Ethische versus unethische Investmentstrategien
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Eine Eigenheit der Finanzmärkte ist das Vorhandensein von Zyklen. Diese finden sich in den Kursen wieder, sie sind vor allem aber auch bei den Anlegerpräferenzen zu beobachten. Als Ende der 1990er Jahre die Technologie-, Medien- und Telekomaktien haussierten, fragten die Anleger TMT-Fonds nach, die wie Pilze aus dem Boden schossen. In den vergangenen Jahren wandten sie sich dann den Rohstoff- und den Chinafonds zu, weil sich diese Märkte zuvor sehr gut entwickelt hatten. Die Nachfrage steigt also in den Bereichen, die zuvor sehr gut performt haben. Das Geld folgt der Performance, und die Fondsanbieter machen es den Anlegern einfach, entsprechende Anlageprodukte zu finden.
Nur in einem Bereich scheinen Anleger nicht auf eine außergewöhnlich gute Performance zu schauen, wenn sie eine entsprechende Nachfrageeuphorie an den Tag legen: im Bereich von Ethik- und Nachhaltigkeitsfonds. Diese Fondskategorie hat in den vergangenen Jahren einen richtigen Boom erlebt: Ungefähr ein Drittel aller in Deutschland zugelassenen Fonds aus diesem Bereich sind in den Jahren seit 2007 aufgelegt worden - nur die Performance lässt zu wünschen übrig.
Auch hier kann man beobachten, dass die Anzahl der neu aufgelegten Fonds sehr wohl von der breiten Marktentwicklung abhängt. Steigen die Kurse, nimmt auch die Nachfrage zu und die Fondsgesellschaften sind schnell bei der Hand, diese zu bedienen. Aus diesem Grund sind in der TMT-Blase, als das allgemeine Interesse für Fonds rapide anstieg, auch sehr viele Fonds in diesem Bereich neu aufgelegt worden. Als die Kurse dann kollabierten, ließ auch das Interesse an neuen Ethikfonds nach, um dann kurz vor dem Beginn der aktuellen Finanzmarktkrise wieder einen neuen Rekordwert zu erreichen (siehe Abbildung 1).
Ethik- und Nachhaltigkeitsfonds haben den Vorteil, dass sie das Gewissen der Anleger beruhigen. Wer redet sich nicht gerne ein, politisch korrekt gehandelt zu haben, gerade in diesen Zeiten der Finanzturbulenzen, in denen strukturierte Produkte in Verruf gekommen sind? Da verzichtet man dann auch gerne einmal auf etwas Performance und ist schon zufrieden, wenn sich die Fonds nicht viel schlechter als der breite Markt entwickeln.
Allerdings gab es gerade in den vergangenen Jahren in diesem Bereich nicht viel zu lachen. Auf Sicht von drei Jahren haben in Deutschland zugelassene Ethik- und Nachhaltigkeitsfonds fast 30 Prozent ihres Wertes eingebüßt, während der MSCI World in Euro gerechnet „nur“ etwas weniger als 25 Prozent verlor. Das ist beides nicht toll, aber außer einem guten Gewissen scheinen solche Fonds eben keinen Mehrertrag zu bringen.
Die Euphorie, die Anlagen in diese Gute-Mensch-Investments erzeugen, zeigt sich unter anderem auch im Verhalten der Vertriebsorganisationen. Derzeit nehmen die Vertriebsbemühungen zu, ethische Aktien an den Mann und die Frau zu bringen.
Offensichtlich hat sich im Vertrieb die Meinung durchgesetzt, dass man bei Anlegern nur die Worte „Nachhaltigkeit“ oder „ethisch korrekt“ im Vertriebsgespräch einfließen lassen muss, und schon ist die Aufmerksamkeit geweckt. Natürlich gibt es eine Reihe an Vermögensverwaltern, die bei den Begriffen gelangweilt abwinken und dann darauf hinweisen, dass dies ein toller Marketinghype sei, aber eben einer ohne Zusatzperformance. Aber es ist die Minderheit, die dies erkannt hat.
An dieser Stelle ist es dann an der Zeit zu fragen, wie so eine enttäuschende Entwicklung eigentlich zustande kommt? Wahrscheinlich liegt es vor allem daran, dass Aktien, die ethisch korrekt oder nachhaltig sind, nur in relativ wenigen Bereichen zu finden sind. Somit entsteht ein Klumpenrisiko, das mit einer sinnvollen Risikodiversifizierung nur schwer in Einklang zu bringen ist. Darüber hinaus sind viele Unternehmen aus dem Bereich Umweltschutz noch nicht so weit, dass ihre Geschäftsmodelle auch selbstständig Gewinne produzieren. Somit sind sie auf staatliche Unterstützung in Form von Subventionen oder Kaufanreizen angewiesen. Das produziert immer dann erhebliche Kursturbulenzen, wenn die Hilfsmaßnahmen beschränkt werden, was zuletzt gerade Solaraktien schmerzhaft zu spüren bekamen.
