Kommentar
10:26 Uhr, 10.06.2022

EZB-Sitzung beschleunigt Kursrutsch bei S&P500 und DAX, Gold und Euro geben nach – Investoren warten auf US-Inflationsdaten am Freitag

Nachdem der DAX noch am Montag an der Marke von 14.700 Punkten gekratzt hatte, ging es anschließend deutlich abwärts. Für zusätzlichen Verkaufsdruck sorgen die Ergebnisse der gestrigen EZB-Sitzung.

Anleger bei DAX und S&P500 können daher nur hoffen, dass die heutigen US-Inflationsdaten nicht schlechter ausfallen als erwarten.

Die Nervosität der DAX-Anleger hat in den vergangenen Tagen zugenommen. Zurecht, wie die Ergebnisse der heutigen EZB-Sitzung zeigen. Offenbar bleibt der Notenbank um deren Fed-Chefin Christine Lagarde nichts anderes übrig, zähneknirschend auf die horrende Inflation von 8,1 Prozent für Mai für die Euro-Zone zu reagieren.

Zwar will die EZB nur langsam vom Gaspedal heruntergehen, allerdings möglicherweise etwas schneller als Investoren bislang erwartet hatten, was für Aufwärtsdruck bei den Zinsen sorgt – die Zinsen für zehnjährige italienische Anleihen schossen gestern um herbe 20 Basispunkte auf 3,66 Prozent nach oben -, während im Gegenzug der DAX einknickt.

Die EZB hat die Inflationsprognose für 2022 kräftig angehoben von 5,1 auf 6,8 Prozent. Wenn die Preise für Öl und Nahrungsmittel auf Höhenflug bleiben sollten, dürfte das allerdings noch längst nicht das Ende der Fahnenstange sein. Gleichzeitig hat die EZB die Prognose für das Wirtschaftswachstum deutlich eingedampft von 3,7 auf 2,8 Prozent. Die Prognose für die nächsten Jahre zu Inflation und Wirtschaftswachstum erspare ich ihnen, liegen die Prognosen der EZB doch meist meilenweit daneben.

Kleiner Hinweis: In der Sendung „Euer Egmond“ vom 7. Juni, präsentiert von BNP Paribas Zertifikate, habe ich die Aussichten für S&P500 und DAX, Euro-Dollar und Gold analysiert.

Stärkere Zinserhöhung im September möglich

Vor dem Hintergrund hat die EZB angekündigt, dass das „alte“ APP-Programm zum 1. Juli auslaufen soll. Gleichzeitig will die EZB die Leitzinsen bei der nächsten Sitzung am 21. Juli um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) erhöhen. Eine Erhöhung bei der übernächsten Sitzung am 8. September hänge von der Inflationsentwicklung ab. „Sollten die mittelfristigen Inflationsaussichten unverändert bleiben oder sich verschlechtern, ist bei der September-Sitzung ein größerer Zinsschritt angemessen“, schrieb die EZB.

Da man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sich innerhalb von drei Monaten die Inflationsaussichten nicht verbessern sollten, gehen viele Investoren nun plötzlich von einem Zinsschritt um 50 Basispunkte nach oben für September aus. Gleichzeitig hat die EZB angekündigt, dass es nach September weitere Zinserhöhungen geben soll. Das treibt die Zinsen in Deutschland und vielen anderen Ländern der Euro-Zone deutlich nach oben, weshalb das Rezessionsrisiko rapide zunimmt, und die Aktienmärkte, wie der L&S DAX (14.006,27 Pkt -1,36 %), EURO STOXX 50 (3.671,94 Pkt -1,41 %) oder FTSE MIB (23.293,58 € -1,45 %) auf Talfahrt gehen.

Am Markt sind inzwischen Zinserhöhungen um insgesamt 150 Basispunkte bis Ende 2022 eingepreist, zumal etliche Experten darüber reden, dass die EZB in den nächsten Jahren die Zinsen über den neutralen Zins anheben müsse, um die Inflation zu bekämpfen. Niemand weiß, wie hoch der reale Zins tatsächlich ist. Viele Experten versuchen ihn allerdings zu errechnen, indem man zum realen Wirtschaftswachstum von 0,5 bis 1,0 Prozent pro Jahr die Inflationsrate von 2 Prozent dazuzählt, womit man auf 2,5 bis 3,0 Prozent kommt.

