Kommentar
21:42 Uhr, 08.03.2013

Für die Geldpolitik gibt es nur eins Gas, Vollgas

Die Sparbemühungen der Eurozone schmelzen dahin wie der Schnee in der aktuellen Frühlingssonne. Beim Treffen der Euro-Finanzminister hat man sich auf eine grundsätzliche Lockerung der Sparpolitik für wirtschaftlich angeschlagene Euro-Staaten geeinigt. Diese Solidaritätsbekundung macht eine schuldenfinanzierte Konjunkturpolitik für Italien & Co. wieder hoffähig. Man gibt damit der Protesthaltung der Euro-Südzone - allen voran der französisch-italienischen Achse - nach, um auch ja die euro-politische Zwangsharmonie um jeden Preis zu erhalten. Krisenpotenziale werden auf Kosten der Stabilität verhindert.

Entscheidende Schützenhilfe kommt weiterhin von der EZB. Sie bleibt bei ihrer expansiven Geldpolitik und wird - wenn nötig - den Notenbankzins weiter senken. Zwar hat sie auf ihrer letzten Sitzung davon abgesehen, da die zwischenzeitliche Abschwächung des Euros den Zinssenkungsdruck von der EZB genommen hat und eine zu frühzeitige Zinsentspannung nach der italienischen Parlamentswahl zu offensichtlich nach Krisenprävention ausgesehen hätte. Da die EZB ihre Wachstums- und Inflationsprognose herunter revidiert hat - sie sieht das Wirtschaftswachstum 2013 mit durchschnittlich -0,5 Prozent leicht geringer als noch vor drei Monaten mit -0,3 Prozent und schätzt die Inflationserwartungen mit 1,3 schwächer als im Vorquartal mit 1,4 Prozent ein - hat sie sich aber alle Hintertüren für eine zukünftige Senkung des Notenbankzinses offen gehalten.

Konjunktur? Läuft wieder!

Und auch die weltkonjunkturelle Stimmung bietet keinen Anlass zur Sorge. In China liegt der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe mit einem Wert von 50,1 - durch das chinesische Neujahrsfest etwas abgeschwächt - zum fünften Mal in Folge über der Expansion anzeigende Schwelle von 50 und dokumentiert insofern das gelungene soft landing der chinesischen Wirtschaft. Ohnehin wird die neue chinesische Regierung ihren Fokus auf ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum legen und zur Beseitigung wirtschaftlicher Ungleichgewichte im Export die Stärkung des Binnenkonsums vorantreiben. Zur weiteren Konjunkturunterstützung setzt Peking zudem auf staatliche Konjunkturprogramme.

Auch die US-Konjunkturerholung nimmt weiter Fahrt auf. Der ISM Index für das Verarbeitende US-Gewerbe stieg mit einem Wert von 54,2 auf den höchsten Stand seit Juni 2011 und signalisiert eine sich allmählich erholende US-Industrie, die auch zunehmend von dem Rückenwind der Weltwirtschaft profitiert. Zudem verlagern immer mehr US-Unternehmen ihre Produktion aufgrund steigender Kosten in den Schwellenländern wieder zurück nach Amerika. Diese Anfänge der hoffnungsvollen amerikanischen Reindustrialisierungsphase schlagen sich auch am US-Aktienmarkt nieder.

Die starke gesamtwirtschaftliche Entwicklung dürfte auch von den automatischen Ausgabenkürzungen im US-Haushaltsbudget nicht spürbar ausgebremst werden. Schließlich sorgt die US-Notenbank - wie zuletzt von Fed-Vizechefin Yellen betont - mit ihrer auch weiterhin expansiven Geldpolitik weiterhin für günstige Refinanzierungsbedingungen, die die ohnehin vergleichsweise geringen Zwangskürzungen abfedern. Insbesondere die nachhaltig anhaltende, üppige Geldpolitik motivierte den US-Aktienleitindex Dow Jones Industrial Average zwischenzeitlich auf ein neues Allzeithoch zu steigen.

Die Mutter aller Anlageblasen...

Ohnehin ist ein Ausstieg der Fed aus ihrer üppigen Liquiditätspolitik kaum vorstellbar. Denn die üppige Liquiditätsausstattung lässt sich kaum wieder zurück führen, ohne massive Schäden in der Realwirtschaft und an den Finanzmärkten anzurichten.

