Nachricht
10:21 Uhr, 15.04.2024

Expertenrat: Emissionsrückgang 2023 - Nachbesserungen Verkehr und Gebäude nötig

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones) - Deutschland hat nach Berechnungen des Expertenrats für Klimafragen im vergangenen Jahr seine Treibhausgasemissionen um rund 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verringert und damit den höchsten prozentualen Rückgang binnen eines Jahres seit 1990 erreicht. Der Verkehrssektor hat im vergangenen Jahr hingegen seine Emissionsminderungsziele deutlich verfehlt und Nachbesserungen sind nötig. Damit bestätigt der unabhängige Expertenrat im Grundsatz Berechnungen des Umweltbundesamtes vom Vormonat. Eine Überschreitung im Gebäudesektor sei hingegen nicht eindeutig, so die Experten. Hier hätte das Umweltbundesamt zu keinen anderen Ergebnissen kommen müssen, aber können. Aufgrund der Zielverfehlungen müssten nun für den Verkehrs- und Gebäudesektor Sofortprogramme vorgelegt werden.

Der Expertenrat wurde vom Gesetzgeber eingesetzt, um die vom Umweltbundesamt vorgelegten Abschätzungen der Treibhausgasemissionen regelmäßig unabhängig zu überprüfen. Auch die Annahmen, die den Angaben zur Treibhausgasminderungswirkung von Sofortmaßnahmen und Klimaschutzprogrammen zugrunde liegen, werden genauer unter die Lupe genommen.

Vor einem Monat hatte das Umweltbundesamt geschätzt, dass Deutschland die Treibhausgase 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 10,1 Prozent verringert hat. Das nationale Klimaziel, dass die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 verringert werden, sei damit erreichbar.

Der Expertenrat weist in seinem Bericht nun erneut auf die erhebliche Unsicherheit der Emissionsdaten für die Sektoren hin, die sich aufgrund des frühen Berechnungszeitpunktes vor allem im Sektor Gebäude ergeben.

   Energieintensive Industrie stößt weniger Emissionen aus 

Deutschland hat dem Expertenrat zufolge in 2023 seine Emissionen um rund 10 Prozent von 750 auf 674 Millionen Tonnen reduziert. Insbesondere die Sektoren Energiewirtschaft (minus 20 Prozent), Industrie (minus 8 Prozent) und Gebäude (minus 8 Prozent) verzeichneten hohe Emissionsminderungen. Dabei war den Experten zufolge der Produktionsrückgang in der energieintensiven Industrie "wichtigster Faktor" für die Emissionsminderungen.

"Ohne den Rückgang der energieintensiven Industrie und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen deutlich höher gelegen. Damit wäre das implizite Jahresziel für alle Sektoren in Summe vermutlich nicht erreicht worden", erklärte der Vorsitzende des Expertenrates, Hans-Martin Henning. Der Verkehrssektor verringerte seinen Emissionen hingegen lediglich um 1 Prozent und verfehlte sein Ziel daher deutlich um 12,8 Millionen Tonnen.

"Die erneute Verfehlung des Jahresziels ist im Ergebnis unserer Prüfung beim Verkehr eindeutig", sagte Henning. "Beim Gebäudesektor können wir die knappe Überschreitung des Jahresziels angesichts der großen Unsicherheit der berechneten Daten dagegen weder bestätigen noch verwerfen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes besteht allerdings für beide Sektoren die Notwendigkeit eines Sofortprogramms."

   Expertenrat erwartet abgeschwächte Umsetzung des Klimaschutzprogramms 

Mit Blick auf das Klimaschutzprogramm und das im vergangenen Sommer beschlossene Sofortprogramm erwartet der Expertenrat eine abgeschwächte Umsetzung. Als Grund nannten die Experten das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts und die daraufhin von der Bundesregierung vorgenommenen Kürzungen beim Klima- und Transformationsfonds (KTF).

"Das KTF-Urteil resultiert in Mittelkürzungen in diesem Jahr und engt den Spielraum für die folgenden Jahre ein. Da fast die Hälfte der Maßnahmen des Klimaschutzprogramms fiskalischer Natur ist, verringert dies die Wahrscheinlichkeit, dass die angenommene Minderungswirkung tatsächlich eintritt", erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Brigitte Knopf.

Neben den Auswirkungen der finanziellen Kürzungen im KTF auf das Klimaschutzprogramm insgesamt identifizierte der Expertenrat weitere Umsetzungsdefizite bei den darin enthaltenen Sofortprogrammen Gebäude und Verkehr. Im Gebäudesektor verstärke zudem die weniger ambitionierte Umsetzung des Klimaschutzprogramms die Zweifel an der Erreichbarkeit der angestrebten Minderungswirkung.

Auch im Verkehrssektor sei bei einigen Maßnahmen eine verminderte Wirkung zu erwarten. Außerdem sei eine Zunahme des Pkw-Verkehrs zu beobachten, so der Expertenrat. "Die im Klimaschutzprogramm beschlossenen Maßnahmen für Gebäude und Verkehr reichen nicht aus, um die sektoralen Ziele zu erreichen. Vor allem im Verkehrssektor verbleibt eine erhebliche Erfüllungslücke bis 2030", sagte Knopf.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/apo

Copyright (c) 2024 Dow Jones & Company, Inc.