Ehrlich gestanden halte ich es für extrem unwahrscheinlich, dass die EZB die Zinsen bis Ende 2022 um 150 Basispunkte anhebt, woraufhin der Einlagenzins für die Banken von aktuell minus 0,5 Prozent bei plus 1,0 Prozent liegen würde. Denn meiner Meinung nach zieht mit großen Schritten eine Rezession in den USA herauf, was die Wirtschaft der Euro-Zone über den Export erheblich belasten würde.

Das erhöht die Rezessionsrisiken für die Euro-Zone erheblich. Das letzte was sie da noch gebrauchen kann wären steigende Zinsen, wenngleich sie zur Bekämpfung der herben Inflation unbedingt notwendig sind. Verschlimmert würde die Sache, falls China nach den jüngsten Lockerungen der Corona-Maßnahmen in den nächsten Wochen möglicherweise neue Lockdowns einführen sollte. In diesen schlimmen Schlamassel hat sich die EZB selbst rein manövriert, weil sie länger als ein Jahr nicht auf die zunehmend galoppierende Inflation reagiert hat und trotz der Warnungen vieler Experten immer von einer „vorübergehenden“ Inflation gesprochen hat.

Steigende Zinsen belasten Growth-Aktien

Der deutliche Zinsanstieg für die Euro-Zone sorgt auch für etwas Aufwärtsdruck bei den Zinsen in den USA, gehen doch viele Investoren davon aus, dass Fed und EZB in den nächsten Monaten die Geldpolitik deutlich verschärfen dürften, wenngleich bei der EZB vom möglichen Abbau der Bilanzsumme, also dem Auslaufenlassen von Staatsanleihen absolut keine Rede ist.

Mit den steigenden Zinsen sollte meiner Meinung nach der Gegenwind für die Growth-Aktien, wie Apple Inc. (142,64 $ -3,60 %), Microsoft Corp. (264,79 $ -2,08 %), Amazon.com Inc. (116,15 $ -4,15 %), Meta Platforms Inc (184,00 $ -6,43 %), Alphabet Inc. (Class C) (2.298,36 $ -1,98 %) und Tesla Inc. (719,12 $ -0,89 %) wieder zunehmen, was für neuen Verkaufsdruck auf den Nasdaq Composite (11.754,23 Pkt -2,75 %) und damit den S&P 500 (4.017,82 Pkt -2,38 %) sorgen sollte. Zumal wenn die US-Inflationsdaten, die morgen um 14.30 Uhr veröffentlicht werden, schlechter ausfallen sollten als erwartet. Mich würde es nicht wundern, wenn die jüngste Erholung beim S&P500 um rund 7 Prozent schon ausgelaufen wäre. Bemerkenswerterweise war der DAX in den vergangenen Tagen deutlich stärker unter Druck als der S&P500.

Nervöses Warten auf US-Inflationsdaten

Im Mai sollen die Verbraucherpreise um 0,7 Prozent gegenüber dem Vormonat geklettert sein, nach 0,3 Prozent für April. Zudem sollen die Verbraucherpreise im Mai um 8,2 Prozent über dem Vorjahresniveau liegen, nach 8,3 Prozent für April. Das wäre zwar der 2. Monat in Folge mit einem leichten Rückgang, nach 8,5 Prozent für März. Dennoch läge die Inflationsrate immer noch in der Nähe des 40-Jahres-Hochs und würde nur sehr langsam zurückgehen.

Die steigenden US-Zinsen ziehen auch den Dollar mit nach oben, woraufhin der EUR/USD (1,06165 $ -0,02 %) einknickt. Im Gegenzug gibt der Goldpreis etwas nach.

Diese und ähnliche Themen analysiere ich jeden Dienstagabend um 18 Uhr in der Sendung „Euer Egmond“ von BNP Paribas Zertifikate ebenso wie US-Konjunkturdaten, und wie es in dem Umfeld bei S&P500 und DAX, einigen Einzelwerten aus den Indizes, EUR/USD (1,06165 $ -0,02 %) und Gold (1.845,30 $ -0,14 %) weitergehen könnte. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich die Sendung anschauen würden.

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Egmond Haidt
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