Eng mit diesem fundamentalen Grund verbunden ist der nun einmal unbestreitbar vorhandene langfristige Zusammenhang zwischen der Gewinn- und der Kursentwicklung einer Aktie. Unternehmen, die aus moralischen Gründen auf eine Gewinnmaximierung verzichten, nehmen somit in Kauf, dass ihre Aktienkurse auf Dauer auch hinter den Marktentwicklungen zurückbleiben.
Diese Punkte, die die wenig überzeugende Performance von Nachhaltigkeits- und Ethik-Investments erklären, stören Anleger offensichtlich wenig - das Interesse ist weiterhin ungebrochen. Hauptsache, man redet sich ein, etwas Gutes getan zu haben. An dieser Stelle kommt nun die Behavioral Finance ins Spiel, also die psychologisch orientierte Finanzmarktanalyse. Ein Teilbereich davon sind die sogenannten Konträrstrategien, bei denen bewusst die gegenteilige Positionierung zu dem eingenommen wird, was die breite Masse ohne weiteres Nachdenken verfolgt. Es wird dann nur das umgesetzt, was einem der Bauch empfiehlt.
Wenn also ethische und nachhaltige Investments so en vogue sind, ohne dass sie sich dauerhaft besser entwickeln als der Markt, sollte man sich auch einmal die Zeit nehmen und in die andere Richtung denken. Was ist mit scheinbar unethischen Investments? Was wäre, wenn man einmal eine Investmentstrategie auf die Beine stellt, die sich bewusst an den sieben Todsünden orientiert? Und vor allem, wie könnte so eine Strategie aufgebaut sein, und wäre sie erfolgreich?
Das Konzept der Todsünde wurde zum ersten Mal im vierten Jahrhundert nach Christus formuliert. In der von Papst Gregor I. modifizierten Form gibt es nun insgesamt sieben Todsünden, die entsprechend der Ich-Bezogenheit in eine allgemein gebräuchliche Reihenfolge gebracht wurde. Die ersten beiden Todsünden sind der Stolz und die Habgier beziehungsweise der Geiz, gefolgt vom Neid, dem Zorn, der Wollust, der Maßlosigkeit beziehungsweise der Völlerei sowie der Trägheit.
Zu jeder dieser sieben Todsünden gibt es eine Reihe von Sektoren mit den dazugehörenden Aktien, die sich für eine entsprechende Investmentstrategie qualifizieren. Der Stolz beispielsweise wird durch die Schmuck- und Kosmetikindustrie, aber auch durch Luxusmode und entsprechende Accessoires befördert. Somit zählen hierzu so illustre Unternehmen wie LVMH, Hugo Boss, Tod’s oder Tiffany, also nicht zwingender Weise Firmen mit einem zweifelhaften Ruf.
Die zweite Todsünde besteht eigentlich aus zwei Teilsünden, nämlich der Habgier und dem Geiz. Bei der Habgier dürften wohl angesichts der Entwicklungen im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise die Investmentbanken ohne große Widerrede als geeignet akzeptiert werden, beim Geiz sind wir vor allem bei Billiganbietern wie Priceline, Woolworths oder Hennes & Mauritz.
Eng mit dem Stolz verbunden ist die dritte Todsünde, der Neid. Diese wird durch drei Teilbereiche abgedeckt. Das fängt mit Automobilen (insbesondere aus der gehobenen Klasse) an, allerdings kann man eigentlich sämtliche Automobilfirmen berücksichtigen, schließlich gibt es Länder, in denen bereits der Besitz eines gebrauchten Automobils Neid erzeugt. Eng damit verbunden sind auch Motorradhersteller wie Harley Davidson. Daneben erzeugen viele Lifestyle-Produkte wie Yachten oder Privatflugzeuge sowie High-End-Technologie wie iPhones oder iPods von Apple Sehnsüchte.
Die vierte Todsünde ist diejenige, bei der es im Zusammenhang mit der Aktienauswahl den geringsten Diskussionsbedarf gibt. Schließlich wird der Zorn vor allem durch die Bereiche Feuerwaffen (Smith & Wesson) und Rüstung (Lockheed Martin oder Rockwell)abgedeckt. Aber auch das andere Ende des Zorns darf dabei nicht vergessen werden, das sich durch private Gefängnisbetreiber zeigt.
Die Todsünde, die meist den größten Spaß verspricht ist die Wollust, die durch sämtliche Facetten der Erwachsenenunterhaltung abgedeckt wird. Dazu gehören Nachtclubbetreiber (Rick’s Cabaret), Dessoushersteller (Wolford) oder Hersteller beziehungsweise Versender von Medien speziell für Erwachsene (Netflix, Playboy). Aber gerade in diesem Bereich darf der medizinische Aspekt nicht vergessen werden, deshalb zählen hierzu auch sämtliche Kondomhersteller (SSL International) oder die Produzenten von Potenzmitteln (Pfizer).
