EZB-Interventionen wenig wahrscheinlich
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1. Seit Dezember erreichte der Euro bis Anfang vergangener Woche fast täglich neue historische Höchststände. Mit jedem Cent, den der Euro stieg, wurden die Rufe nach Devisenmarktinterventionen und Leitzinssenkungen durch die EZB lauter. Wir werden im folgenden erläutern, warum wir glauben, dass die EZB nicht gegen den Euro intervenieren wird.
2. Die EZB kümmert sich um den Wechselkurs i.d.R. nur dann, wenn er die Inflationsperspektiven verschlechtert. Auf ihrer Ratssitzung am 8. Januar hat die EZB mit einer sehr zurückhaltenden Äußerung zur Euro-Stärke den Märkten angesichts unveränderter Inflationsperspektiven geradezu eine Steilvorlage geliefert, um die Gemeinschaftswährung weiter in die Höhe zu treiben. Wenige Tage später hat EZB-Präsident Trichet zum ersten Mal in deutlich schärferer Form darauf hingewiesen, dass "exzessive Volatilität und brutale Wechselkursbewegungen nicht willkommen und nicht angemessen sind." Weitere Äußerungen von hochrangigen Vertretern der EZB, u.a. Banque de France-Präsident Noyer und EZB-Chefvolkswirt Issing folgten. Der Kurs des Euro reagierte prompt mit deutlichen Abschlägen. Damit scheint zumindest die erste Runde eingeläutet zu sein, in der die EZB mit verbalen Interventionen andeutet, dass ihr die schnelle, kräftige Aufwertung des Euro nicht willkommen ist.
3. Die Forderungen nach einem Eingreifen der EZB zu Lasten des Euros lassen sich nur mit dem Tempo einer Euroaufwertung, nicht aber mit dem Niveau des Euros begründen. Dieses liegt derzeit mit rund 1,25 USD/EUR auf dem (synthetisch berechneten) Niveau von Anfang 1997 und entspricht einem DEM-USD Kurs von 1,56. Handelsgewichtet notiert der Euro derzeit auf dem Niveau von Oktober 1998. Beim (realen) handelsgewichteten Außenwert des Euro ist die Aufwertung der letzten zwei Jahre deutlich geringer als gegenüber dem US-Dollar allein, da der direkte Anteil des US-Dollars in dem Währungskorb nur 17 % beträgt. Im Vergleich mit der von uns berechneten Kaufkraftparität von rund 1,18 USD/EUR wäre der Euro derzeit gerade um 6 % überbewertet. 1 Angesichts des US-Leistungsbilanzdefizits von geschätzten 5 % des BIP in 2003 ist dies nicht viel. Es bedarf voraussichtlich noch einer deutlicheren Abwertung des US-Dollar damit sich das Defizit in der Leistungsbilanz wieder verringert. Sollten die asiatischen Länder auch in Zukunft ihre Wechselkurse weiter sehr eng an den Dollar knüpfen, dürfte eine noch größere Anpassungslast auf dem Euro liegen.
4. Natürlich hat die bereits vollzogene Aufwertung der Gemeinschaftswährung Konsequenzen für die Wirtschaft Eurolands: Eine belastende und eine entlastende. Zum einen dürfte die schnelle, kräftige Aufwertung für Bremsspuren beim Außenhandel sorgen. Wir erwarten jedoch, dass der Mengeneffekt aufgrund des Konjunkturaufschwungs in den USA sowie die Ausweitung des Welthandels dies überkompensiert. Zum anderen vermindert der starke Außenwert des Euro den externen Preisdruck in Euroland. Die Preise von Importgütern verbilligen sich und unterstützen die EZB bei der Erreichung ihres Inflationsziels.
5. Die gesamte Währungsunion lieferte rund 9 % ihre Ausfuhren in die USA, erwirtschaftete aber nicht einmal 3 % des BIP mit diesen Exporten. Für Deutschland ist die Abhängigkeit von den USA etwas größer. Aus diesen Größenordnungen lässt sich ableiten, dass der negative Effekt der Euro-Aufwertung auf die Exportentwicklung Eurolands zwar nicht vernachlässigbar ist, sich aber in Grenzen halten dürfte. Gleichzeitig sollte die importpreisdämpfende Wirkung der starken Gemeinschaftswährung für Euroland ebenfalls nicht überschätzt werden. Rund 6 % der gesamten Importe kommen aus den USA. Selbst wenn man annimmt, dass weitere Güter in Dollar fakturiert werden, erscheinen starke disinflationäre Wirkungen auf die Import- und letztlich die Verbraucherpreise wenig wahrscheinlich.
