Fidelity - Der Irak-Krieg und die Börsen
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Schon bevor die militärischen Kampfhandlungen am 20. März 2003 einsetzten, zeigten sich die Märkte volatil und reagierten eher auf kurzfristige Nachrichten, als sich langfristig zu orientieren. Während des Krieges gaben Anleger an Tagen, an denen sich der Ausgang des Krieges deutlicher abzeichnete, Aktien den Vorzug gegenüber den als risikoärmer geltenden Anlagen (Staatsanleihen aus GB oder Euroland). An Tagen, an denen der Kriegsausgang weniger klar schien und sich ein längerer Konflikt abzuzeichnen drohte, wandten sich Anleger dagegen Anlagen mit vermeintlich geringerem Risiko zu. Da der Krieg bald beendet ist, rücken für Anleger wieder Nachrichten aus der Wirtschaft und den Unternehmen in den Vordergrund.
Zwischen ihrem Vorkriegstief am 12. März und dem 15. April 2003 stiegen die Aktienmärkte in Erwartung eines baldigen Kriegsendes weltweit um 11,3 % (in US$). Nun beginnen Anleger wieder, sich für die Fundamentaldaten zu interessieren, vor allem für die wichtigsten Antriebskräfte von Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinnen. Neu ist die Einsicht, dass unter rein ökonomischen Gesichtspunkten die Kosten des Krieges möglicherweise nicht so hoch ausfallen wie befürchtet. Der Golfkrieg von 1990/91 kostete lediglich 1% des US-amerikanischen Bruttoinlandsprodukts. Auch wenn es noch etwas verfrüht sein mag, erwarten viele Experten auch diesmal Kosten für die US-Wirtschaft in einer ähnlichen Größenordnung, was für die größte Volkswirtschaft der Welt nur begrenzte Folgen haben würde.
Rentenmärkte
Die Renditen von Unternehmensanleihen liegen immer noch deutlich über denen von Staatsanleihen - u.U. ein Hinweis darauf, dass Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen relativ attraktiv bewertet werden.
In der Vergangenheit orientierten sich Unternehmensanleihen in ihrer Performance etwas stärker am Aktienmarkt als staatliche Titel, deren Entwicklung häufig von der des Aktienmarktes abwich. Viele Portfolio-Strategen halten Unternehmensanleihen angesichts ihrer Performance und ihres Risikoprofils für eine sinnvolle Anlageklasse zur Portfoliostreuung: Sie sind zum einen auf einer globalen Ebene weniger riskant als Aktien und bieten zum anderen mittel- bis langfristig ein höheres Renditepotenzial als Staatsanleihen. Aus diesem Grund können private Anleihen jedes Portfolio sinnvoll ergänzen.
Öl und Gold
In diesem Krieg, wie auch in einigen früheren Kriegen, fungierten Rohstoffe wie Öl und Gold häufig als Barometer für die Anlegerstimmung: Ihre Preise steigen, wenn der Markt von einem langen Konflikt ausgeht, und sinken, wenn ein baldiges Kriegsende erwartet wird. Die folgende Grafik verdeutlicht, wie sich Öl- und Goldpreis seit Jahresbeginn entwickelt haben. Die jüngsten Kursrückgänge belegen, dass sich unter Anlegern die Überzeugung ausbreitet, der Krieg wäre so gut wie beendet und die Ölversorgung werde nicht unterbrochen. Die Risikoaversion schwindet offenbar.
