Kommentar
09:37 Uhr, 27.09.2011

EU-Kommission plant Zwangsenteignungen

Kreditinstitute nehmen im real existierenden kapitalistischen Wirtschaftssystem nicht nur eine sehr wichtige, sondern auch eine außerordentliche Rolle ein. Sie haben, aufbauend auf dem primären Geldschöpfungsmonopol der Zentralbanken, sozusagen das sekundäre Exklusivrecht, neues Geld per Kredit zu erzeugen. Die so erzeugte Liquidität macht das Gros der gesamten zirkulierenden Geldmenge aus. Die Banken sind somit der Dreh-und Angelpunkt der Wirtschaft.

Aufgrund dieser Tatsachen ist oft argumentiert worden, dass man Kreditinstitute und „normale“ Unternehmen nicht identisch behandeln kann. Eine Folge ist z.B. eine durchaus strenge Regulierung, die mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden ist. Eine weitere Folge ist, dass berechtigte Sorgen bestehen, Pleiten größerer Banken könnten ganze Wirtschaftssysteme in den Abgrund ziehen. Stichwort: Too big to fail.

Nach der Finanzkrise 2008 war viel darüber diskutiert worden, welch immenser Reformbedarf besteht. Nicht nur hinsichtlich der Risikoreduktion innerhalb der Banken, sondern auch was die Boniregelungen angeht. Das System lud und lädt dazu ein, hohe Risiken einzugehen, wobei im positiven Fall der Gewinn bei Managern und Aktionären landet und im negativen bei den Steuerzahlern oder anderen „Rettern“.

Damit ist nach dem Willen der EU-Kommission bald Schluss. Aktionäre und Gläubiger müssten „einen angemessenen Anteil der Verluste“ tragen, wenn ein Geldinstitut in Schwierigkeiten gerate, heißt es in einem EU-Richtlinienentwurf zum "Krisenmanagement" der Banken. Dies kann im Extremfall bis zur Enteignung führen. Auch das Management soll durch eine Gesetzesänderung in einem solchen Fall entmachtet werden können. Letztlich wird die entscheidende Frage sein, wie man „Schwierigkeiten“ künftig definiert. Die BaFin kann Stand heute bei Insolvenzgefahr jederzeit einschreiten und die Kontrolle übernehmen, man wird also schon wesentlich früher ansetzen wollen.

Natürlich kriegt jeder Wirtschaftsliberale Bauchschmerzen bei dem Gedanken an Enteignungen. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass der Staat sich in der Situation des Erpressbaren befindet. Der marktkonforme Weg wäre schlicht, Pleiten zuzulassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Weg beschritten wird, liegt nahe null. Im Umkehrschluss muss man davon ausgehen, dass wir uns im Bankensystem auf eine mehr oder weniger explizite Verstaatlichung hinbewegen. Bei der Bevölkerung könnte dies sogar gut ankommen, den besten Ruf genießen Bänker ja nicht mehr. Dazu kann man stehen, wie man will. Wenn man sich WestLB und andere staatliche Sanierungsfälle ansieht kommt man aber zumindest zu einem Schluss: Der Staat ist als Bänker nicht besser als die private Konkurrenz.Ihr
Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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