6. Aktuelle Daten belegen diese Schlussfolgerung: Bislang hat der starke Euro sich wenig dämpfend auf die Inflation in Euroland ausgewirkt. Ein Grund dafür mag sein, dass viele US-Unternehmen die Dollarschwäche nutzen, um ihre Margen (in US-Dollar gerechnet) in Euroland zu erhöhen. Sie können dadurch ihre Ergebnisse verbessern, denn auf dem US-Markt dürfte eine Erhöhung der Preise angesichts der hohen Überkapazitäten eher nicht möglich sein. Es ist zudem möglich, dass viele ausländische Exporteure inzwischen in Euro fakturieren, während vor Einführung des Euro eine Fakturierung in US-Dollar anstelle der elf Vorgängerwährungen des Euro stattfand. Dies würde Euroland ähnlich wie die USA stärker von Wechselkursschwankungen isolieren. In den USA sind die preistreibenden Effekte der Dollarabwertung beispielsweise kein Thema. Tabelle 2 zeigt die Außenhandelsstruktur von Euroland und den USA im Vergleich. Da der Intra- Eurolandhandel nicht direkt wechselkursabhängig ist, sind die Extra-Handelsdaten zu vergleichen. Es zeigt sich, dass der Anteil der Exporte am BIP in Euroland aktuell mehr als doppelt so hoch ist wie in den USA. Die Exportabhängigkeit ist damit klar höher. Die Importabhängigkeit ist geringer und liegt mit 13,9 % des BIP nur etwas höher als in den USA mit 11,1 %.
7. Die EZB besitzt die Möglichkeiten, nicht nur mit verbalen Interventionen (wie bereits geschehen), sondern auch mit tatsächlichen Interventionen am Devisenmarkt sowie mit Zinssenkungen der Aufwertung des Euro zu begegnen. Devisenmarktinterventionen können, wenn sie in großem Stil durchgeführt werden, nicht nur zur Marktberuhigung, sondern auch zur Umkehr des Markttrends führen. Theoretisch kann sich eine Zentralbank gegen den Markt stellen, um eine Aufwertung der eigenen Währung zu verhindern. Sie verfügt schließlich über die unbegrenzte Möglichkeit, ihre eigene Währung zu drucken und zu verkaufen. Aber das Beispiel Japans zeigt, dass dies in der Realität selbst dann nicht zwangsläufig erfolgreich sein muss. Die japanische Notenbank setzte insbesondere im vergangenen Jahr sehr stark auf das Instrument Devisenmarktintervention, um eine unerwünscht starke Aufwertung des Yen gegenüber dem US-Dollar zu verhindern. Dies ist der Notenbank trotz enormer Interventionsvolumina von über 180 Mrd. US-Dollar dennoch nicht vollständig gelungen; der Yen wertete 2003 um gut 11 % auf. Immerhin hat es die Bank of Japan geschafft, die Volatilität der Wechselkursbewegung einzudämmen. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit Devisenmarktinterventionen der EZB vom Oktober 2000 erscheint ein solches Vorgehen für die Europäische Zentralbank jedoch wenig wahrscheinlich.
8. Des Weiteren hätte die EZB die Möglichkeit, Zinssenkungen zu beschließen, um so die derzeit positive Zinsdifferenz zu den USA etwas zu reduzieren und Anlagen in Euroland weniger attraktiv zu machen. Damit ließe sich der Zufluss von Kapital aus dem Ausland bremsen, womit ein Rückgang der Nachfrage nach Euro einherginge und der Aufwertungsdruck gedämpft würde. Für Zinssenkungen spricht auch, dass die letzten Zinsentscheidungen auf der Basis der Staffprojektionen gefällt wurden, denen ein EURUSD Kurs von 1,17 zugrunde liegt. Aktualisierte BIP- und Inflationsprognosen hätten daher möglicherweise ein niedrigeres Profil. Allerdings wies Präsident Trichet auf der letzten EZB-Pressekonferenz darauf hin, dass sich auch der Ausblick für das Weltwirtschaftswachstum in den letzten Monaten verbessert habe, sodass sich die Perspektiven insgesamt für Eurolandexporte kaum verändert hätten. Wir kommen daher zu dem Schluss, dass in das von uns prognostizierte konjunkturelle Aufschwungsszenario keine Zinssenkung der EZB passt.
