Folgen einer "Politik des schwachen Dollars"
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1. Das Drängen des US-Finanzministers John Snow auf eine Abwertung des US-Dollars (kurz: USD) gegenüber den Währungen der Handelspartner, und hier insbesondere den asiatischen Währungen, steht in scharfem Kontrast zu der "Politik des starken Dollars" der Clinton-Administration. Auch wenn sich grundsätzlich die Frage stellt, ob es eine solche Politik jemals gegeben hat, oder ob die Vorgänger von Snow - Larry Summers und Robert Rubin - nicht einfach nur Wall Street das gaben, was diese hören wollte; so sind doch auf ökonomischer und politischer Ebene Antworten auf diesen 180°-Schwenk der Bush-Administration in der Wechselkurspolitik zu suchen.
2. Aus ökonomischer Sicht mehren sich die Signale des US-Finanzministeriums, dass es ausländische Halter von US-Treasuries implizit nicht mehr vor einem signifikanten Wechselkursrisiko schützen will. Damit erhöhen sich die Risiken für US-Treasuries. Resultat wird sein, dass ausländische Investoren weniger in US-Treasuries und andere in USD denominierte Vermögenswerte investieren werden. Wenn aber weniger Kapital in die USA fließt, reduziert dies das gesamte Kapitalangebot auf den US-Finanzmärkten. Ein zurückgehendes Angebot bei konstanter Nachfrage bedeutet einen steigenden Preis für Kapital. Der Preis des Kapitals ist der Zinssatz und dieser sollte damit in den USA, unter Vernachlässigung anderer Einflussfaktoren, tendenziell ansteigen. Nicht nur die Anleihekurse, sondern auch die Aktienkurse sollten damit durch eine solche Wechselkurspolitik tendenziell fallen. Aufgrund zurückgehender Kapitalströme in die USA sollte sich die eigentlich für die Zukunft erwartete höhere Nachfrage nach Aktien abschwächen. Der Anstieg der Renditen und der Rückgang der Aktienkurse sollte das Investitionsklima in den USA tendenziell verschlechtern. Auch die Konsumnachfrage würde wegen der höheren Zinsen über die schlechteren Hypothekenrefinanzierungsbedingungen belastet.
3. Langfristig - also für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren - wird dieses geringere Investitionsvolumen (Investitionseffekt) nur geringfügige bis gar keine Effekte auf die Beschäftigung zur Folge haben. Denn ein niedrigerer Wert des USD macht US-Exporte attraktiver (Exporteffekt). Langfristig wird das ausländische Geld, das nicht in US-Investitionen geflossen ist, für zusätzliche US-Exporte ausgegeben. Dies bedeutet zwar weniger Arbeitsplätze im Baugewerbe und in der kapitalgüterproduzierenden Industrie, aber mehr Arbeitsplätze im exportorientierten verarbeitenden Gewerbe. Für die Beschäftigung ändert sich damit im wesentlichen durch die Abwertung des USD nichts. Für die Einkommen der US-Amerikaner bedeutet eine mögliche Abwertung allerdings einen Verlust (Einkommenseffekt). Denn die Importpreise steigen und das niedrigere Investitionsvolumen verlangsamt das Wirtschaftswachstum. Allerdings sinkt auch die Anfälligkeit für massive Wechselkursveränderungen, wenn nicht gar eine Währungskrise, denn ein höheres Wachstum der Nettoexporte senkt das Handelsbilanzdefizit der USA und damit das Risiko, dass die extrem hohe Auslandsverschuldung eine Situation wie in Ostasien 1997 oder in Mexiko 1994 produziert.
4. Die voraussichtliche Erhöhung der Nettoexporte und die Senkung des Handelsbilanzdefizits, was wiederum das Risiko einer zukünftig ernsten Währungskrise senkt, ist für die USA ein Plus. Es wäre langfristig allerdings viel besser, wenn der zu erwartende Anstieg der Exporte langfristig durch einen Rückgang des Konsums statt der Investitionen herbeigeführt würde. Denn die Investitionen erhöhen über die damit einher gehende Kapitalakkumulation den Wohlstand eines Landes. Ein Rückgang des Konsums und der korrespondierende Anstieg der Ersparnis führt über niedrigere Zinsen zu einem Anstieg der Investitionen. Momentan sind die voraussichtliche langsamere Investitions- und Wachstumsdynamik sowie die höheren Importgüterpreise ein offensichtliches Minus der "Politik des schwachen Dollars". Der Nettoeffekt der durch diese Politik herbeigeführte Abwertung ist daher aller Wahrscheinlichkeit nach negativ.