Ein Platzen der Blase am US-Staatsanleihemarkt wäre die Folge dieses geldpolitischen Experiments. Keine andere Anlageklasse kann auf eine ähnlich lange Hausse zurückblicken wie der US-Rentenmarkt. Seit Ende 1981(!) befindet sich dieser im Trend im Steigflug. Sollte nun die Fed auf die Idee kommen, die zuvor aufgekauften Staatsanleihen aus ihrem Portfolio wieder zu dann erforderlichen günstigen Konditionen an die Banken zu verkaufen, wäre das Niedrigzinsumfeld schnell beendet und Kreditwachstum und Konjunktur hätten mit Kollateralschäden zu rechnen.

Auch ein Einbruch am US-Aktienmarkt wäre vorprogrammiert und die von der Fed so hart erarbeitete Vermögenspreisinflation, die die Konsumenten zu verstärkten Käufen bzw. die Unternehmen zu erhöhten Investitionen anregen sollte, beendet. Vor diesem Hintergrund bleibt der US-Notenbank keine andere Alternative, als ihre renditedrückende und inflationierende Geldpolitik solange fortzuführen, bis sich die Konjunktur nachhaltig gefestigt hat und die Arbeitslosenzahlen gesunken sind. Doch auch das ist nur die halbe Wahrheit. Da Amerika zur Wiederbelebung seiner Infrastruktur dringend Investitionen braucht, wird man auf absehbare Zeit nicht am positiven Zins- und Kreditumfeld rütteln können.

Und in diesem Umfeld unattraktiver US-Staatsanleihemärkte avancieren US-Aktien zu einem attraktiven Auffangbecken.

Japanische Notenbank als neue liquiditätspolitische Großmacht

Der ab April amtierende, japanische Notenbank-Gouverneur Kuroda hat in einer für Japaner ungewöhnlich klaren Sprache verkündet, die Deflation in Japan zu beenden. Und die mit der geldpolitischen Offensive einhergehende Schwächung des japanischen Yen sorgte auch gleich für eine exportseitige Dynamisierung der Wirtschaft. Erste Erfolge sind bereits sichtbar. So ist der japanische Einkaufsmanagerindex als Frühindikator von 45 zu Jahresbeginn auf aktuell 48,5 angestiegen und befindet sich damit nur noch knapp unter der Expansion anzeigenden Schwelle von 50.

Und auf Unternehmensebene scheint der Abwärtstrend bereits gestoppt. Während japanische Industriewerte noch im Januar 2012 grundsätzlich dem gesamtwirtschaftlich negativen Gewinntrend folgten, verzeichnen sie bereits seit November 2012 im Trend deutlich aufwärts gerichtete Gewinnprognosen. Ausschlaggebend hierfür ist insbesondere die erwartete Nachfrage nach Produktionsgütern im Vorfeld des von der Regierung angekündigten Konjunkturprogramms. Zwar stehen die Technologiebranche sowie Banken, Pharma- und Bauwerte gewinnseitig noch unter Druck. Durch die in Japan mit vereinten Kräften von Politik und Notenbank betriebene Wirtschaftsbelebung, die auch gleichzeitig eine exportstärkende Abwertung der Währung zum Ziel hat, ist aber auch in diesen Branchen eine Gewinntrendwende zu erwarten.

Ein Plädoyer für Aktien

Grundsätzlich hat die global expansive Geldpolitik klaren Einfluss auf die Vermögensaufteilung der Anleger. Zwar orientiert sich die Über- bzw. Untergewichtung der Anlageklassen am Wirtschaftszyklus mit seinen Phasen (Aufschwung, Boom, Abschwung, Rezession). Dieser Zyklus wird aber von den Notenbanken mit Zinssenkungen und massiven Liquiditätsausweitungen erfolgreich daran gehindert, die Abschwung- oder gar Rezessionsphase zu erreichen. Eine wachstumsorientierte Geldpolitik, die auf Perspektive und sozialen Frieden fokussiert ist und die der Inflationsorientierung nur noch die zweite Rolle beimisst, ist unverkennbar. Und um diesen wirtschaftlichen Erholungsprozess weltweit nicht zu gefährden, wird eine Umkehr der offensiven Geldpolitik noch für lange Zeit ausbleiben.

