Analyse
15:53 Uhr, 14.03.2008

Fed und Finanzwerte im Fokus - Weitere Risiken

Externe Quelle: UNICREDITDie Impulse durch die Zinssenkungen werden von den Konjunkturrisiken und Problemen der Kreditkrise weiter dominiert. Die wichtigsten G10-Zentralbanken haben am Dienstag erneut koordinierte Maßnahmen zu Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Geldmärkte bekannt gegeben. Die Aktienmärkte haben darauf mit deutlichen Kursgewinnen reagiert. Markiert dies die Wende für die Aktienmärkte? Nein. Wie lassen sich die jüngsten Geschehnisse in unser strategisches Bild einordnen?

Einige der G10-Zentralbanken haben am Dienstag koordinierte Aktionen zur Linderung der Spannungen an den Geldmärkten bekannt gegeben. Die Fed, die EZB und die SNB haben das seit Dezember bestehende Swap- Abkommen aufgestockt, dass den europäischen Zentralbanken ermöglicht USD-Liquidität anzubieten. Gleichzeitig hat die Fed bekannt gegeben, künftig US-Treasuries gegen RMBS in einem gewissen Umfang zu swappen. Am Freitag zuvor hatte die Fed ein anderes bestehendes Liquiditätsprogramm aufgestockt (TAF). Die Aktionen bedeuten in Summe zusätzliche Liquidität der Zentralbanken und sind vergleichbar mit denen zum Jahreswechsel 2007. In beiden Fällen lindern die Maßnahmen die Symptome der Krise – die Spannungen am Geldmarkt – aber sie beheben nicht die Ursachen der Kreditkrise.

Eine weitere mögliche Interpretation der Maßnahmen ist, sie als Beleg dafür zu nehmen, dass die Fed bereit ist „alles“ zu tun um das Wachstum zu unterstützen (was vordergründig eine positive Botschaft für den Aktienmarkt ist). Die Rückseite der Medaille ist, dass dies auch zeigt wie ernst die Krise ist und wie wenig die bisherigen Maßnahmen bislang in der Lage waren diese zu überwinden. In diese Bild passt auch die Rede von Bernanke von letzter Woche, in der er vorschlug, die Banken sollten in Erwägung ziehen Schuldnern denen Zwangsversteigerungen drohen einen Teil der Hypothekenschulden zu erlassen um Versteigerungen zu verhindern. In dieser Rede hat er gleichzeitig vor Bankenpleiten gewarnt.

In den Kursen der Geldmarkt-Futures ist für die kommende Woche eine Zinssenkung der Fed um 75 Basispunkte bereits enthalten. Nach der letzten Zinssenkung sind die Spreads so deutlich gestiegen, dass die Wirkung der Zinssenkungen teilweise wieder neutralisiert wurde. Die Fed hat seit dem 18. September 2007 die Leitzinsen um 225 Basispunkte gesenkt. Die bisherige Reaktion des Aktienmarktes fällt sehr schwach aus (derzeit -11,4% seit dem Tag vor der ersten Zinssenkung).

Welche Maßnahmen könnten tatsächlich eine nachhaltige Veränderung der Erwartungen der Marktteilnehmer zum Positiven bewirken? Dies wäre zum Beispiel denkbar beim Einsatz staatlicher Gelder zur Rekapitalisierung der Finanzwerte. Auch ein direkter Kauf von problematischen Wertpapieren wäre dazu möglicherweise in der Lage. Beides wären jedoch extreme Maßnahmen, die nicht zu den „Standardinstrumenten“ einer Notenbank zählen und für die es derzeit (noch?) keine Anzeichen gibt.

