Kommentar
14:42 Uhr, 24.04.2015

Für die weltweite Konjunkturerholung wird alles, wirklich alles getan

China bleibt gemäß des von der HSBC Bank veröffentlichten Einkaufsmanagerindex zum zweiten Mal hintereinander unterhalb der Expansion anzeigenden Schwelle von 50. Dagegen deutet die Stimmung in der US-Industrie trotz Eintrübung weiter auf Expansion hin. In Deutschland und der Eurozone bleibt der zyklische Aufschwung intakt.

2014 hielten sich Europas Unternehmen zwar mit Erweiterungsinvestitionen zurück. Insbesondere die Schockstarre des geopolitischen Konflikts mit Russland führte zu einer Verlangsamung im Aufbau weiterer Produktionskapazitäten. Mittlerweile hat sich die weltkonjunkturelle Stimmung jedoch wieder stabilisiert. Im Einklang mit verbesserten ifo Geschäftserwartungen ist zukünftig auch mit steigenden Unternehmensneuinvestitionen zu rechnen. An diesem Bild ändert auch die leichte Verschlechterung der ifo Geschäftserwartungen für April nichts.

Die zuletzt schwächeren US-Frühindikatoren sind u.a. Resultat des Ölpreis bedingt schlechteren Investitionsklimas amerikanischer Öl- und Gas-Unternehmen. Bis Jahresende ist jedoch wieder mit steigenden Ölpreisnotierungen zu rechnen. Diese Einschätzung wird auch an den Rohstoff-Terminmärkten bestätigt, wo sich die Netto-Long Positionen nach einem langen Verfall wieder stabilisieren.

Zudem ist die Konjunkturerholung in den USA im Trend intakt. Insofern ist zukünftig insgesamt mit einer sich erholenden Industriestimmung und der Fortsetzung von Bruttoanlageinvestitionen auf hohem Niveau zu rechnen.

Chinas Notenbank greift „Fed-mäßig“ ein

Mit der markantesten Senkung des Mindestreservesatzes seit der Finanzkrise 2008 auf aktuell 18,5 Prozent hat die Zentralbank in Peking eine geldpolitische Offensive zur Stützung der Konjunktur eingeleitet. Damit werden den Kreditmärkten umgerechnet schätzungsweise 184 Mrd. Euro zugeführt.

Damit signalisiert die chinesische Regierung eindeutig, dass sie von der Priorisierung der Binnenkonjunktur zur Stützung eines nachhaltigeren Wirtschaftswachstums nicht abrückt. Nicht zuletzt tritt man damit Sorgen vor Zahlungsausfällen in der bedeutenden chinesischen Solarindustrie und auch bei Staatsunternehmen entgegen. Eine Welle von Unternehmenspleiten will man definitiv verhindern. Offensichtlich hat die Abkühlung der überhitzten chinesischen Kreditmärkte keine Priorität mehr.

Diese Wirtschaftspolitik wird sich zukünftig in einer Senkung der chinesischen Notenbankzinsen zeigen, die noch unter das Niveau der Finanzkrise von 2008 fallen können.

Nicht zuletzt zielt die chinesische Notenbank auch auf die Verringerung der Realzinsen ab. Ihr stetiger Anstieg aus negativem Terrain 2011 und 2012 auf mittlerweile über zwei Prozent macht sich in deutlichen Kreditverteuerungen von Investitionen bemerkbar.

Mit der künstlichen Zins- und Renditedrückung folgt die People’s Bank of China immer mehr dem Weg der großen Notenbanken. Diese Geldpolitik wird sie auch in punkto Liquiditätsausstattung zeigen. Hier hat China im Vergleich noch großen Nachholbedarf. Sinkende Zinsen und mehr Liquidität helfen ebenso bei der Abschwächung des Renminbi zum Wohle der Exportwirtschaft. Und sie sind ein Katalysator für eine Liquiditätshausse auch am chinesischen Aktienmarkt.

China wird zunehmend zu einer „westlichen“ Volkswirtschaft: Eine realitätsbezogene, pragmatische Wirtschaftspolitik hat Vorrang vor wirtschaftstheoretischem Idealismus.

Was ist eigentlich mit Russland?

