Analyse
13:59 Uhr, 07.11.2008

EZB: Rezessionsangst löst weitere Zinssenkung aus

Externe Quelle: NORD/LB

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Rahmen ihrer turnusmäßigen Ratssitzung den Leitzins für die Eurozone ein weiteres Mal binnen Monatsfrist um 50 Basispunkte auf nun 3,25% gesenkt. Die erneute Zinssenkung war auch in dieser Höhe allgemein erwartet worden, die diesbezüglichen Ankündigungen von Jean-Claude Trichet und anderen EZB-Ratsmitgliedern waren mehr als ein Wink mit dem Zaunpfahl. Überraschender war, dass die Zinssenkung auch dieses Mal von Zinssenkungen durch Zentralbanken anderer wichtiger Industriestaaten begleitet wurde. So senkte die Schweizer Nationalbank das LIBOR-Zielband um 50, die Bank of England den Leitzins gar um 150 Basispunkte. Mit besonderer Spannung richtete sich der Blick auch dieses Mal auf die Äußerungen von EZB-Ratspräsident Trichet im Anschluss an die Sitzung.

Trichet äußerte, dass neben einer Senkung um 50 Basispunkte auch ein größerer Schritt um 75 Basispunkte diskutiert wurde. Trichet begründete die Zinssenkung mit den nicht mehr zu ignorierenden Zeichen einer empfindlichen Konjunkturabkühlung in der Eurozone und den Risiken durch die Finanzmarktkrise. Der Geldmarkt ist nach wie vor von erheblichen Verspannungen gekennzeichnet. Trichet wies zudem darauf hin, dass in diesem Umfeld die Inflationsgefahren deutlich gesunken sind. Zum einen haben die Preise für Rohöl und andere Rohstoffe zuletzt deutlich nachgegeben, zum anderen schwinden bei einbrechender Nachfrage auch die Preis- und Lohnerhöhungsspielräume. Die EZB erwartet, dass die Inflation (HVPI) im Verlauf des Jahres 2009 auf ein Niveau sinkt, dass mit Preisniveaustabilität vereinbar ist.

Der Markterwartung gemäß dem Motto „nach der Zinssenkung ist vor der Zinssenkung“ mochte Trichet nicht widersprechen. Zwar betonte er ein weiteres Mal den Grundsatz, dass sich die EZB nie im Voraus festlegt. Allerdings verwies er mit Blick auf die anstehende Aktualisierung der EZB-Prognosen im Dezember auf die Bedeutung der nächsten Sitzung. Aufgrund der zu erwartenden Abwärtsrevision der Wachstumsaussichten in der Eurozone sowie der weiteren Verbesserung des Inflationsausblicks, der sich in den letzten Preisdaten bereits deutlich abzeichnete, hat Trichet weitere Zinssenkungen aber ausdrücklich nicht ausgeschlossen.

Fazit: Die EZB hat heute den Leitzins erneut um 50 Basispunkte und damit binnen Monatsfrist den Tendersatz um einen vollen Prozentpunkt gesenkt. Dies ist zwar auch eine Reaktion auf die Verschärfung der Finanzmarktkrise, in erster Linie begegnet die EZB mit ihrem Zinssenkungskurs jedoch der Rezessionsgefahr in der Eurozone. Die deutliche Verbesserung des Inflationsausblicks hat der EZB hierzu den nötigen Handlungsspielraum gegeben, der noch nicht ausgeschöpft sein dürfte. Wir erwarten, dass die EZB auf einer ihrer nächsten beiden Sitzungen eine weitere Zinssenkung um 50 Basispunkte vornimmt. Aufgrund der hohen Risiken aus der Finanzmarktkrise ist selbst eine noch weitergehende geldpolitische Lockerung derzeit nicht auszuschließen.

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Über den Experten

Alexander Paulus
Alexander Paulus
Technischer Analyst und Trader

Alexander Paulus kam zunächst über Börsenspiele in der Schule mit der Börse in Kontakt. 1997 kaufte er sich seine erste Aktie. Nach einigen Glückstreffern schmolz aber in der Asienkrise 1998 der Depotbestand auf Null. Da ihm das nicht noch einmal passieren sollte, beschäftigte er sich mit der klassischen Charttechnik und veröffentlichte seine Analysen in verschiedenen Foren. Über eine Zwischenstation kam er im April 2004 zur stock3 AG (damals BörseGo AG) und veröffentlicht seitdem seine Analysen auf stock3.com (ehemals GodmodeTrader.de)

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