Und im Rahmen einer aufschwungfördernden Geldpolitik sind die sachkapitalistischen Anlageklassen, allen voran Aktien, ein Muss. Nicht nur dienen sie Anlegern als Inflationsschutz. Sie profitieren auch von sich aufhellenden Konjunktur- und Gewinnperspektiven. Das spiegelt sich im Übrigen auch in den Ausblicken der deutschen Unternehmen im Rahmen der Berichtsaison wider. Dem fundamentalen Argument wird insofern auch Genüge getan. Und dass Liquidität der entscheidende Treiber für Aktien ist, ist ohnehin ein Naturgesetz.

Grafik der Woche: Investment-Uhr

Das passiert in der 11. KW

Auf Unternehmensebene präsentieren E.ON, K+S, HeidelbergCement und die Deutsche Lufthansa ihre Ergebnisse für das abgelaufene IV. Quartal 2012. Anleger schauen auch hier vor allem auf den grundsätzlich freundlichen Ausblick.

Unterdessen wird in Euroland auf politischer Ebene die „Romanische Schuldenunion“ weiter vorangetrieben. Denn der EU-Gipfel dürfte erneut zeigen, dass die Politik der Reformen und des Sparens einer neuen schuldenfinanzierten Konjunkturpolitik weicht.

In Amerika deutet der Empire State Einkaufsmanagerindex auf einen anhaltenden Erholungskurs der US-Wirtschaft hin. Das unterstreichen die „harten“ Daten der US-Industrieproduktion. Das gilt auch für den US-Konsum. Ein erneut steigendes Verbrauchervertrauen der Universität von Michigan sowie solide Einzelhandelsumsätze weisen darauf hin. In Deutschland weisen die Exportzahlen auf eine Stabilisierung des so wichtigen Außenhandels hin.

Da der DAX den Widerstand am bisherigen Jahreshoch bei 7872 Punkten überwinden konnte, sind aus charttechnischer Sicht Kursgewinne bis zum Widerstand an der psychologisch wichtigen Marke bei 8000 Punkten auf Schlusskursbasis ins Auge zu fassen. Anschließend liegt die nächste Kursmarke beim Allzeithoch von 8151.

Nach unten erhält der DAX die erste Unterstützung bei 7872 und darunter bei 7785 Punkten. Rutscht der DAX auch unter die Marke bei 7699 Punkten, findet er die nächste Unterstützung an der Zone zwischen 7600 und 7550 Punkten. Der nächste nennenswerte Auffangbereich liegt darunter zwischen 7450 und 7400 Punkten.

Halvers Woche:

Money makes the world go around

Der US-amerikanische Aktienleitindex Dow Jones konnte zuletzt mehrere neue Allzeithochs in Folge erreichen. Wie das, fragt man sich. Denn hätte man wie Dornröschen die letzten Jahre verschlafen, und würde jetzt aufwachen und auf die nackte Wahrheit in den USA - auch Fundamentaldaten genannt - schauen, stünde einem wohl kaum der Sinn nach guter Laune. Eher dächte man an Fastenzeit, eigentlich Aschermittwoch und Karfreitag an einem Tag.

Wenn man das aktuelle Wirtschaftsbild Amerikas mit jenem vergleicht, dass vorlag, als der Dow Jones das letzte Mal ein Allzeithoch am 11. Oktober 2007 erreichte, fällt die Entkoppelung von Real- und Finanzwirtschaft schnell auf. Beim letzten Rekordhoch lag das US-Wirtschaftswachstum bei 2,5 Prozent, jetzt bei 1,6 Prozent; Benzin kostete damals 2,75 US-Dollar, aktuell 3,73; 2007 waren 6,7 Millionen Amerikaner arbeitslos, heute mit 13,2 Millionen annähernd doppelt so viele. Und es geht weiter: Früher waren 26,9 Millionen Amerikaner lebensmittelkartenberechtigt, heute sind es 47,7; 2007 betrug der Verschuldungsgrad der US-Volkswirtschaft ca. 65 Prozent, bis heute hat sich dieser Wert auf ca. 105 Prozent ebenfalls um 40 Prozentpunkte massiv erhöht. Das US-Haushaltsdefizit betrug im Wirtschaftsjahr 2007 97 Mrd., für 2013 wird es sich mit 976 Mrd. verzehnfacht haben. Und die US-Staatsverschuldung betrug damals 9 Bill. Dollar, bis heute sind es 16,4.

