Kommentar
07:54 Uhr, 13.05.2015

Fed: Aktien "ziemlich hoch" bewertet. Und Anleihen?

Fed Chefin Janet Yellen redete vor einer Woche Klartext zu Aktien. Die Bewertung sind ziemlich hoch, sagte sie. Wie aber sieht es mit Anleihen aus?

Yellen bezeichnet die Bewertung von Aktien als ziemlich hoch. Sie sagte nicht, dass sie zu hoch seien. Das ist ein wichtiger Unterschied, denn wenn die Bewertung zu hoch wäre, dann müsste zwangsläufig eine Korrektur folgen. „Ziemlich hoch“ ist zwar hoch, aber im Gegensatz zu „zu hoch“ noch gerade so vertretbar. Insbesondere ist die Bewertung noch akzeptabel, weil die Anleihenrenditen so niedrig sind.

Aktien kann man auf viele Arten bewerten. Klassische Methoden zeigen ein Bewertungsniveau an, welches im historischen Vergleich nicht nur als hoch, sondern zu hoch zu bezeichnen ist. Ein Markt mit einem KGV von 20 ist wirklich kein Schnäppchen. Stellt man das jedoch ins Verhältnis zu dem, was man sonst verdienen kann, ist es vertretbar. Die Alternative zu Aktien wären vor allem Anleihen. In den USA bekommt man für Anleihen mit 10 Jahre Laufzeit gut 2% pro Jahr. Üppig ist etwas anderes. Wer üppig will, der muss sich etwas anderes einfallen lassen als Staatsanleihen.

Inzwischen sind viele Anleger auf die gleiche Idee gekommen und haben Aktien gekauft. Von wahren Schnäppchenpreisen wie im Jahr 2009 sind wir weit entfernt. Aktien gelten weitläufig als hoch bewertet. Viele sind sich jedoch nicht sicher, ob es sich um eine Überbewertung handelt oder um ein Niveau, welches man aufgrund der niedrigen Zinsen noch rechtfertigen kann.

Grafik 1 zeigt die Entwicklung des Shiller KGV. Das Shiller KGV ist ein mehrjähriger Durchschnitt des inflationsbereinigten KGV. Man könnte auch das normale KGV hernehmen, allerdings stand dieses im Jahr 2009 bei 120 und vermittelt ein falsches Bild. Aktien waren 2009 ja nicht wirklich teuer, sondern sehr günstig.

Das KGV ist hoch. Das wissen alle. Dabei ist es nicht relevant, ob man das Shiller KGV oder das normale KGV betrachtet. Beide sind hoch. Daran kann man nicht rütteln. Gleichzeitig ist die Rendite für Staatsanleihen extrem niedrig. Mit 2% für 10-jährige Anleihen sind wir auf einem historisch niedrigen Niveau. Zuletzt wurden ähnliche Werte in den 50er Jahren erreicht. Damals lag das KGV von Aktien bei ungefähr 15. Heute stehen die Zinsen ca. 20% unter den Werten aus den 50er Jahren, das KGV steht allerdings 80% höher.
Die Grafik zeigt, dass der negative Zusammenhang von Anleihenrendite und Aktienbewertung nicht neu ist. Es macht auch Sinn. Je weniger Zinsen auf dem Anleihenmarkt verdient werden können, desto attraktiver erscheinen Aktien. Diese sind zwar risikoreicher, bringen dafür aber auch mehr Rendite. Das Risiko wird über die höhere Rendite abgegolten.

Wie hoch die Kompensation für das Risiko ist, kann man berechnen. Der Risikoaufschlag (Equity Risk Premium) berechnet sich aus dem zu erwartenden Wachstum der Unternehmensgewinne. Wächst der Unternehmensgewinn dieses Jahr z.B. um 6%, dann ist das die Rendite, die mir die Aktie bringt. Für Anleihen bekomme ich lediglich 2%. Die Überrendite beträgt also 4%. Vergleicht man die Aktienrendite mit einer 10-jährigen Anleihe, dann muss man streng genommen das Gewinnwachstum der kommenden 10 Jahre kennen, um die Risikoprämie zu berechnen. Es kann sich also nur um eine Schätzung handeln.

Diese Schätzung ist ebenfalls in Grafik 1 dargestellt. Die Aktienrendite zeigt an wie hoch die zu erwartende Jahresrendite über die kommenden 10 Jahre ist. Die Rendite ist mit ca. 6,5% keineswegs auf historischen Hochs, sie ist aber auch gar nicht so niedrig. Kennt man die Aktienrendite und die Anleihenrendite, dann kann man sich die Risikoprämie für Aktien ausrechnen. Die Equity Risk Premium (ERP) ist in Grafik 2 dargestellt. Die ERP liegt in dieser Berechnung bei 4,8%. Goldman Sachs schätzt die ERP auf 4,5%. Irgendwo im Bereich von 4 bis 5% dürfte sie tatsächlich liegen. Im historischen Vergleich ist das viel. Sieht man von der deutlichen Unterbewertung der Jahre 2010 bis 2011 ab, dann ist die ERP heute so hoch wie seit den späten 70er Jahren nicht mehr.
Je höher die ERP, desto besser werden Anleger für das Risiko des Investments kompensiert. Geht man nach dieser Kennzahl, dann sind Aktien immer noch fair bewertet. Trotzdem gibt es einige Beobachter, die vor den hohen Bewertungen warnen und einen Crash kommen sehen. Das passt eigentlich nicht zusammen. Wenn Aktien eigentlich für das Risiko gut kompensieren, wie lässt sich da ein Crash rechtfertigen?

