Kommentar
11:39 Uhr, 05.05.2009

Euroraum benötigt weiterhin sehr expansive Geldpolitik

1. Der EZB-Kompass, der die wichtigsten makroökonomischen Einflussgrößen auf die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank zusammengefasst darstellt, ist im April von 8,1 auf 7,2 Punkte nur noch leicht gefallen. Alle Indikatoren, die in den bei 50 neutralen Kompass eingehen, weisen derzeit sowie in unserer 6- Monats-Prognose Niveaus auf, die eine sehr expansive Geldpolitik rechtfertigen. Auch auf Sicht von 18 Monaten wird die Eurozone von einem „Normalzustand“ noch weit entfernt sein. Allerdings lassen sich diesen Monat auch positive Entwicklungen ausmachen. Sowohl das Economic Sentiment als auch die Einkaufsmanagerindizes haben sich im Vergleich zum Vormonat verbessern können und signalisieren, dass der freie Fall der Realwirtschaft zunächst gestoppt ist.

Bemerkenswert ist die Entwicklung der Inflationsindikatoren. Sie sinken weiter ab und weisen nun in drei Fällen negative Vorzeichen auf. Bei den Importpreisen ist das klar auf die Rohstoffpreisentwicklung zurück zuführen. Allerdings ist auch die Kernrate der Erzeugerpreise negativ. Eine wichtige Komponente der Kernrate sind die Verbrauchsgüter, die zum HVPI die engste Verbindung aufweisen. Sie sind ebenfalls derzeit niedriger als im Vorjahr. Schließlich sind die Inflationserwartungen zu nennen: Die Inflationserwartungen des Consensus, bei dem Analysten befragt werden, und auch die Preiserwartungen der Konsumenten sinken immer weiter ab. Letztere weisen nun erstmals in ihrer bis 1985 zurückgehenden Historie einen negativen Saldo auf. Formell bedeutet das lediglich, dass die Konsumenten einen niedrigeren Preisanstieg in den nächsten 12 Monaten erwarten als in den letzten 12 Monaten. Bei einer Inflationsraten von aktuell 0,6 % yoy und einer durchschnittlich noch oben verzerrten Inflationswahrnehmung bedeutet dies aber, dass die Konsumenten gefährlich nah an der Erwartung fallender Preise sind. Es tut sich damit ein gefährlicher Widerspruch zwischen den kurzfristigen Inflationserwartungen, die für die meisten Konsumentscheidungen relevant sein dürften, und den mittelfristigen Inflationserwartungen auf, die für die meisten Anlageentscheidungen wichtig sind.

2. Die EZB wird ihre Refirate, wie auch am Geldmarkt komplett eingepreist, auf 1,0 % senken und für den Rest des Jahres auf diesem Niveau lassen. Präsident Trichet wird unserer Einschätzung nach das dann erreichte Zinsniveau zwar nicht als Untergrenze bezeichnen, da er natürlich keine Politikmaßnahmen für die Zukunft ausschließen kann. Er dürfte aber klar machen, dass der EZB-Rat ein für die nächsten Quartale konstantes Zinsniveau als Basisszenario ansieht und auf die wichtigen Gründe gegen zu niedrige Leitzinsen verweisen. Zu diesen Gründen gehört auch, dass die Banken, für die längeren Tenderlaufzeiten bieten sich die Option nehmen, sich zukünftig zu niedrigeren Zinsen zu refinanzieren. Je geringer der Wert dieser Option erscheint, desto eher werden sie sich Zentralbankgeld für längere Laufzeiten sichern. Je höher der Wert dieser Option – also je höher die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinssenkung – desto sinnloser wäre die mittelfristige Mittelsicherung. Wenn die EZB, wie sie schon mehrfach angedeutet hat, die Verlängerung der Tenderlaufzeiten auf voraussichtlich 9 und 12 Monate beschließen sollte, darf sie die Wahrscheinlichkeit weiter sinkender Leitzinsen nicht als sehr hoch erscheinen lassen, damit diese Politikmaßnahme überhaupt wirkt.

3. Zu dem jetzigen Zeitpunkt erwarten wir keine zusätzlichen Elemente einer unorthodoxen Geldpolitik, d.h. keinen direkten Forderungsankauf durch die EZB. Uns erscheinen die bilanziellen Gefahren, die hauptsächlich von den großen Mitgliedsstaaten zu tragen wären, derzeit noch zu groß, dass wir keinen Konsens diesbezüglich im EZB-Rat erwarten. Stattdessen gehen wir davon aus, dass Trichet den Ankauf als eine zukünftige Möglichkeit nicht ausschließt jetzt aber darauf verweist, dass man die Wirkung der umfangreichen bisherigen Maßnahmen erst einmal beobachtet. Sollten die Konjunkturindikatoren in den nächsten Monaten sich noch einmal deutlich verschlechtern oder die Inflationsraten unerwünscht lange sehr niedrig bleiben, hat die EZB damit noch Pfeile im Köcher, die sie dann aber auch verschießen sollte.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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