Kommentar
14:03 Uhr, 13.03.2012

Finanztransaktionssteuer - die unendliche Geschichte

In der Diskussion um die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer kommt es zu einer Wendung, die ein erschreckendes Licht auf den ökonomischen Sachverstand der involvierten Personen wirft. Da es für die „große Lösung“ unter Einbeziehung aller Finanztransaktionen (auch außerbörslich) auf EU-Ebene keine Aussichten auf Einstimmigkeit gibt und ganz offensichtlich auch im Kreis der Euroländer nicht, verfällt man nun allen Ernstes in Gedankenspiele, möglicherweise das Modell der britischen Stamp ganz Europa überzustülpen.

Die „Stempelsteuer“ (Stamp Duty Reserve Tax) ist ein Insel-Anachronismus, der einseitig Aktien von Gesellschaften mit Sitz in Großbritannien betrifft, Anleihen und andere Papiere aber ausspart. Beim Kauf von Aktien fallen 0,5% der Transaktionssumme an. So sehr ich den Widerstand der Briten gegen eine Finanztransaktionssteuer nachvollziehen kann, so wenig komme ich mit deren Börsenumsatzsteuer-Modell klar. Die 4 Mrd. EUR Einnahmen pro Jahr sind es nicht wert, als größter Finanzplatz der Welt eine derart systematisch unangebrachte Besteuerung durchzuführen, noch dazu wenn es nur die einheimischen Unternehmen trifft. Großbritanniens Premier David Cameron wäre für mich wesentlich glaubwürdiger, wenn er dieses Relikt ins verdiente Jenseits befördern würde.

Ich finde dieses Modell so schlecht (die Steuer wurde übrigens vor 300 Jahren zum Zwecke der Kriegsfinanzierung eingeführt!), dass ich sogar den Entwurf der EU-Kommission zur Einführung einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer vorziehen würde. Gerade der Handel mit Aktien sollte nämlich auf keinen Fall gegenüber anderen Wertpapieren benachteiligt werden.

Sollten Schäuble und Co. tatsächlich in die britische Richtung tendieren, wird ein Teil der bisherigen Begründungen zur Einführung der Steuer auch wieder völlig ad absurdum geführt. Am Ende geht es doch wieder nur noch um Aktionismus, das Befriedigen von Neidgefühlen und natürlich das Eintreiben von ein paar Milliarden. Die Finanztransaktionssteuer ist und bleibt ein Irrweg. Man kann nur hoffen, dass sie in den Wirrungen europäischen Uneinigkeit untergeht.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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