Die Völlerei und die Maßlosigkeit wird ebenfalls durch eine Vielzahl an Bereichen abgedeckt: Das fängt bei dem Alkohol- und Tabakproduzenten an (Carlsberg, Britisch American Tobacco) und geht über den Nahrungsmittelbereich (McDonald’s) bis zu den Rohstoffproduzenten, die ohne Rücksicht auf die Umwelt die Ressourcen abschöpfen (Kalahari Minerals). Im weiteren Sinne kommen dabei sogar Gentechnik- und Chemieunternehmen in Betracht, die mit ihren Produkten vor allem auf Kosten der Umwelt immer mehr Ertrag erreichen wollen.
Die siebte und letzte Todsünde ist die Trägheit, also das Verhalten, dass man etwas ohne einen eigenen Beitrag erreichen möchte. Dazu zählen natürlich in erster Linie Casinos und Online-Wettunternehmen, die einem Spieler Reichtum ohne Arbeit versprechen. Aber auch die ganzen Freizeit – und Unterhaltungsindustrien wie Funparks und Unternehmen aus der Filmindustrie dürfen nicht vergessen werden.
Während also in den vergangenen Jahren sehr viele Ethik- und Nachhaltigkeitsfonds neu auf den Markt gebracht wurden, kann man dies von „Todsünde-Fonds“ nicht behaupten. In den USA gibt es zumindest mit dem Vice-Fund (Vice ist ja bekanntlich der englische Ausdruck für das Laster) ein Produkt, das primär in die Bereiche Rüstung, Casinos, Alkohol und Tabak investiert. Auch dabei war die Performance in den vergangenen drei Jahren mit -22,5 Prozent nicht berauschend, aber immerhin besser als der Markt. Der Grund hierfür ist, dass bei diesem Ansatz ein Problem auftaucht, das auch bei den Ethikfonds zu Schwierigkeiten führt. Durch die Begrenzung auf nur vier Bereiche gibt es eine Klumpenbildung, die mit einer sinnvollen Risikodiversifizierung nur schwer in Einklang zu bringen ist.
Dabei ist es mit Hilfe einfacher Handelsregeln sehr leicht möglich, eine auch risikoadjustiert erfolgreiche Investmentstrategie zu verfolgen. Auf der Basis der zuvor beschriebenen Auswahlkriterien wurde eine Handelsstrategie simuliert, bei der es zu einer immer wieder anderen Zusammensetzung des jeweiligen Aktienuniversums kam, aus denen dann 500 Portfolien gebildet wurden. Im Vergleich hierzu wurde diese Strategie dann auch jeweils 500 Mal für beliebige globale Aktien sowie für Nachhaltigkeitsuniversen getestet. Immer für den Zeitraum 2001 bis 2010. Die Ergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache.
Während der MSCI World in Euro gerechnet in diesem Zeitraum ein Minus von fast 33 Prozent hinnehmen musste, hat die Handelsstrategie auf der Basis beliebig ausgewählter Aktien im Durchschnitt immerhin ein Plus von knapp über Null erreicht. Die Portfolien der Nachhaltigkeitsaktien haben dagegen ein Minus von rund 26 Prozent hinnehmen müssen. Und die „bösen Aktien“? Im Durchschnitt über alle 500 Simulationen ein Plus von über 200 Prozent. Und auch die Häufigkeitsverteilung der jeweiligen Ergebnisse zeigt, dass diese Ergebnisse nicht durch Ausreißer verzerrt sind, sondern in ihrer Gesamtheit ein klares Bild liefern: Wer ethisch investiert, wird dafür (hoffentlich) im Himmel belohnt, sündige Investments erhalten ihre Belohnung auf der Erde.
Immerhin gibt es nun auch in Deutschland einen Anbieter, der ein Produkt auf den Markt bringt, das auf der Basis sündiger Investments eine hohe Rendite erwarten läßt. Das Würzburger Emissionsaus Prosperia wird in den kommenden Wochen mit der Prosperia Mephisto 1GmbH & Co KG einen Geschlossenen Fonds an den Markt bringen, der seine Investitionsentscheidungen ohne Rücksicht auf political correctness trifft. Über Private Equity- Engagements wird sich dieser Fonds an Unternehmen beteiligen, die aus Bereichen kommen, die die sieben Todsünden abdecken. Bei diesem Produkt trifft der Grundsatz zu, dass Sünder im Diesseits gut leben, Heilige im Jenseits.
Dr. Conrad Mattern ist Vorstand der CONQUEST Investment Advisory AG, einer Vermögensverwaltungsgesellschaft für institutionelle Anleger, die sich auf das Thema Behavioral Finance spezialisiert hat. Dr. Mattern ist Autor einer Reihe von Fachbüchern und hat einen Lehrauftrag an der Ludwig-Maximilians-Universität in München für Fundamentalanalyse und Behavioral Finance.
Dieser Artikel ist in unserer Sonderpublikation Asset Allocation erschienen. Weitere spannende Themen können Sie nach einer kurzen kostenfreien Anmeldung [Link "hier" auf www.boerse-go.de/... nicht mehr verfügbar] herunterladen.
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