5. Was sind die kurzfristigen Effekte der Verbalinterventionen von John Snow? Eine Abwertung des USD führt nur mittel- bis langfristig zu höheren Nettoexporten. Es benötigt einige Quartale, bis sich die Abwertung in die gewünschte Richtung positiv auf die Leistungsbilanz auswirkt. Die durch die Wechselkurspolitik induzierten höheren Zinsen und die damit einher gehenden adversen Effekte auf die Investitionen sollten daher 2004 zu sehen sein. Der wahrscheinlichste Effekt einer "Politik des schwachen Dollars" für die kurze Frist ist eine vorübergehende Belastung der Nachfragedynamik, was den Arbeitsmarkt in den nächsten ein bis zwei Jahren tendenziell belasten sollte. Dem kann nicht wirklich durch die Geld- und Fiskalpolitik entgegengewirkt werden. Denn die Notenbank hat die Zinsen schon auf rund 1 % gesenkt, viel Spielraum nach unten verbleibt damit nicht mehr, und die Bush-Administration hat vor dem Hintergrund der ohnehin schon hohen Budgetdefizite keinen großen Spielraum, eine beschäftigungsfördernde Fiskalpolitik zu betreiben.
6. Man hätte eigentlich von einer Regierung, die im nächsten Jahr einen Wahlkampf zu bestreiten hat, erwartet, eine Politik zu verfolgen, die in der zweiten Jahreshälfte von 2004 die Investitionen stimuliert und die Arbeitslosenquote senkt. Die "Politik des schwachen Dollars" bewirkt gerade das Gegenteil. Bislang sind die Effekte auf die Finanzmärkte eher gering gewesen. Die Effekte auf die Arbeitslosenquote im Jahre 2004 sind ebenfalls gering. Nur wenn sich die Signale häufen sollten, dass die Äußerungen des Finanzministers Snow am G7-Treffen einen substanziellen Politikwechsel bedeuten, werden die Effekte auf die Finanzmärkte und die zukünftigen Investitionen größer sein. Wie auch immer, die Aktienmärkte zu belasten, wenn man auf ein Anziehen der Investitionsdynamik hofft, und die Bondmärkte zu belasten, wenn die US-Notenbank alles tut, um die langfristigen Zinsen niedrig zu halten, ist schon seltsam.
7. Fazit: Die USA scheinen einen niedrigeren USD-Wechselkurs zu bevorzugen, die Europäer versuchen, keine weitere Aufwertung des Euros zuzulassen. Ein stärkerer Yen wäre das Letzte, was der Aufschwung in Japan momentan gebrauchen könnte. Um ein stärkeres Wirtschaftswachstum in Japan zu erzeugen, muss die Bank of Japan weiter den Kurs einer aggressiven Geldpolitik fahren. Hierzu gehört aber ein schwacher Wechselkurs des Yen. Die für einen Abbau des US-Leistungsbilanzdefizits notwendige Abwertung des USDollars sollte graduell - durch die Marktkräfte -, aber nicht durch Verbalinterventionen seitens des US-Finanzministeriums erfolgen. Was sind die Marktkräfte? Der entscheidende Punkt ist das Spardefizit der USA, welches maßgeblich durch die Budgetdefizite der US-Regierung angetrieben wird. Ein Leistungsbilanzdefizit ist solange kein Problem, wie das ursächliche Spardefizit durch Investitionen angetrieben wird, wie es in den 90er Jahren der Fall war, weil die höheren Investitionen das zukünftige Einkommen der Amerikaner erhöhen, mit dem sie ihre Schulden problemlos zurückzahlen können. Wird das Spardefizit aber durch eine geringere gesamtwirtschaftliche Ersparnis, deren wesentliche Komponente die staatliche Ersparnis ist, angetrieben, so senkt dies über die niedrigeren Investitionen die zukünftigen Einkommen. Damit erhöht sich auch das Risiko für die Gläubiger, dass die USA ihre Auslandsschulden nicht zurückzahlen können. Unter Bush ist es die gesamtwirtschaftliche niedrigere Ersparnis, die das Leistungsbilanzdefizit antreibt. Damit steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit einer Korrektur des US-Leistungsbilanzdefizits mit einer einher gehenden Abwertung des USD.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 122 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands.
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