Kommentar
12:37 Uhr, 16.11.2009

Gedanken zum Derivatemarkt (1) – Blase, Blase!

Zuerst einmal möchte ich meine generelle Einstellung zu Derivaten festhalten. Ich finde diese nützlich und sinnvoll. Ich habe mit diversen Produkten die darauf basieren gutes Geld verdient und bin prinzipiell zu diesen Produkten positiv eingestellt.

Jetzt kommt jedoch das großer ABER. Ich sehe aber riesige Gefahren in diesem Marktsegment und möchte mit dieser Artikelserie die Risiken aufzeigen.

Der Derivatmarkt:

Zuerst einmal der brandaktuelle Bericht zum Derivatmarkt der Schweizer „Bank für Internationalen Zahlungsverkehr“. Ich möchte mich damit nicht lange aufhalten und deshalb die aus meiner Sicht wesentlichsten Daten:
- der OTC-Derivatmarkt ist im 1. Halbjahr 2009 wieder gewachsen
- das Risiko ist aber gleichzeitig gesunken
- was wahrscheinlich mit dem Rückgang der Credit-Default-Swaps (CDS) zusammenhängt, welche wieder vom Volumen gesunken sind und auch der Marktwert dieser Positionen ist zurückgegangen

Für alle die mehr dazu wissen wollen, hier folgt der Bericht: http://www.bis.org/publ/otc_hy0911.pdf?noframes=1

Für alle Goldbugs noch ein kleiner Auszug zu den Rohstoffderivaten:

Commodity derivatives. Amounts outstanding of commodity derivatives stabilised in June 2009 at $3.7 trillion, after a 71% drop in the second half of 2008. While gold contracts recovered 28%, to stand at $0.4 trillion outstanding at the end of June 2009, other commodity derivatives continued to slide, falling 5% to $3.3 trillion. Gross market values of commodity contracts declined further (by 17%).

Aha. Der Markt ist also im 2. HJ 2008 um 71 % zurückgegangen und hat sich im 1. HJ 2009 stabilisiert, wobei der Goldmarkt um 28 % gestiegen ist. (jeder Zusammenhang mit dem steigenden Goldpreis ist natürlich rein zufällig) Also es wurde wieder fleißig Papiergold gekauft. Mehr gibt dieser Bericht für mich nicht her.

Der OCC-Bericht:

Ich habe aber etwas viel interessanteres zum Derivatmarkt in den USA gefunden. Die OCC veröffentlicht quartalsweise Daten zum amerikanischen Derivatmarkt und der hat mir einiges gezeigt.

Wie heißt das alte Zitat: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Daran möchte ich mich heute halten und zeige einige interessante Grafik aus diesem Bericht und gebe auch kurze Kommentare dazu ab.

Zuerst wieder der Link zu den Berichten in seiner gesamten Länge: [Link "http://www.occ.treas.gov/deriv/deriv.htm" auf www.occ.treas.gov/... nicht mehr verfügbar]

Bei einigen Seiten aus den Berichten stelle ich die Zahlen des 2. Quartals 1999 und des 2. Quartal 2009 gegenüber und kommentiere diese jeweils im Anschluss.

Man sieht dabei die Entwicklung des Marktes von 1991 – 2009 recht deutlich (und auch die. Entwicklung der Drucker/Präsentationstechnik: 1999 sind die Daten in Schwarz-Weiß; 2009 in Farbe)

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In den ersten beiden Bildern sieht man das rasante Wachstum von 1991 bis 2009. Die Skalierung ist auch ganz nett. 1999 hat man noch in Milliarden gedacht, während man 2009 nur noch in Billionen US$ die Werte angibt. (erinnert mich ein wenig an das US-Budgetdefizit)

Es ging jedes Quartal beim Gesamtvolumen nach oben, wobei der CDS-Markt seit zwei Quartalen schrumpft. (die AIG-Pleite dürfte hier sicherlich „mitgeholfen“ haben)

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Die obige Gegenüberstellung hinsichtlich der Einnahmen der Banken im 1. und 2. Quartal 2009 sind verdammt volatil. Ich finde hier die Daten des 1. Quartals beeindruckend. Die Einnahmen wurden mit den Zinsprodukten (Interest Rate) verdient. (hier sieht man, dass die Banken von den FED-Zinssenkungen massiv profitieren – wenn man böse wäre, könnte man das bereits einen Bailout der Geschäftsbanken bezeichnen) m 2. Quartal war bei den Zinsprodukten im Vergleich kaum mehr etwas zu verdienen.

Das erste Quartal hat noch Verluste im CDS-Markt gebracht, aber im 2. Quartal hat sich der Markt stabilisiert.

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Die beiden obigen Bilder zur Art der Derivate zeigt deutlich, dass die Zinsderivate (für viele ein Bereich mit wenig Risiko – aber was geschieht bei diesem Volumen, wenn die Zinsen so richtig schön sprunghaft nach oben schießen?????) Der Rohstoffmarkt ist kaum zu finden

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Die beiden Seiten über die Marktkonzentration haben mich echt erschüttert. Als erstes schicke ich voraus, dass in der Übersicht aus 1999 bei den sieben Banken die Investmentbanken nicht inkludiert waren.

2009 gibt es keine großen Investmentbanken mehr in den USA
- entweder wurden sie übernommen (Bear Stearns) oder
- sie gingen in Konkurs (Lehmann) oder
- sie wurden wegen der Refinanzierungsmöglichkeiten der FED zu Geschäftsbanken (z.B. Goldman Sachs) und sind in diesem Bericht 2009 enthalten.