Der Crash lässt sich rechtfertigen, wenn sich die Umstände ändern. Die ERP ist momentan nur so hoch, weil die Anleihenrendite so niedrig ist. Würden die 10-jährigen US Anleihen zu ihrer langjährigen Rendite zurückkehren, dann läge die ERP plötzlich nur noch bei 2,5%. Das ist im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt extrem niedrig. Aktien wären dann sofort hoffnungslos überbewertet.

Für Aktien besteht das größte Risiko in der Zinsentwicklung. Steigen die Zinsen und mit ihnen die Anleihenrenditen, dann müssen Aktienkurse deutlich sinken, damit die ERP nicht kleiner wird. Eine gewisse Kompression der ERP ist vorstellbar. Für Anleger macht es aber keinen Sinn Aktien weiterhin zu halten, wenn diese 6% abwerfen, eine Anleihe aber 4%. Die 4% wären risikolos und sicher, während die 6% sehr unsicher sind. Im langjährigen Durchschnitt verlangen Anleger eine ERP von mindestens 3%.
Nimmt man an, dass die Anleihenrendite auf 4% steigt und die ERP zu ihrem langjährigen Durchschnitt von 3 zurückkehrt, dann müssten Aktien um 30% fallen, damit die Rechnung aufgeht. Die Gretchenfrage ist nun: Steigen die Zinsen? Einige sehen auf Jahre hinweg keine steigenden Zinsen, daher sind auch Aktienmärkte nicht in einer Blase. Man kann allerdings argumentieren, dass sich Anleihen in einer Blase befinden, die jederzeit platzen und den Aktienmarkt mit sich reißen könnte.

Wenn man Anleihenrenditen weltweit beobachtet, dann fällt es einem schwer, nicht an eine Blase zu glauben. Wenn Staaten für Schulden, die sie erst in 10 Jahren zurückzahlen, so gut wie nichts mehr an Zins bieten müssen, dann schreit das geradezu nach Überbewertung. Aber kann man wirklich feststellen, ob Anleihen überbewertet sind? – Man kann, so ungefähr zumindest.

Langlaufende Anleihen haben eine höhere Rendite als kurzlaufende Anleihen. Der Grund: die Unsicherheit auf lange Sicht ist größer als auf Sicht von einem Jahr oder einiger Monate. Für diese Unsicherheit wollen Anleger kompensiert werden. Diese Überrendite von langlaufenden zu kurzlaufenden Anleihen wird Term Premium genannt. Um die Term Premium zu errechnen, zieht man die erwartete Rendite von kurzlaufenden Anleihen von der Rendite langlaufender Anleihen ab. Das Ergebnis dieser Rechnung ist in der letzten Grafik dargestellt.

Momentan ist die Term Premium in den USA leicht negativ. In Europa ist sie durch die Bank weg negativ. Anstatt für das Risiko kompensiert zu werden, zahlen Anleger de facto für höheres Risiko. Das macht keinen Sinn. Es würde nur Sinn machen, wenn Anleger einen Crash erwarten und daher mittelfristig das Risiko von Anleihen deutlich geringer einschätzen.

Anleihen kann man als überbewertet ansehen, wenn die Term Premium negativ ist. Das kann sich nur korrigieren, indem die Renditen deutlich steigen oder Aktien einen Crash erleiden. Ersteres würde einen Crash bei Aktien auslösen. Letzteres würde bedeuten, dass die Term Premium angemessen ist, weil Aktien stark fallen. Wie man es dreht und wendet, Aktien ziehen den Kürzeren.

Die ganze Sache ist in sich schlüssig. Sie sagt jedoch nichts über das Timing aus. Aktien können gut und gerne noch lange Zeit steigen, bevor sich die Bewertung ändert. Als Anleger muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Aktienmarkt momentan einem sehr hohen Zinsänderungsrisiko unterworfen ist. Steigen Anleihenrenditen rasch an, dann fällt die Equity Risk Premium ebenfalls deutlich. Sinkt die ERP unter 3%, dann muss man mit einer scharfen Korrektur rechnen. Das haben die wenigsten auf der Rechnung. Alle Welt konzentriert sich auf die Leitzinsen. Diese sind aber fast komplett irrelevant. Was zählt, dass sind die Anleihenrenditen. Diese muss man im Auge behalten.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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