Kommentar
09:02 Uhr, 16.11.2011

Gelddrucken oder Ende der Währungsunion?

Zwischen der EZB und der Bundesbank als der wichtigsten nationalen Zentralbank tun sich Abgründe auf. Auf der einen Seite die gefühlte Notwendigkeit des Faktischen, auf der anderen das Beharren auf den Prinzipien unabhängigen Agierens im alleinigen Sinne der Geldwertstabilität. Seit Mario Draghi den EZB-Vorsitz innehat und Jens Weidmann sich als Bundesbank-Hardliner entpuppt, ist das Verhältnis nicht gerade entspannter geworden.
Der entscheidende Widerstand gegen die „European Bazooka“, das mehr oder minder unlimitierte Kaufen von Staatsanleihen kriselnder Länder durch die EZB am Sekundärmarkt, ist die „German Angst“ vor Inflation. Diese Furcht ist langfristig durch und durch begründet, eine inflationistische Politik ist in Deutschland wohl nicht durchsetzbar. Allerdings ist es nicht unwahrscheinlich, dass die deutsche Seite irgendwann gezwungen sein wird sich zu entscheiden: Gelddrucken oder Ende der Währungsunion?

Denn darauf läuft es im Falle Italiens hinaus. Schafft es das Land auch unter Premier Mario Monti nicht, das Vertrauen der Kapitalgeber zurückzugewinnen und weigert sich die EZB dennoch auf deutschen Druck hin, weiter italienische Bonds zu kaufen, was bleibt Italien denn dann überhaupt noch übrig? Den Staatsbankrott erklären? Die Staatsverschuldung liegt bereits bei rund 1,9 Bio. EUR, die Anleihen sind quer über Europa auf Banken und Versicherungen verteilt. Selbst als absoluter Gegner von Bailouts, also Rettungsaktionen, muss man bei dem Gedanken an diesen worst case – den Kollaps Italiens – innehalten.
Gäbe es nicht einige handfeste Gründe, die dagegen sprechen, so vor allem die tiefe Freundschaft mit Frankreich, die den Kern der EU bildet, dann müsste man eigentlich Deutschland raten, die Währungsunion zu verlassen. Dann könnte die EZB schalten und walten wie es gerade nötig wäre. Aber es kann sich jeder ausrechnen, dass auch diese „Lösung“ für uns teuer wäre. Und damit meine ich nicht mal Wettbewerbsprobleme wegen einer aufgewerteten neuen DM, sondern vor allem die daraus resultierenden unmittelbaren Vermögensverluste. Sämtliche Anleihen notieren ja schließlich weiter in Euro. Ein Euro ohne Deutschland würde aber mit absoluter Gewissheit dramatisch an Wert verlieren.

Selbst wenn der eine oder andere, was ich durchaus verstehen kann, mit der Rückkehr nationaler Währungen liebäugelt – jetzt ist der falsche Zeitpunkt dafür. Wir müssen Italien unter Monti nun eine Chance geben, sonst senden wir gänzlich falsche Signale auch an die anderen Länder. Bis Glaubwürdigkeit aufgebaut ist, muss diese Chance zur Not auch durch größere Eingriffe der EZB gegeben werden. Das hat Europa verdient. Dabei muss man immer auch Druck aufbauen, denn dafür muss man den Märkten wirklich dankbar sein – sie legen den Finger in die Wunde. Wir müssen die Wunde erkennen und schließen.
Man kann es drehen und wenden wie man will – es gibt ganz einfach keinen schmerzlosen Weg aus der Krise. Wir werden mehrere Kröten schlucken müssen. Die Frage ist, ob sie überwiegend deutsch, französisch oder italienisch zubereitet werden.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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