Die Sanktionen des Westens hinterlassen zwar tiefe Spuren in der russischen Wirtschaft: Während wichtige ausländische Investoren fern bleiben, lähmen die hohen Notenbankzinsen zur Inflationseindämmung und Stabilisierung des russischen Rubel heimische Unternehmensinvestitionen. Laut Schätzungen des IWF schrumpft die russische Wirtschaft 2015 und 2016 deutlich um 3,8 bzw. 1,1 Prozent.

Doch bleibt der erwartete Zusammenbruch der russischen Wirtschaft offensichtlich aus: Die großen Firmenpleiten konnten bislang nicht beobachtet werden. Zudem haben sich über die kürzliche Preisstabilisierung bei Energierohstoffen - Haupteinnahmequelle für den russischen Staat - die Ängste vor einer Staatspleite deutlich zurückgebildet. Dies kommt in einer Halbierung russischer Kreditausfallprämien zum Ausdruck.

Vor diesem Hintergrund hat auch der Rubel eine Trendwende nach oben vollzogen. Seit seinem Tief Ende 2014 konnte er gegenüber wichtigen Handelswährungen um 38 Prozent zulegen.

Präsident Putin genießt anhaltend die Zustimmung einer leidensfähigen heimischen Bevölkerung. Neben der Währungsaufwertung kommt dem russischen Aktienmarkt auch zugute, dass wohlhabende Russen Teile ihres zwei Bill. US-Dollar großen Auslandsvermögens - wenn auch zur Umgehung von Konteneinfrierungen im Westen - repatriieren.

Von der Untergangsstimmung, die Ende 2014 die Stimmung der westlichen Investoren geleitet hat, ist nichts mehr zu spüren: Auf Euro-Basis gerechnet ist Russland seit Jahresbeginn der Outperformer unter den Aktienindices der Schwellenländer.

Aktienmärkte der Schwellenländer seit Jahresbeginn 2015, in Euro, indexiert

Aufgrund des grundsätzlich schwelenden Ukraine-Konflikts gehören russische Aktien sicherlich nicht zu den Standardanlagen. Sie sind weiter spekulativ.

Festzustellen ist aber, dass sich vor allem die deutsche Bundesregierung weiter um diplomatische Entspannung bemüht. Inoffiziell ist die Kommunikation zwischen beiden Ländern deutlich umfangreicher als offiziell zugegeben wird. Grundsätzlich geht es auch um handfeste Interessen für die deutsche Exportwirtschaft. Russland ist ein „Schlaraffenland“ für deutsches Industrie-Know How.

Auch könnte die russisch-griechische Annäherung ein Sprungbrett für die Wiedererwärmung der erkalteten Beziehungen zwischen der EU und Russland sein. Es ist gut, dass Europa hier eine Annäherung ohne große Einmischung der USA anstrebt.


Aktuelle Marktlage

Bis Juni ist mit keiner Entscheidung zum Verbleib oder Austritt Griechenlands aus der Eurozone zu rechnen. Die EU-Politik versucht sich so einen Zeitgewinn zu verschaffen, um entweder einen dem Euro-Polit-Rationalismus geschuldeten faulen Kompromiss zu präsentieren oder „Munition“ für einen GREXIT zu sammeln. Vorerst ist damit Griechenland nicht das Top-Thema für die Finanzmärkte.

Für den weiteren Aktienverlauf stehen die Konjunkturdaten im Fokus. Die ifo Daten weisen auf eine weiterhin dynamische Konjunkturentwicklung in Deutschland hin. Darauf folgten in der Vergangenheit mit einer Verzögerung von sechs Monaten auch verbesserte Unternehmensgewinne. Spät, aber allmählich deutet sich auch aktuell eine Belebung des Gewinnwachstums an.

Der Vergleich von DAX Kurs-Index - ohne Dividendenberücksichtigung - mit dem allseits bekannten DAX Performance-Index - mit Dividenden - entkräftet den Einwand, deutsche Aktien seien zu weit gelaufen: Der reine DAX Kurs-Index hat sein Allzeithoch aus dem Jahre 2000 erst jetzt, also 15 Jahre später, wieder erreicht. Für den deutlichen Vorsprung des DAX Performance-Index ist also die Dividendenrendite von durchschnittlich 2,66 Prozent verantwortlich. Darüber wird man sich wohl kaum grämen wollen.