9. Derzeit konzentrieren sich die Teilnehmer am Devisenmarkt auf das nächste G7-Treffen am 6./7. Februar. Das G7-Treffen überragt andere Treffen der wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger wie das diese Woche stattfindende jährliche Weltwirtschaftsforum in Davos, da auf ihm ein Communiqué verabschiedet wird, das von allen teilnehmenden Ministern und Notenbankpräsidenten unterzeichnet wird. Die dort gemachten Aussagen und Absichtserklärungen sind daher verbindlicher als andere Presseerklärungen. Das Communiqué des letzten Treffens am 20. September 2003 in Dubai hatte beispielsweise zu der Dollarschwäche der letzen Monate beigetragen. In ihm hieß es:
"We reaffirm that exchange rates should reflect economic fundamentals. We continue to monitor exchange markets closely and co-operate as appropriate. In this context we emphasise that more flexibility in exchange rates is desirable for major countries or economic areas to promote smooth and widespread adjustments in the international financial system, based on market mechanisms."
10. Dieser Abschnitt wurde so interpretiert, dass insbesondere die asiatischen Zentralbanken sich zurückhalten sollten bei den in den letzten Quartalen zunehmenden Dollarkäufen zulasten ihrer eigenen Währungen. Zudem wurde daraus geschlossen, dass die USA es folglich als akzeptabel ansehen würden, wenn der USDollar sich abschwächte. Seit dem Dubai-Treffen haben die USA einer Abschwächung des US-Dollars tatsächlich nicht entgegengewirkt. Die Asiaten haben ihre Interventionspolitik jedoch fortgesetzt. Das Ergebnis war ein einseitig auf dem Euro und den Dollarblock-Währungen lastender Aufwärtsdruck.
11. Das letzte G7-Communiqué wurde darüber hinaus dahingehend interpretiert, dass Devisenmarktinterventionen von Seiten der USA und Europa nicht gewünscht sind. Sie werden sie daher nur in Extremsituationen anwenden. Für beide Währungsräume sollte ein Dollar-Crash diese Extremsituation darstellen. Sehr starke Wechselkursvolatilitäten schaden der Wirtschaft, da sie die finanzielle Planbarkeit von real-wirtschaftlichen Aktivitäten erschweren. Volkswirtschaftliche Ressourcen würden von produktiven Aktivitäten auf Wechselkursspekulationen umgelenkt, was gesamtwirtschaftlich unproduktiv ist. In der Regel brauchen die Realwirtschaft und die Tarifpartner eine gewisse Zeit, um sich auf die neuen Wettbewerbsbedingungen einzustellen, die mit veränderten Wechselkursen einhergehen. Verändert sich das Wechselkursniveau sehr schnell und deutlich, ist dies nicht möglich. Eine gesamtwirtschaftlich niedrigere Produktion in Euroland wäre die Folge.
12. In dem Spannungsfeld von kräftiger Euro-Aufwertung einerseits und der Forderung nach erhöhter Flexibilität der Wechselkurse andererseits dürfte sich die Verlautbarung zu den Währungen bewegen. Eine "Drohung" mit Interventionen ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil, den USA kommt eine moderate Abwertung des Dollars sehr gelegen. Unserer Ansicht nach könnte die Warnung vor "exzessiven" Schwankungen an den Devisenmärkten unter Hinweis auf deren negative Folgen für die Konjunktur ein Teil der offiziellen Verlautbarung sein.
13. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen gehen wir davon aus, dass der US-Dollar auch in diesem Jahr abwertet. Voraussichtlich wird die Abwertung des US-Dollars sogar schneller verlaufen als bislang von uns unterstellt. Wir erhöhen daher unsere EUR-USD-Prognose von 1,30 auf 1,35 für Ende 2004. Auch danach wird sich der Abwärtstrend des US-Dollars fortsetzten. Dies wird dazu führen, dass die EZB später als bislang von uns erwartet ihre Leitzinsen erhöhen wird. Statt im September erwarten wir nun die erste Zinserhöhung der EZB um 50 Basispunkte im Dezember. An unserer Prognose eines Refisatzes von 3,5 % Ende 2005 halten wir hingegen fest.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 122 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands.
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