Wirtschaft weiter im Gegenwind
Will man verstehen, was das Auf und Ab der Kurse von Aktien, Anleihen oder Rohstoffen beeinflusst, muss man sich natürlich auf die Fundamentaldaten konzentrieren, die über Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinne entscheiden. In Zeiten des Krieges geraten diese Faktoren bisweilen vorübergehend aus dem Blickfeld, bleiben jedoch trotzdem im Hintergrund immer präsent. Tatsache ist: Die Perspektiven für die Weltwirtschaft sind uneinheitlich. Die Industrieproduktion blieb in den USA und in Europa schwach. Die gefährliche Lungenkrankheit SARS, die sich von China bis Hongkong sowie in anderen Teilen der Welt ausgebreitet hat, könnte Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum der Länder haben, die von einem Ausbruch der Krankheit betroffen sind - abhängig vom Ausmaß der Ausbreitung. Es gibt einige Erholungszeichen, z.B. wuchs die verarbeitende Industrie in Großbritannien im Monat März 2003 zum zweiten Mal in Folge und das US-Verbrauchervertrauen war im gleichen Monat stärker als erwartet. Zahlreiche Fachleute räumen jedoch ein, dass ein Aufschwung im derzeit schwachen Wachstumsumfeld noch einige Zeit brauche. Doch wenden wir uns jeder einzelnen Region zu:
USA
In den USA scheint das Vertrauen der Verbraucher den jüngsten Umfragen im März zufolge gestiegen zu sein. Der Ölpreis ist gesunken, der Anstieg der Arbeitslosigkeit hat sich verlangsamt und die Kriegsängste sind nach dem aus US-Sicht allem Anschein nach erfolgreichen Ausgang gesunken. Sollten die Verbraucher weniger optimistisch in die Zukunft blicken, könnte der Konsum zurückgehen, was einen der Hauptfaktoren schwächen würde. Die Verbraucherausgaben haben durch die seit einiger Zeit fehlenden Investitionsausgaben das Wachstum der US-Wirtschaft unterstützt. Ein weiterer Faktor, der viele Ökonomen beunruhigt, ist, gerade angesichts der zusätzlichen Haushaltsausgaben, das wachsende Handelsbilanzdefizit der USA. Dessen ungeachtet könnte eine Lösung des Irak-Konfliktes die bisher verschobenen Investitionsausgaben in die Höhe treiben. Außerdem waren die Ertragszahlen führender US-Finanzdienstleistungsunternehmen besser als erwartet. Falls dieser Trend anhalten sollte, könnte sich das Anlegervertrauen grundsätzlich verbessern. Darüber hinaus hat die US-Notenbank (Fed) schnell und konsequent durch ihre Geldpolitik reagiert. Viele glauben, dass dies die Wirtschaftsaussichten der USA langfristig begünstigt.
Großbritannien und Europa
In Europa wie auch in den USA haben Kriegsängste das Verbrauchervertrauen deutlich beeinträchtigt. In Großbritannien bleiben die Aussichten für das Wachstum des BIP relativ stabil, obwohl ein Abwärtstrend bei den Verbraucherausgaben eingesetzt hat. Dem Euroraum hingegen gilt die Sorge der meisten Ökonomen, denn das Wirtschaftswachstum zeigt sich unverändert schwach. Die Starrheit der Arbeitsmärkte und der Konsumgütermärkte im Euroraum sowie ein gegenüber dem Dollar immer stärker werdender Euro belasten die Exporte, so dass das Euroland-BIP hinter anderen entwickelten Volkswirtschaften zurück bleiben könnte. Deutschland ist für viele Marktbeobachter das Sorgenkind schlechthin: Arbeitsmarktreformen sind dringend nötig, der private Verbrauch ist besonders niedrig. Sogar die Geschäftsbanken in Deutschland verhalten sich zögerlich, wenn es um die Vergabe neuer Kredite geht. Grund dafür dürfte eine erhöhte Risikoaversion sein oder möglicherweise auch eine dünnere Kapitaldecke.
Japan
Die japanische Wirtschaft befindet sich nach wie vor in einer schwierigen Lage. Die Umstrukturierung ist bislang zögerlich verlaufen, die Banken schieben noch immer faule Kredite vor sich her, und der Regierung gelingt es nicht, die erforderlichen Strukturreformen rasch genug auf den Weg zu bringen. Für die Verbraucher hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt und bei den Löhnen zunehmend verschlechtert. Durch den anhaltenden Deflationsdruck wurde die Lage zusätzlich beeinträchtigt. Die Aussichten für das Wirtschaftswachstum bleiben weiterhin schlecht, obwohl sich die Aktienkurse an den japanischen Börsen derzeit auf einem historisch niedrigen Stand befinden.
