Kommentar
15:52 Uhr, 11.11.2004

EZB hält Zuckerbrot und Peitsche bereit

1. Die EZB widmet sich in ihrem Monatsbericht intensiver den Auswirkungen des Ölpreisanstiegs auf die Wirtschaft im Euroraum. Sie berichtet, dass ein in Euro gerechnet 50-prozentiger Anstieg, den wir ungefähr in den letzten 12 Monaten realisiert haben, zu einer Inflationserhöhung von 0,5 Prozentpunkten im ersten und 0,4 Prozentpunkten im zweiten Jahr führen sollte. Die BIP-Entwicklung würde entsprechend um 0,1 bzw. 0,2 Prozentpunkte gebremst. Entscheidend für die realwirtschaftlichen Auswirkungen seien die Flexibilität der Wirtschaft und der Arbeitsmärkte und die richtige Politikreaktionen. Für alle Beteiligten sei zunächst wichtig zu erkennen, dass "dass ein Netto-Ölimporteur wie das Euro-Währungsgebiet der mit einem Ölpreisanstieg einhergehenden Verschlechterung der Terms of Trade nicht entgehen kann. ... Diese Belastung muss von der Volkswirtschaft so aufgefangen werden, dass die Produktionseinbußen minimiert und höhere Inflationserwartungen vermieden werden. Insbesondere Tarifabschlüsse, die mit der Preisstabilität auf mittlere Sicht im Einklang stehen, leisten einen wichtigen Beitrag zur Erleichterung der nötigen Anpassung und Begrenzung der damit verbundenen Kosten."

2. Die EZB schreibt sich auch ein Drehbuch für ihr eigenes Verhalten: "Es ist die Aufgabe einer auf Preisstabilität ausgerichteten Geldpolitik sicherzustellen, dass die vorübergehenden und unvermeidbaren direkten Auswirkungen eines Ölpreisanstiegs auf die Inflation nicht zu höheren Inflationserwartungen und der Entstehung von Zweitrundeneffekten führen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik. Solange für die Wirtschaftsakteure außer Frage steht, dass die geldpolitischen Entscheidungsträger gegen einen aufkommenden allgemeinen Inflationsdruck energisch vorgehen werden, dürften sich vorausschauende Tarifpartner entsprechend verhalten. Diese Strategie, die die Inflationserwartungen stabil hält, trägt zu einer Verringerung der Produktionseinbußen bei. Wenn es Anzeichen für einen allgemein steigenden Inflationsdruck gibt, müssen die Zentralbanken gleichwohl zum Handeln bereit sein. In diesem Zusammenhang ist es von äußerster Wichtigkeit, dass die Geldpolitiker aufmerksam verfolgen, ob es im Anschluss an einen Ölpreisschock zu Zweitrundeneffekten kommt. Auch die Inflationserwartungen und die Entwicklung der Tarifverhandlungen sind dabei genau zu beobachten."

3. Gegenwärtig kann die EZB keine Anzeichen für Zweitrundeneffekte ausmachen. Sie berichtet, dass im zweiten Quartal 2004 die gesamten Arbeitskosten pro Stunde um lediglich um 2,1 % ggü. Vj. gestiegen sind. Der Anstieg der Lohnkosten ging mit Ausnahme im öffentlichen Dienst in allen Bereichen zurück. Dank einer Produktivitätsentwicklung von 1,9 % ggü. Vj. hat dies zu einem Anstieg der Lohnstückkosten von nur 0,3 % ggü. Vj. geführt. Real gerechnet seien die Lohnstückkosten sogar rückläufig gewesen. Dies deutet darauf hin, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sich verbessert haben könnte.

4. Der ebenfalls heute von der EZB veröffentlichte Bank lending survey für das dritte Quartal weist auf eine graduelle Erholung der Kreditvergabe hin: - Die Kreditstandards für Unternehmenskredite wären der Umfrage zufolge aufgrund starker Konkurrenz im Kreditgewerbe und trotz schlechterer Aussichten für die jeweiligen Industrien bzw. Unternehmen gelockert worden. Die Nachfrage sei im dritten Quartal noch nicht gestiegen. Dies würde aber für das vierte Quartal erwartet. - Die Kreditstandards für private Immobilienkredite wurden im dritten Quartal etwas gelockert. Für das vierte Quartal wird eine leichte Verschärfung erwartet. Die Nachfrage nach Immobilienkrediten habe sich aufgrund eines geringeren Verbrauchervertrauens, der Aussichten für den Immobilienmarkt und höhere Ausgaben für andere Waren abgeschwächt, könnte sich im vierten Quartal aber leicht erhöhen. - Die Kreditstandards für Konsumentenkredite wurden aufgrund der starken Konkurrenz im Kreditgewerbe gelockert. Die Nachfrage habe sich kaum verändert, was aber für das vierte Quartal erwartet wurde.

5. Den Wechselkurs des Euro thematisierte die EZB in ihrem Monatsbericht nicht überdurchschnittlich. Wir halten dies für angemessen. Der EUR-USD notiert ggü. USD, aber auch handelsgewichtet aktuell auf dem hohen Niveau von Anfang Januar, als die EZB verbal intervenierte. Manche stellen die Frage, ob Devisenmarktinterventionen zu erwarten sind. Dies würden wir klar verneinen. Der Unterschied der aktuellen Situation zu der im Januar besteht in der Geschwindigkeit der Wechselkursanpassung. Die aktuelle Aufwärtsbewegung ist kein "brutal move", selbst wenn sie noch ein paar Cents weiterlaufen würde. Sie kommt vor allem auch nicht überraschend. Im Gegenteil hatten die Unternehmen ein Jahr Zeit, sich an einen EUR-USD Kurs von 1,30 zu gewöhnen. Die Lohnstückkostenentwicklung zeigt, dass die Unternehmen die Zeit genutzt haben. Das Leistungsbilanzdefizit der USA hat sich in diesem Jahr dagegen noch ausgeweitet. Dies spricht dafür, dass es voraussichtlich eines weiteren US-Dollarrückgangs bedarf. Die EZB täte nicht gut daran, sich gegen die strukturelle Abschwächung des Dollars zu stellen, solange diese geordnet verläuft. Sie könnte dies mit Devisenmarktinterventionen wohl auch kaum verhindern.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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