Die neuen Lows der Finanzwerte signalisieren Schwierigkeiten bei der erfolgreichen Rekapitalisierung der Finanzwerte und damit weitere Risiken für den Gesamtmarkt. Wichtige Finanzwerte-Indizes wie beispielsweise der S&P 500 Financials und der STOXX Banks haben in den vergangenen Tagen neue Tiefstkurse erreicht. Damit einher gingen neue Tieftskurse von wesentlichen hoch kapitalisierten Finanzwerten (z. B. Citigroup; UBS). Die neuen Tiefstkurse sind Ausdruck von Zweifel ob die bisherigen Maßnahmen zur Rekapitalisierung vor dem Hintergrund eines sich weiter verschlechternden Umfelds (Hypothekenmarkt, Konjunkturrisiken) ausreichend sind. Der jüngste Kursanstieg stellt nur einen „Pull Back“ in Richtung der bisherigen Unterstützungen dar. In der nächsten Woche stehen die Veröffentlichungen der ersten Q1 Quartalsergebnisse der US-Investmentbanken an: Lehman Brothers, Goldman Sachs (18.03.), Morgan Stanley (19.03.) und Bear Stearns (20.03.). Für den Gesamtmarkt gilt unverändert unsere Einschätzung, dass solange sich im Finanzsektor (insbesondere im Bankensektor) keine Stabilisierung vollzieht eine nachhaltige Erholung nicht zu erwarten ist.

Bislang war es richtig der immer länger werdenden Liste von Maßnahmen zur „Lösung“ der Kreditkrise skeptisch im Hinblick auf ihre Wirkung für den Gesamtmarkt gegenüber zu stehen. Die letzte Maßnahme bezog sich auf den Versuch der Stabilisierung der Eigenkapitalbasis von MBIA und Ambac. Die Kapitalerhöhungen von MBIA und Ambac und die Bestätigung ihrer Ratings durch Moody's und S&P haben nur eine kurzlebige positive Reaktion des Aktienkurses bewirkt. Beide Werte notieren wieder auf bzw. unterhalb des Niveaus vor dem Zeitpunkt der Ankündigung. Der Markt für Auction Rate Securities funktioniert noch nicht wieder und der Druck auf die Aufsichtsbehörden, andere Maßnahmen wie beispielsweise eine Aufspaltung der Gesellschaften in Erwägung zu ziehen, besteht fort. Ebenso die daraus resultierenden Risiken für den Gesamtmarkt.

Kein Ende der Belastungsfaktoren in Sicht – deshalb: defensive Strategie trotz niedriger Bewertung. Die Bewertung des europäischen Aktienmarktes hat sich in den vergangenen Wochen wesentlich verbessert und vieles von den kommenden Verschlechterungen bei den Unternehmensgewinnen dürfte bereits in den Kursen enthalten sein. Die verbesserte Bewertung kommt beispielsweise in der gestiegenen Dividendenrendite zum Ausdruck (auf Basis der in 2008 ausgeschütteten Brutto-Dividenden liegt die Rendite bei 4,5%). Allerdings ist derzeit kein Ende der wesentlichen Belastungsfaktoren (Rekapitalisierung, Verschlechterung des Makro-Umfelds) abzusehen. Darüber hinaus sind neue Belastungen hinzugetreten wie z.B. neue Tiefkurse beim USD und Rekordpreise beim Öl. Deshalb empfehlen wir trotz verbesserte Aktienmarktbewertung weiter eine defensive Strategie und sehen die Zeit für eine Übergewichtung von Aktien noch nicht gekommen. Wir erwarten eine längere volatile Bodenbildungsphase in der die bisherigen Tiefkurse auch durchaus unterschritten werden können.

Fazit: Wir sind unverändert der Einschätzung, dass die Argumente, die für eine defensive Strategie sprechen, überwiegen.

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Über den Experten

Alexander Paulus
Alexander Paulus
Technischer Analyst und Trader

Alexander Paulus kam zunächst über Börsenspiele in der Schule mit der Börse in Kontakt. 1997 kaufte er sich seine erste Aktie. Nach einigen Glückstreffern schmolz aber in der Asienkrise 1998 der Depotbestand auf Null. Da ihm das nicht noch einmal passieren sollte, beschäftigte er sich mit der klassischen Charttechnik und veröffentlichte seine Analysen in verschiedenen Foren. Über eine Zwischenstation kam er im April 2004 zur stock3 AG (damals BörseGo AG) und veröffentlicht seitdem seine Analysen auf stock3.com (ehemals GodmodeTrader.de)

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