Grundsätzlich ist heute die Struktur der Aktienmärkte eine andere als damals. So stehen Zinsanlagen heutzutage nicht als attraktive Alternativanlage in Form von z.B. fünf Prozent Umlaufrendite bereit und werden es auch zukünftig nicht, da ansonsten die Stabilität des Euro-Finanzsystems über das Platzen der größten Anlageblase aller Zeiten - der Anleiheblase - droht.

Damit bleiben die deutschen Aktienmärkte attraktiv. An diesem Bild ändert auch eine zwischenzeitliche Stärke des Euro oder Gewinnmitnahmen nichts.

Charttechnik: Langfristige Erholung intakt

Charttechnisch bleibt die langfristige Hausse im DAX intakt. Bei einer Erholung, verlaufen erste Widerstände bei 11.800, 12.018 und 12.219 Punkten. Auf der Unterseite besteht dagegen schon bei rund 11.600 Punkten eine relativ starke Unterstützung. Schließt der DAX signifikant unter dieser Marke, bieten schwache Auffanglinien bei etwa 11.400 und 11.200 Punkten Halt. Darunter wartet bei rund 11.000 Punkten eine starke Kreuzunterstützung.

Im Euro Stoxx 50 spricht die kurzfristig überverkaufte Lage für eine kleine Erholung, die bis in die starke Widerstandszone zwischen 3.735 und 3.750 Punkte reichen könnte. Sobald der Index über dem bisherigen Jahreshoch bei 3.836 Zählern schließt, ergeben sich weitere Kurschancen. Unterstützung findet der Euro Stoxx 50 im Bereich um 3.650 Punkte. Sollte der Index deutlich unter dieser Marke schließen, sind weitere Abgaben bis zu den nächsten Auffanglinien bis 3.550 und darunter bei 3.417 Punkten einzukalkulieren.

Und was passiert in der KW 18?

Im Rahmen der US-Berichtsaison für das I. Quartal 2015 spüren die exportsensitiven Unternehmen Apple, Merck und Ford die US-Dollar-Aufwertung. Die deutschen Quartalszahlen von Daimler, Volkswagen, Deutsche Bank, Deutsche Börse, BASF, Bayer, Linde, Fresenius und Fresenius Medical Care dürften kaum negative Überraschungen zeigen. Ihre Ausblicke sollten freundlich ausfallen.

Auf Makroebene dürfte der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe Chinas erneut schwächer ausfallen. In Japan zeigt sich die Notenbank auf ihrer Zinssitzung weiterhin sehr offensiv.

Wegen der Wachstumsdelle der USA im I. Quartal 2015 dürfte die US-Notenbank auf ihrer Sitzung die Zinswende erst für das 2. Halbjahr signalisieren. Die Stabilisierung des ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe und das robuste US-Konsumentenvertrauen der Universität von Michigan deuten auf eine sich zukünftig wieder dynamischer entwickelnde Wirtschaft hin.

In der Eurozone stabilisiert sich die Preisentwicklung nur knapp über der Deflationsgrenze. Die von der EU-Kommission veröffentlichten Economic Sentiment Indikatoren für die Euro-Staaten signalisieren eine weitere Verbesserung der Konjunkturstimmung, wobei leichte Rücksetzer nicht auszuschließen sind.

In Deutschland unterstreichen stabile Einzelhandelsumsätze und die freundliche Lage am Arbeitsmarkt die Stärke der deutschen Binnenkonjunktur.

"Sell in May and go away”: Börsenweisheit oder Börsendummheit?

Börsenweisheiten sind so alt wie die Börse selbst. Für viele haben sie Regel-, wenn nicht sogar Gesetzescharakter. Schon bald ist Zeit für die nächste Börsenweisheit. Denn bald kommt er wieder zum Vorschein, dieser berühmt-berüchtigte Börsenmonat „Mai“, für den als Klischee gilt: „Sell in May and go away“.

