EZB: Noch ein weiter Weg
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Externe Quelle: Unicredito
In der kommenden Woche steht die EZB wieder im Rampenlicht. Nach dem doch überraschenden Statement Anfang Mai, wonach der Rat prinzipiell direkten Käufen von Pfandbriefen (Covered Bonds) im Umfang von 60 Mrd EUR zugestimmt habe, warten die Märkte nun gespannt auf die Bekanntgabe der Einzelheiten des Kaufprogramms. Die Frage, ob die EZB diese Käufe sterilisieren will, ist dabei von größtem Interesse. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hatte darauf bei der Mai- Sitzung noch keine wirkliche Antwort gegeben. Vermutlich war sich der Rat zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht einig. Die Antwort auf diese Frage ist jedoch zu wichtig und duldet keinen Aufschub mehr, so dass kommenden Donnerstag eine endgültige Entscheidung verkündet werden dürfte. Trichet wies auf der letzten Pressekonferenz aber schon darauf hin, dass die Maßnahme auf ein besseres Umfeld für ein bestimmtes Marktsegment abzielt und nicht auf eine weitere allgemeine Lockerung der Geldpolitik. Dies spricht dafür, dass die Käufe wohl doch sterilisiert werden. Unserer Ansicht nach sollten aber nicht nur die Pfandbriefmärkte unterstützt werden. Wir halten es nämlich für ratsam, ja notwendig, der Wirtschaft mehr Liquidität zur Verfügung zu stellen. Daher können wir eine Sterilisierung der Käufe nicht befürworten. Zudem könnten dabei die Papiere, die die EZB zur Sterilisierung ihrer Pfandbriefkäufe zum Verkauf in Betracht zieht, möglicherweise unter Druck kommen.
Daneben sollte die EZB klarstellen, dass sowohl das Volumen als auch das Spektrum der Anlagen, die für direkte Käufe infrage kommen, noch erweitert werden könnte. Das angekündigte Kaufprogramm über 60 Mrd EUR ist zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, wird aber wohl kaum ausreichen, falls die Rezession noch länger anhält. Darüber hinaus ist die Gefahr einer regelrechten Kreditklemme noch immer nicht gebannt. Nach unseren jüngsten Analysen (siehe Research Note: Kreditkontraktion im Euroraum: Ein Blick auf die Angebotsseite, Freitagspapier vom 22. Mai) ist es zwar nach wie vor kaum zu belegen, dass die Verringerung des Kreditangebots – unabhängig von dem durch die Rezession ausgelösten Rückgang der Kreditnachfrage – eine wesentliche Rolle gespielt hat. Außerdem signalisiert die jüngste Krediterhebung (bank lending survey), dass die Vergabestandards nicht länger verschärft werden. Vor dem Hintergrund, dass die Banken im Euroraum zwangsläufig unter einer wachsenden Zahl notleidender Kredite leiden werden, ist jedoch die Gefahr nicht zu unterschätzen, dass eine Erholung der Kreditnachfrage infolge einer Stabilisierung der Wirtschaftstätigkeit durch wachsende Angebotsbeschränkungen ausgebremst wird.
Darüber hinaus belastet die Entwicklung an den Währungsmärkten den Wachstumsausblick für den Euroraum, da der wieder zunehmende Risikoappetit den USD unter Druck gesetzt und den EUR nach oben getrieben hat. Da der Konjunkturausblick für den Euroraum nach wir vor stark von einer Exporterholung abhängt, ist eine weitere starke EUR-Aufwertung ein nicht zu unterschätzendes Risiko.
Die EZB hat zuletzt ihr Festhalten an ihrem Ansatz der „ruhigen Hand“ demonstriert, indem sie den so genannten „Green Shoots“ (zarte Konjunkturschösslinge) mit Vorsicht begegnete. Wir hoffen, dass sich diese umsichtige Haltung auch bei der Sitzung nächste Woche bestätigt. Unsere Analysen zeigen indes, dass die „Green Shoots“ innerhalb der Weltwirtschaft inzwischen doch weit verbreitet sind, was wir als wichtiges Signal für ihre Widerstandsfähigkeit werten. Mit Blick auf den Euroraum machen wir einige Anzeichen für eine Stabilisierung aus, beispielsweise zuletzt eine Verbesserung des Verbrauchervertrauens in Italien. Wir sind zuversichtlich, dass der Wendepunkt erreicht und das Schlimmste überstanden ist. Um es mit den Worten Trichets zu sagen, erleben wir bislang aber lediglich eine Stabilisierung nach einem Zusammenbruch der Wirtschaftstätigkeit auf extrem niedrige Niveaus, wobei nach wie vor die Abwärtsrisiken überwiegen. Folglich sollte in dem derzeitigen Stadium die wirtschaftspolitische Unterstützung aufrechterhalten werden, um die Chancen für eine nachhaltige Erholung zu maximieren. Vor diesem Hintergrund erscheint der zurückhaltende Kommentar der EZB zu den „Green Shoots“ sehr ermutigend.
Gleichzeitig hoffen wir, dass die EZB ihre Bereitschaft, die geldpolitischen Zügel zur rechten Zeit zu straffen, sobald sich die Erholung festigt, ebenfalls bekräftigen wird. Die Diskussion über die Notwendigkeit weiterer politischer Anreize ist berechtigt. Noch wichtiger ist aber vielleicht die Debatte über die Ausstiegsstrategie. Um das Vertrauen aufrechtzuerhalten und die Inflationserwartungen unter Kontrolle zu halten, ist es eminent wichtig, dass die EZB ihre Entschlossenheit signalisiert, die Zinspolitik schnellstmöglich wieder zu straffen, und die Marktteilnehmer davon überzeugt, dass sie auch den richtigen Zeitpunkt erkennen wird.
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