Die spinnen, die Aktienmärkte, oder?

Und der DAX? Auch er zeigt sich mit einem neuen Jahreshoch auf zwischenzeitlich 8000 Punkten in den freundlichsten Frühlingsfarben. Er ist sogar keine drei Prozent mehr von seinem Allzeithoch, ebenfalls aus dem Jahr 2007, entfernt. Leben wir etwa mit den Amerikanern - ähnlich wie Robinson Crusoe und Freitag - auf der Insel der Ahnungslosen? Ist der DAX etwa nicht der Aktienleitindex Deutschlands, einem Land, das fest mit der Eurozone und daher mit seiner Euro-Krise als permanentem Schwelbrand verbunden ist? Sind wir doch ehrlich: Die euroländische Reform- und Sparbewegung tanzte nur einen Sommer und aus unserer einst geplanten euroländischen Stabilitäts-Wirtschaft wird zunehmend eine Verständnis- bzw. Gefälligkeitsökonomie, die niemandem mehr weh tun will.

So muss in Italien verhindert werden, dass nach den Clowns die Tränen kommen. Und in Euroland herrscht die Angst vor einer zweiten französischen Revolution. Schließlich hinken in der Peripherie Konsum, Investitionen und Export nicht nur, nein, sie fahren bereits im Rollstuhl. Da bleibt nur eins: Mit neuen Schulden dagegen halten, auch wenn damit die Staatsschuldenkrise noch ein bisschen größer wird.

Die Geldpolitik als Killerargument für jede Krise

Sind also rekordhohe Aktienkurse das 8. Weltwunder? Nein, es ist viel einfacher. Denn vergleichen wir noch einmal das Amerika von 2007 mit dem von heute. Damals war die Bilanz der US-Notenbank knapp eine Billion US-Dollar schwer, heute hat sie sich auf drei Billionen verdreifacht. Und das erklärt das vermeintliche Wunder schnell. Mit dieser Liquiditätsblähung schmiert die US-Notenbank die Konjunktur und sorgt auch noch für gute Stimmung an den Finanzmärkten.

Und auch bei der EZB weht der wind of change hin zu einer wachstumsorientierten Geldpolitik. Sie wird jeden politischen, konjunkturellen und finanzwirtschaftlichen Kurzschluss überbrücken. Keine Krise kann so groß sein, dass sie nicht mit viel und billigem Notenbankgeld gelöst werden könnte, Punkt!

Natürlich schafft die Geldpolitik keine Arbeitsplätze und sie kauft auch keine ansonsten nicht absetzbaren Produkte auf, die dann anschließend auf großen ausrangierten Flugplätzen endgelagert werden. Aber sie kann neue Schulden mit günstigen Schulden erleichtern. Sie ist sozusagen die Schmerzpille für die Finanzminister, die Aorta des Rentenmarkts. Noch mehr: Sie betreibt Finanzpolitik von Geldpolitiks Gnaden. Und wann hört sie damit auf? Erst dann, wenn das Unkraut die Streuobstwiese verlassen hat.

Staatspapiere? Nein! Aktien? Ja bitte!

Das ganze hat jedoch einen Preis. Wer heute seine Altersvorsorge noch schwerpunktmäßig auf Staatspapiere stützt, verliert Geld. Nach Inflation sind die Renditen nämlich negativ. Aus Angst vor Aktien lieber Geld bei Staatsanleihen zu verlieren, ist der falsche Ansatz. Der Blick sollte insbesondere auf Substanz- und Dividendenaktien gerichtet werden. Dabei ist es eine gute Strategie, regelmäßig zu investieren, z.B. monatlich mit Ansparplänen, um den Kursschwankungen entgegenzuwirken: Geht es mit den Aktien rauf, ist man reicher, geht es mit ihnen zwischenzeitlich runter, erhält man mehr Aktien für den gleichen Anlagebetrag.

Ja, der Makrokosmos ist nicht mehr so stabil, wie wir uns das wünschen. Daher muss man seinen Mikrokosmos auf die neue Realität der Finanzwelt einstellen. Keine Sorge, Aktien beißen nicht. Wer heutzutage nicht auf Aktien setzt, ist ein Spekulant.

Volkswirtschaftliche Prognosen auf einen Blick

Kapitalmarkt auf einen Blick

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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