Auf den ersten Blick macht diese „Börsenregel“ sogar Sinn. Wenn das Kapitalmarktjahr schon ein gutes Stück gelaufen ist, sitzen viele Anleger auf dicken Buchgewinnen und die „Hand mach auf und steck ein-Saison“, also die Dividendensaison, geht zur Neige. Und dann kommt ohnehin noch die „Saure Gurken-Zeit“ eines traditionell langweiligen Börsensommers, in der noch nicht einmal ein Sack Mais umfällt. Erst nach dem Sommer, im September, wenn es bei Aldi, Lidl & Co. schon Spekulatius und Lebkuchen gibt, jeder wieder nach dem Urlaub an Bord ist und sich alle für das Jahresendgeschäft rüsten, geht es an der Börse wieder los und mit Aktien aufwärts. Konkret muss die Börsenweisheit also lauten: „Sell in May and go away but remember to come back in September“.

Auf die Großwetterlage kommt es an

Bestätigt sich diese Börsenweisheit auch in diesem Jahr? Nicht wenige Marktteilnehmer meinen, dass der fulminante Jahresstart, der ja sogar den Hype des Neuen Marktes in den Schatten stellt, eine gute Gelegenheit dafür ist. Diese völlig übertriebene Aktien-Rallye ist doch eh alles fauler Zauber, nur heiße Luft von wild gewordenen Notenbankern, die sich dem Gutmenschentum verschrieben haben, um die Finanzwelt vor Krisen zu bewahren. Mit Bodenständigkeit hat diese geldpolitische Schaumschlägerei nun wirklich nichts mehr zu tun, oder?

Auf den zweiten Blick allerdings - historisch betrachtet - gibt es dafür keine klaren Beweise. Seit 2000 hat sich diese Börsenregel sechs Mal bestätigt, aber neun Mal eben nicht, wobei die Bestätigung vor allem in den letzten Jahren ausgeblieben ist. Unentschieden fällt die Beweisführung für den September-Effekt aus. Seit 2012 gilt: Wer zum Sommer ausgestiegen war, hat warme Liquiditätshaussen verpasst. Denn seit Sommer 2012 läuft die geldpolitische Rettungsmission der EZB als Dauerschleife.

DAX alias Dax Jones

Überhaupt kann man im Mai nur dann Aktien verkaufen, wenn man welche zu verkaufen hat. Im Vergleich zur Neuen Markt-Zeit oder der Ära der Immobilienblase sind Aktien aktuell bei deutschen Privatanlegern, aber auch bei deutschen Versicherungen und Pensionskassen offensichtlich so beliebt wie ein gemeinsamer Urlaub mit der Schwiegermama: Man hat sie kaum, obwohl wir weltweit die Industrie-Kronjuwelen schlechthin haben.

Immerhin, die wenigen Deutschen, die Aktien haben, werden wohl kaum mit Zinsvermögen fremdgehen. Denn im Gegensatz zu 2000 und 2008 kommt dort keine Freude auf. Damals, als jeweils im Wonnemonat Mai der DAX so richtig einbrach, lag die Durchschnittsrendite deutscher Staatspapiere - also die Umlaufrendite - noch bei ca. fünf Prozent. Damit konnte man in den folgenden kalten Aktien-Sommern gut überwintern. Heutzutage liegt sie bei fast null, Tendenz weiter fallend, selbst unter null. Wer hier noch investiert, muss nicht nur Humor haben, nein hier muss man Komödiant sein.

Wenn nicht wir, wer hat dann unsere Aktien? 60 Prozent der deutschen Aktien sind im Besitz insbesondere angelsächsischer Anleger. Eigentlich könnte man den DAX in Dax Jones umbenennen. Werden sie ab Mai verkaufen? Nein, denn sie wissen den Sexappeal unserer Industrieperlen zu schätzen, nicht zuletzt weil sie an die Weltkonjunktur glauben.

Auch der S&P tut nicht weh

Natürlich sind die Risiken nicht zu ignorieren: Der GREXIT, die vermeintliche Zinswende in den USA oder der Schwelbrand der Ukraine-Krise stellen durchaus Handicaps dar. Und auch die absolute Bewertung der Aktienmärkte hat mit Schnäppchenpreisen wenig zu tun.