Südostasien
Trotz des schwachen Weltwirtschaftswachstums konnten die wichtigen Volkswirtschaften Südostasiens im vierten Quartal 2002 starke Wachstumszahlen vorlegen. Hongkong expandierte im Jahresvergleich um 5,0%, was auf einen regeren Auslandshandel sowie auf Hongkongs Rolle als Chinas wichtigstes Tor für weltweite Exporte zurückzuführen war. Wie bereits erwähnt sollte die Entwicklung der gefährlichen Lungenkrankheit SARS in Hongkong nicht außer acht gelassen werden. Eine weitere Ausbreitung der Krankheit dürfte höhere Kosten im Gesundheitswesen, sinkende Konsumausgaben und andere Belastungen für das Wirtschaftswachstum nach sich ziehen. Korea und Thailand verdankten den Zuwachs in erster Linie dem starken Inlandsverbrauch. Das Wachstumstempo der asiatischen Exporte blieb trotz des verlangsamten Weltwirtschaftswachstums vergleichsweise robust. In der nächsten Zeit sollte man das Wachstumstempo in Südostasien weiterhin beobachten, da die Inlandsnachfrage wahrscheinlich nicht als Puffer für die gesamte Region dienen wird.
Marktausblick und Strategien - Streuung bleibt das A und O
Die Aussichten für die Märkte sind nach wie vor unklar. Während eines großen Teils des Irakkriegs entwickelten sich die Aktien- und Rentenmärkte parallel zum Auf und Ab der Anlegerstimmung: Ihre Performance wurde durch Stimmungs- und Gefühlsänderungen ebenso bestimmt wie durch Angebot und Nachfrage. Die meisten Experten stimmen jetzt darin überein, dass die längerfristigen makro- und mikroökonomischen Fundamentaldaten bei Anlegerentscheidungen wieder die Oberhand gewinnen könnten. Welche Strategie ein Anleger verfolgen möchte, hängt von seiner Risikobereitschaft und seinem Anlagehorizont ab. Derzeit scheint bemerkenswert, dass viele professionelle Anleger ein Ende des Bärenmarktes herbeisehnen. Den Beginn des Aufschwungs wollen sie allerdings nicht verpassen und positionieren ihre Portfolios daher entsprechend. In diesem Fall bleibt Diversifikation für Anleger eine Hauptstrategie. Eine Möglichkeit der Diversifikation besteht darin, Anlagen über Anlageklassen zu streuen, beispielsweise dadurch, dass man Aktien, Anleihen und Geldmarkttitel in einem Portfolio je nach Risikobereitschaft mischt. Unter den Faktoren, die für einen ausgewogenen Mix aus Aktien und Anleihen sprechen, ist die Tatsache, dass Staatsanleihen derzeit auf historisch niedrigem Niveau rentieren. Um die Wertentwicklung eines Portfolios zu steigern, könnten Anleger Unternehmensanleihen oder Aktien berücksichtigen, deren Renditen in einigen Märkten höher waren. Eine Diversifizierung im Portfolio kann auch durch Streuung innerhalb derselben Anlageklasse erzielt werden. Bei Aktien kann dies heißen, dass die Anlage in verschiedene Länder, Branchen, Unternehmensgrößen und Anlagestile aufgeteilt wird. Bei einem Portfolio aus festverzinslichen Wertpapieren lautet das Ziel, die richtige Mischung von Staatsanleihen (die risikoärmere, aber langfristig wahrscheinlich weniger rentable Anlagevariante) und Unternehmensanleihen zu finden. Letztere werden für Anleger, die das Risiko-/Rendite-Profil in ihrem Portfolio erhöhen möchten, zunehmend attraktiv. Darüber hinaus bleibt in einem Umfeld, das von unsicheren Wirtschaftsperspektiven geprägt ist, die Auswahl von Aktien und Unternehmensanleihen auf Basis des Bottom-up-Stockpicking bzw. Bottom-up-Bondpicking das A und O. Unternehmen mit soliden Fundamentaldaten dürften sich langfristig in jedem Fall positiv entwickeln, häufig unabhängig davon zu welcher Branche oder welchem Markt sie gehören.
Jetzt zu verkaufen könnte einen Anleger teuer zu stehen kommen
Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Sorge über Unternehmensgewinne und den Zustand der Weltwirtschaft anhält. Ein Anstieg der Handelsvolumina beginnt gerade erst wieder, zumal viele institutionelle Anleger eine abwartende Haltung an den Tag legen. Es ist daher noch zu früh, ein Ende der Baisse vorherzusagen, selbst wenn das Liquiditätsniveau bei privaten wie bei institutionellen Anlegern historisch betrachtet hoch ist, was ein präziser Indikator für eine Erholung des Marktes ist. Legt man jedoch ähnliche Situationen in der Vergangenheit zu Grunde, könnte es Anleger teuer zu stehen kommen, wenn sie jetzt verkaufen.
Quelle: Fidelity
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