EZB: Zinssenkung mit angezogener Handbremse
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Externe Quelle: Nord/LB
Die EZB hat den Leitzins im Rahmen ihrer turnusmäßigen Ratssitzung am heutigen Mittag gesenkt. Entgegen der Markterwartung konnten sich die Notenbanker jedoch nur zu einem kleinen Zinsschritt von 25 Basispunkten durchringen. Der Tendersatz liegt damit bei 1,25%. Diese Entscheidung darf getrost als Überraschung bezeichnet werden. Hatten doch die Äußerungen von EZB-Ratspräsident Jean-Claude Trichet im Nachgang zur letzten Sitzung sowie einige Statements ranghoher EZB-Offizieller in der Zwischenzeit auf eine deutlichere Absenkung des Zinsniveaus hingedeutet. Entsprechend gespannt warteten die Marktbeobachter auch auf die Ausführungen des EZB-Chefs im Rahmen der anschließenden Pressekonferenz.
Dort verwies Trichet wie gewohnt auf eine tiefgreifende Diskussion der Ratsmitglieder, die aber in eine im Konsens getroffene Entscheidung gemündet sei. Auf Nachfrage sagte der Ratspräsident sehr deutlich, dass der nun erreichte Leitzinssatz noch nicht das niedrigste denkbare Niveau darstelle. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Zentralbank auch bei ihrer Maisitzung den Tendersatz absenkt – mit einem großen Zinsschritt ist jedoch nicht mehr zu rechnen. Die nächste Sitzung dürfte von besonderer Bedeutung sein, da die Notenbank außerdem über die Verwendung unorthodoxer Maßnahmen befinden will. Die Ausweitung der Geldmenge durch etwa den Ankauf von Wertpapieren durch die Notenbank, wurde damit vorerst verschoben.
Die heutige Zinsentscheidung verwundert aus zweierlei Gründen. Zum einen hätte die Notenbank vor dem Hintergrund der weiter nachgebenden Inflationsraten genug Luft für einen großen Zinsschritt gehabt. Trichet selbst wies darauf hin, dass die Jahresteuerung in den Sommermonaten durchaus kurzfristig in den negativen Bereich rutschen könnte. Zum anderen sprach der Ratspräsident von einem schweren Abschwung der Konjunktur – was läge da näher, als mit einer entsprechend deutlichen Zinssenkung nochmals ein klares Zeichen zur Stützung der Wirtschaft zu setzen. Ganz offenbar haben sich aber nun die vorsichtigeren Vertreter im Rat durchgesetzt. Klar scheint mit der heutigen Entscheidung zumindest eines: eine Nullzinspolitik ähnlich der Fed oder der Bank of Japan wird es in Euroland nicht geben.
Fazit: Die EZB hat an ihrem Zinssenkungskurs der vergangenen Monate festgehalten. Allerdings hat sie sich – zur Überraschung der Märkte – lediglich zu einem kleinen Zinsschritt durchringen können. Dies verwundert, da sowohl die Inflationsseite als auch die Realwirtschaft einen großen Zinsschritt gerechtfertigt hätten. Die Aussagen von Ratspräsident Trichet interpretieren wir dahingehend, dass die EZB auch in ihrer Maisitzung den Tendersatz (letztmalig) leicht absenken und dann bei Bedarf auf die vielzitierten unorthodoxen Maßnahmen umsteigen wird.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.