Aber reicht das aus, um der Mai-Regel 2015 zu einem Durchbruch zu verhelfen. Droht uns ein eisig kalter Aktiensommer? Ich meine nein: Niedrige Energiepreise und ein schwacher Euro - auf dem im Rahmen der angelaufenen deutschen Berichtsaison bereits positiv herumgeritten wird - und eine auf Welttournee gehende Liquiditätsschwemme der Notenbanken und eine Wiederbelebung von Unternehmensinvestitionen und als i-Tüpfelchen obendrauf Aktienrückkaufprogramme und Übernahme- und Fusionsphantasien sprechen deutlich dagegen.

Apropos US-Leitzinswende: Das wird kein Anschlag auf US-Aktien z.B. im S&P 500, der auch den deutschen Aktienmarkt in Mitleidenschaft zieht. Aufgrund der homöopathischen Dosierung ist dieser Zinsangriff eher mit dem Werfen von Wattebällchen zu vergleichen. Und die Bewertung? Sind deutsche Aktien mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) - mit dem wie viel fachen sind die Gewinne bewertet - von um die 15 wirklich zu teuer, wenn die größte Alternativanlageklasse „Zinsvermögen“ - gemessen an der Umlaufrendite - eines von ungefähr 2000 hat?


Konsolidierungen ja, Crash nein!

Vor diesem Hintergrund sind ab Mai beginnende, sommerliche Crash-Szenarien unwahrscheinlich. Eher werden Kursschwächen von noch nicht im Markt vertretenen Anlegern zum Kauf genutzt.

Volatiler, kursanfälliger wird es allerdings zugehen. Das ist aber die normale „Aktien-Härte“. Aber so wie in der Apotheke Medikamente gegen Krankheiten erhältlich sind, gibt es in der Finanzindustrie Anwendungen gegen Volatilität und das sogar rezeptfrei. Und je höher die Volatilität, umso höhere Risikoabsicherungen bzw. attraktivere Rendite-Risiko-Strukturen sind mit Discount- und Bonuszertifikaten bzw. mit Aktienanleihen möglich. Daneben kann man auch zu Put-Optionen greifen. Damit braucht man insgesamt seinen Aktienbestand nicht zu veräußern, ist nach oben mit dabei und nach unten - je nach Anlegergusto - kursabgesichert.

2015 wird sich die Börsenweisheit mit dem Mai eher als Börsenphrase zeigen. Wer sie verwendet, sollte Geld ins Phrasenschwein stecken. Noch besser wäre es, sich diese Börsenphrase ganz zu sparen und das Geld lieber ab Mai in Aktien zu investieren. Dann ist man auch bei der Jahresend-Rallye ab September mit dabei.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Aktien-Sommer!

lt, eine gute Gelegenheit dafür ist. Diese völlig übertriebene Aktien-Rallye ist doch eh alles fauler Zauber, nur heiße Luft von wild gewordenen Notenbankern, die sich dem Gutmenschentum verschrieben haben, um die Finanzwelt vor Krisen zu bewahren. Mit Bodenständigkeit hat diese geldpolitische Schaumschlägerei nun wirklich nichts mehr zu tun, oder?

Auf den zweiten Blick allerdings - historisch betrachtet - gibt es dafür keine klaren Beweise. Seit 2000 hat sich diese Börsenregel sechs Mal bestätigt, aber neun Mal eben nicht, wobei die Bestätigung vor allem in den letzten Jahren ausgeblieben ist. Unentschieden fällt die Beweisführung für den September-Effekt aus. Seit 2012 gilt: Wer zum Sommer ausgestiegen war, hat warme Liquiditätshaussen verpasst. Denn seit Sommer 2012 läuft die geldpolitische Rettungsmission der EZB als Dauerschleife.



Das Ausland mag unsere Aktien, das Inland nicht!
DAX alias Dax Jones
Überhaupt kann man im Mai nur dann Aktien verkaufen, wenn man welche zu verkaufen hat. Im Vergleich zur Neuen Markt-Zeit oder der Ära der Immobilienblase sind Aktien aktuell bei deutschen Privatanlegern, aber auch bei deutschen Versicherungen und Pensionskassen offensichtlich so beliebt wie ein gemeinsamer Urlaub mit der Schwiegermama: Man hat sie kaum, obwohl wir weltweit die Industrie-Kronjuwelen schlechthin haben.