Die Position in den USA ist nunmehr auf 5 Banken konzentriert. Ehrlich gesagt mir war fast zum Heulen wie ich diese Charts gesehen habe. Welche Marktkonzentration in nur fünf Banken! So sieht Macht aus! Die restlichen Banken in den USA haben jedenfalls am Derivatmarkt nichts zu melden.

Vielleicht bin ich wieder ein böser Bube, wenn ich mich wundere, warum man diese Aufteilung hinsichtlich der Produktarten als Basis für die Darstellung der Marktkonzentration gewählt hat. Mich hätte sehr interessiert, wie die Konzentration hinsichtlich der Grundgeschäfte aussieht. Vor allem bei den Rohstoffen bin ich sehr neugierig. (das tolle an dem Bericht ist, dass ich weiter hinten doch noch einige äußerst interessante Informationen gefunden habe).

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Die beiden Seiten über den Prozentsatz der Einnahmen aus dem Derivatgeschäft zu den Gesamteinnahmen sind für mich ebenfalls unglaublich. Die Ausschläge/Volatilitäten nach oben und unten sind wesentlich stärker. Das heißt höheres Risiko und höhere Chance.

Bank of America bzw. Citibank haben 2007 und 2008 ganz ordentliche Verluste im Derivatbereich gemacht haben. Bis zu 50 %!

Aber das unglaublichste kommt vom „Gott“ der Wall-Street von Goldman-Sachs (hier sieht man wieder die kurze Geschichte des Institutes als Geschäftsbank). Die Knaben haben in den ersten beiden Quartalen 60 – 70 % ihrer Einnahmen aus dem Derivatbereich gemacht. Ich nenne das eine gewaltige Abhängigkeit und Gefahr. Wenn hier die Gewinne ausbleiben, oder zu Verlusten werden, ...

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Diese Seite zu Gold und Edelmetallen ist relativ unspektakulär. Hier dominieren die kurzfristigen Goldgeschäfte und in den anderen Edelmetallen tut sich nicht viel.

Aber die interessanteste Seite zu Gold/Edelmetallen kam fast zum Schluss des OCC-Berichtes:

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Das ist in meinen Augen Sprengstoff!

- Goldman Sachs hat ÜBERHAUPT KEINE Positionen im Gold und Edelmetall-Bereich (ich kann es kaum glauben)
- 85 % des gesamten Goldderivatmarktes wird von JP Morgan gehandelt. (also wenn Sie in Zukunft eine Prognose für den Goldpreis möchten, dann fragen Sie am besten den CEO von JP Morgan, denn er hat mehr als nur ein gewichtiges Wörtchen hier mitzureden.- Im Edelmetallbereich hat JP Morgan auch einen dominanten Einfluss mit einem Marktanteil von über 50 %.
- Aber das Wunder aller Wunder sind hier die „Restbanken“. Deren Anteil beträgt hier fast 50 %!!!!! Das ist absolut unglaublich. Erinnern Sie sich noch an die Grafiken zur Konzentration des Marktes? Die großen 5 Banken halten je nach Kriterium 85 – 97 % des Derivatmarktes und bei den Edelmetallen hält JP Morgan mehr als 50 % des Marktes, die anderen vier von den großen Fünf fast gar nichts und irgendjemand von den kleineren Banken hält beinahe 50 %. Für mich ist das mehr als eine Marktanomalie. Das stinkt bis zum Himmel! Aber machen Sie sich bitte selbst einen Reim darauf!

Als ich den Bericht 4/08 angesehen habe, bekam ich jedenfalls eine Antwort auf meine Frage. Es gibt nur zwei Spieler am Edelmetallmarkt. Neben JP Morgan ist der zweite Spieler mit größter Wahrscheinlichkeit HSBC. (4/08 war HSBC bei den großen Fünf und die kleineren Banken hatten zu diesem Zeitpunkt einen Marktanteil von Null)

Nebenbei war HSBC per 4/08 auch der zweitgrößte Spieler am Goldmarkt und wird es wahrscheinlich 3/09 immer noch sein. Auch dieser Markt wird von zwei Parteien beherrscht.

Aber vielleicht ist ja alles ganz harmlos ...

Sicherlich kann man noch eine Menge mehr aus diesem Bericht herauslesen. Für einen ersten Überblick über den Markt sollte es reichen. (MIR WURDE MEHRMALS SCHLECHT!)

Falls Sie sich fragen wie ich diesen OCC-Bericht gefunden habe, kann ich das gerne erklären.

Auf der sehr empfehlenswerten Seite www.financialsense.com war bei einer der letzten „Financial-Sense-Newshour“ (ebenfalls eine meiner wesentlichen Infoquellen) der entsprechende Link.

In meinem nächsten Teil zum Thema Derivate werde ich ein wenig das Thema Risikomessung bei Derivaten, möglichen Lösungsansätzen zur Stärkung/Bereinigung der Derivatmärkte und meine Risikoeinschätzung/Schlüsse zu diesem Markt darlegen.

Sie können mich unter der E-Mail-Adresse a.mostfee@gmx.at erreichen.

Haftungsausschluss:
Dieser Artikel wurde zur Information der Leser zum besseren Verständnis der Materie verfasst. Die dargelegten Argumente spiegeln die Meinung des Autors wider und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich möchte mit diesem Artikel keine professionelle Dienstleistung erbringen. Für eine professionelle Beratung sollten Sie sich an einen professionellen Berater wenden.

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