Woche überverkauft, so dass sich dieser als Ausrutscher entpuppte. Ein erster Widerstand für den DAX auf seinem Weg nach oben wartet nun bei 7872 Punkten. Gelingt ein Sprung über diese Marke, wartet die nächste Barriere bei 7953 Punkten. Darüber liegen die nächsten Widerstände bei 8000 und 8151 Punkten.

Sollte der DAX jedoch erneut unter die wichtige Unterstützung zwischen 7600 und 7550 Punkten zurückfallen, liegt die nächste solide Unterstützung bei 7540 Punkten und darunter an der 200-Tage-Linie bei derzeit 7408 Punkten.

Halvers Woche: Egal wie Wachstum zustande kommt, es ist gut für Aktien

Wachstum ist alles: Es sorgt für Perspektiven, Arbeitsplätze und soziale Ruhe. Daher tun Politiker alles dafür, dass die Wachstumspflänzchen gedeihen. Sollten blühende Landschaften ausbleiben, muss der Staat eben künstlich nachdüngen. Schon der bekannte Ökonom John Maynard Keynes riet zu Staatsschulden, um Wirtschaftskrisen zu verhindern. Leider wird Keynes von Politikern immer wieder nur zur Hälfte gelesen. Denn sobald die Wirtschaft wieder auf festem Boden steht, sollten die Schulden durch Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen wieder zurückgeführt werden. Auch Keynes - nicht seinen staatstragenden Anhängern - ging es um nachhaltiges Wachstum und Haushaltsstabilität.

Wehe, wenn das Wachstum ausbleibt

Aber welche Politiker machen sich schon gerne beim Wahlvolk unbeliebt, indem sie die Spaßbremse spielen und das Füllhorn ausgerechnet dann verschließen, wenn es wirtschaftlich gut läuft? Und daher ging die Verschuldungsspirale weltweit immer munter weiter und bescherte uns in der Tat schöne Wachstumsraten. Den größten Gala-Auftritt hatte die Neuverschuldung nach dem Platzen der Immobilienblase 2008, als sie den System-Gau verhindern musste.

Noch einmal Glück gehabt, oder? Na ja, das damals beispiellos auf Pump wiederbelebte Wachstum hat die Schuldentragfähigkeit vieler Euro-Länder so überstrapaziert, dass die Finanzmärkte deutliche Risikoaufschläge für deren Staatsanleihen verlangten. Diese kräftig erhöhten Fixkosten waren von den Finanzministern nicht mehr zu stemmen. Zudem führte der fromme Versuch von IWF und EU-Kommission, die prekären Länder über strenge Sparauflagen wieder vom Instabilitäts-Saulus zum Stabilitäts-Paulus zu befördern, zu einem Teufelskreis aus abgewürgtem Wachstum, damit automatisch zunehmender Neuverschuldung, insofern weiter steigenden Zinsen, die dann in noch mehr Sparauflagen mündeten, die schließlich erneut Wachstum kosteten. Schließlich stand Euroland Mitte 2012 vor dem Kollaps.

Staatsverschuldung - Nie war sie so wertvoll wie heute

Da alle anderen Stricke gerissen waren - Konsum, Investitionen und Export - blieb den rezessionsgeplagten Staaten nichts anderes übrig als Wachstum nach alter Väter Sitte weiter auf Pump zu finanzieren. Und was ist mit Sparen? Nun, der politische Geist war zwar willig, das wahlpopulistische Fleisch jedoch schwach.

Und was ist mit Schuldentragfähigkeit? In normalen Zeiten hätte sie bereits das Zeitliche gesegnet. Aber in Zeiten wie diesen hat die Finanzpolitik einen guten, nein, einen sehr guten Freund, die EZB. Das elefantengroße Risiko von Staatsanleihen hat sie mit ihrem Rettungsversprechen, zur Not unbegrenzt Staatspapiere prekärer Euro-Staaten aufzukaufen, auf Mückenniveau verkleinert, faktisch eliminiert. Nicht zuletzt deshalb langen die Japaner wie beim Sommerschlussverkauf zu. So sind die Renditen von Staatsanleihen in Spanien oder Italien mittlerweile auf mehrjährige Zinstiefs gefallen, obwohl Italien weder spart, reformiert noch mit der infernalen Dreier-Koalition unter Beteiligung von Altmeister Berlusconi eine wirklich stabile Regierung haben wird. Und Frankreich sonnt sich wie einst der Sonnenkönig im brüderlichen Glanz des starken deutschen Rentenmarkts, obwohl deren Reformwerkstatt längst Kurzarbeit angemeldet hat.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann machen sie noch morgen Schulden

Insgesamt können sich die Euro-Finanzminister mehr Schulden leisten und tun es auch: Laut Eurostat machten im letzten Jahr die 27 EU-Staaten insgesamt über 550 Mrd. Euro neue Schulden. Nicht einmal Pinocchio könnte das noch Sparen nennen. Und damit der Absatz der neuen, schönen, bunten Staatspapier auch ja nicht ins Stocken gerät, wird die EZB über Zinssenkungen den Banken noch mehr Anlass geben, das noch billigere Geld für den Kauf von noch mehr Staatspapieren zu nutzen, was dann deren Renditen noch weiter drückt. Und die Finanzminister können so in punkto Neuverschuldung - wie beim Metzger - auf die Frage, darf es auch etwas mehr sein, beherzt antworten: Ja!

Schulden als Perpetuum Mobile für Aktien

Der Preis der Verschuldung sind höllisch niedrige Renditen für Anleger. Aber für Aktien ist die Kooperation von Finanz- und Geldpolitik ein Himmelsgeschenk. Die einfache Formel lautet: Mehr und billiges Geld = mehr Staatsschulden = mehr Wachstum = höhere Aktienkurse.

Die Beatles haben immer behauptet „Money can’t buy me love“. Zumindest aber scheinen Aktien käuflich zu sein.

Volkswirtschaftliche Prognosen auf einen Blick

Kapitalmarkt auf einen Blick

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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