Immerhin, die wenigen Deutschen, die Aktien haben, werden wohl kaum mit Zinsvermögen fremdgehen. Denn im Gegensatz zu 2000 und 2008 kommt dort keine Freude auf. Damals, als jeweils im Wonnemonat Mai der DAX so richtig einbrach, lag die Durchschnittsrendite deutscher Staatspapiere - also die Umlaufrendite - noch bei ca. fünf Prozent. Damit konnte man in den folgenden kalten Aktien-Sommern gut überwintern. Heutzutage liegt sie bei fast null, Tendenz weiter fallend, selbst unter null. Wer hier noch investiert, muss nicht nur Humor haben, nein hier muss man Komödiant sein.

Von uns deutschen Anlegern droht insgesamt also kein Mai-Effekt für Aktien.

Wenn nicht wir, wer hat dann unsere Aktien? 60 Prozent der deutschen Aktien sind im Besitz insbesondere angelsächsischer Anleger. Eigentlich könnte man den DAX in Dax Jones umbenennen. Werden sie ab Mai verkaufen? Nein, denn sie wissen den Sexappeal unserer Industrieperlen zu schätzen, nicht zuletzt weil sie an die Weltkonjunktur glauben.



In der Bewertungsfrage ist der relative Blick wichtig
Auch der S&P tut nicht weh
Natürlich sind die Risiken nicht zu ignorieren: Der GREXIT, die vermeintliche Zinswende in den USA oder der Schwelbrand der Ukraine-Krise stellen durchaus Handicaps dar. Und auch die absolute Bewertung der Aktienmärkte hat mit Schnäppchenpreisen wenig zu tun.

Aber reicht das aus, um der Mai-Regel 2015 zu einem Durchbruch zu verhelfen. Droht uns ein eisig kalter Aktiensommer? Ich meine nein: Niedrige Energiepreise und ein schwacher Euro - auf dem im Rahmen der angelaufenen deutschen Berichtsaison bereits positiv herumgeritten wird - und eine auf Welttournee gehende Liquiditätsschwemme der Notenbanken und eine Wiederbelebung von Unternehmensinvestitionen und als i-Tüpfelchen obendrauf Aktienrückkaufprogramme und Übernahme- und Fusionsphantasien sprechen deutlich dagegen.

Apropos US-Leitzinswende: Das wird kein Anschlag auf US-Aktien z.B. im S&P 500, der auch den deutschen Aktienmarkt in Mitleidenschaft zieht. Aufgrund der homöopathischen Dosierung ist dieser Zinsangriff eher mit dem Werfen von Wattebällchen zu vergleichen. Und die Bewertung? Sind deutsche Aktien mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) - mit dem wie viel fachen sind die Gewinne bewertet - von um die 15 wirklich zu teuer, wenn die größte Alternativanlageklasse „Zinsvermögen“ - gemessen an der Umlaufrendite - eines von ungefähr 2000 hat?



Ab Mai mit der höheren Volatilität umgehen
Konsolidierungen ja, Crash nein!
Vor diesem Hintergrund sind ab Mai beginnende, sommerliche Crash-Szenarien unwahrscheinlich. Eher werden Kursschwächen von noch nicht im Markt vertretenen Anlegern zum Kauf genutzt.

Volatiler, kursanfälliger wird es allerdings zugehen. Das ist aber die normale „Aktien-Härte“. Aber so wie in der Apotheke Medikamente gegen Krankheiten erhältlich sind, gibt es in der Finanzindustrie Anwendungen gegen Volatilität und das sogar rezeptfrei. Und je höher die Volatilität, umso höhere Risikoabsicherungen bzw. attraktivere Rendite-Risiko-Strukturen sind mit Discount- und Bonuszertifikaten bzw. mit Aktienanleihen möglich. Daneben kann man auch zu Put-Optionen greifen. Damit braucht man insgesamt seinen Aktienbestand nicht zu veräußern, ist nach oben mit dabei und nach unten - je nach Anlegergusto - kursabgesichert.

2015 wird sich die Börsenweisheit mit dem Mai eher als Börsenphrase zeigen. Wer sie verwendet, sollte Geld ins Phrasenschwein stecken. Noch besser wäre es, sich diese Börsenphrase ganz zu sparen und das Geld lieber ab Mai in Aktien zu investieren. Dann ist man auch bei der Jahresend-Rallye ab September mit dabei.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Aktien-Sommer!

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